2404/J-BR/2006

Eingelangt am 22.05.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde

an den Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend Radonbroschüre des Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

Pressemitteilungen der WHO, des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz und Schweizer
Bundes- und Kantonalsbehörden wiesen in den vergangenen Wochen und Monaten verstärkt
auf die gesundheitsgefährdende Bedeutung ausgesetzter Radongaskonzentrationen in
Aufenthaltsräumen hin.

Speziell während der Wintermonate kann sich die Radongaskonzentration in
Aufenthaltsräumen bedenklich erhöhen, so durch undichte Fundamente bzw.
Leitungsanschlüsse in radonbelasteten Gebieten das radioaktive Gas in Gebäude eindringen
kann.

Gemäß bekannter internationaler Studien sei die Radonbelastung in einem großen Ausmass an
Lungenkrebserkrankungen verantwortlich.

Gemäß diesen Studienergebnissen wären strenge Grenzwerte festzulegen, die weit niedriger
als die bislang u.a. in Österreich geltenden unverbindlichen Richtwertempfehlungen liegen
sollten. Bereits ab einem Belastungswert von 100- 150 Bq/m3 sollten Schutzmaßnahmen
vorgesehnen werden. Aus den nachfolgend angeführten österreichischen Gemeinden sind
auszugsweise folgende gemessene Maximalwerte bekannt:

Maximal gemessene Werte in Bq/m3 in Österreich: (Quelle: ÖNRAP)

Umhausen            60000

Lienz     10000

Arbesbach              8570

Bad Leonfeld              8204

Heidenreichstein            8010

Haibach im Mühlfeld 6263

Gosau    5685

St. Georgen am Walde 5310

Aspangberg St. Peter      5240

Gutau     4880

St. Wolfgang/Salzkammergut              4224

Hüttenberg              3990

Pasching 3893

u.s.w.

Insgesamt wurden im Rahmen des ÖNRAP-Projektes in mehr als 350 österreichischen
Gemeinden Maximalwerte größer als 400 Bq/m3 (in der Bandbreite zwischen 400 Bq/m3 und
60000 Bq/m3 in Umhausen bzw. 10.000 Bq/m3 in Lienz). In 153 österreichischen Gemeinden
überschreiten die berechneten Radonpotential werte den Wert von 400 Bq/m2.

Die WHO empfiehlt daher in radongasbelasteten Gebieten verstärkt Radonuntersuchungen
durchzuführen und drängt auf die Sanierung entsprechend belasteter Objekte. Eine
entsprechende Empfehlung der Europäischen Kommission datiert bereits vom 21.2.1990
((90/1437Euratom)


In Österreich wurde mit der Durchführung des Österr. Radonprojektes (ÖNRAP) zwar das
Radonpotential vieler Gemeinden erhoben, jedoch sind nachfolgend keine
bundeseinheitlichen Aktivitäten mehr erfolgt, die zu einer Verringerung der Radonbelastung
geführt haben. Zudem liegen die Ergebnisse aus dem ÖNRAP-Projekt in einer für die
Öffentlichkeit keineswegs als befriedigend anzusehender Aufarbeitung vor. So müssten
Interessierte zuerst ein Datenvolumen von 35 MB (!) aus dem Internet laden um nach einer
langatmigen Präsentation einen Verweis auf gemeindespezifische Daten erhalten zu können.

Das Land Oberösterreich hat als bislang einziges Bundesland eine flächendeckende
Förderung für Radonmessungen und -Sanierungen vorgesehen. Ebenso hat das Land
Oberösterreich als bislang einziges Bundesland halbwegs genaue Radonkarten veröffentlicht,
die als Entscheidungsgrundlagen dienlich anzusehen sind. Aus benachbarten Staaten sind
elektronisch abrufbare Informationen zur lokalen Radongasbelastung abrufbar. Seitens der
kompetenzmäßig zuständigen Bundesministerien sind vergleichbare Informationsangebote
bislang nicht bekannt. Beispielhaft wurden in Oberösterreich auch öffentliche Gebäude auf
Radonbelastungen hin untersucht. Besonders im Mühlviertel lagen die Messwerte oft um ein
vielfaches über den Richtwerten.

Nun hat das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen gemeinsam mit dem
Lebensministerium eine Broschüre zur Radonbelastung in Österreich herausgegeben, die zwar
sehr informativ das Thema Radon im allgemeinen behandelt, auf die seit Jahren beiden
Ministerien bekannten gemessenen Höchstwerte aber nicht näher eingeht.

Die dt. Strahlenschutzkommission kommt in ihrer Publikation "Auswertung der vorliegenden
Gesundheitsstudien zum Radon Stellungnahme der Strahlenschutzkommission zur Wirkung
des Radons (verabschiedet in der 192. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 24./25. Juni
2004 Veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 141 vom 30. Juli 2004, S. 16881 (siehe:
http://www.ssk.de/werke/volltext/2004/ssk0407.pdf)) zu folgenden auch aus österreichischer
Sicht bemerkenswerten Schlussfolgerungen:

„Grundsätzlich lassen sich folgende Aussagen zum Radonrisiko aus den vorliegenden
Untersuchungen treffen:

-    Epidemiologische Studien bei der Bevölkerung zeigen, dass sich durch Radonexpositionen
das Risiko für Lungenkrebs erhöht.

-    Der Zusammenhang von Lungenkrebs und Radonexposition wurde in vielen verschiedenen
Studien und auch für unterschiedliche Expositionsbedingungen untersucht, und es wurde
übereinstimmend eine Assoziation zwischen Radonexposition und Lungenkrebs gefunden.

-    Ein statistisch signifikantes zusätzliches Lungenkrebsrisiko ist bei Radonkonzentrationen
von 150 Bq/m3 nachweisbar (siehe z.B. [Lubin et al. (2004]). Die deutschen Radonstudien
zeigen eine signifikante Erhöhung des Lungenkrebsrisikos ab der Kategorie größer 140
Bq/m3.

-    Das zusätzliche relative Lungenkrebsrisiko durch Radon liegt unter Annahme einer linearen
Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert („LNT-Hypothese“) nach den bisher
vorliegenden epidemiologischen Studien bei etwa 10 % pro 100 Bq/m3 Radonkonzentration.

-    Es zeigt sich eine Abhängigkeit des abgeschätzten Risikos von der Genauigkeit der
Expositionsermittlung: Je genauer und vollständiger die retrospektiv ermittelten


Expositionsangaben sind, desto höher sind die daraus ermittelten Risikoabschätzungen. Dies
ist auch bei den deutschen epidemiologischen Studien festzustellen. Daher liegt das
zusätzliche Risiko eher höher als die vorliegenden Abschätzungen.

- In Deutschland ist der Anteil der Bevölkerung mit häuslichen Radonexpositionen über 250
Bq/m3 weniger als 1 % (800.000 Personen). Für die betroffene Bevölkerungsgruppe muss mit
einer relativen Erhöhung des Lungenkrebsrisikos von mehr als 20 % gerechnet werden.
Allerdings ist bereits bei Radonkonzentrationen von 150 Bq/m3 eine signifikante Erhöhung
der Lungenkrebs-Mortalität festgestellt worden. Es wird erwartet, dass mit der gepoolten
europäischen Studie auch konkrete Aussagen zu niedrigeren Konzentrationen gemacht
werden können.“

Vor dem Hintergrund der aktuellen Warnungen der WHO, den zitierten Arbeiten der dt.
Strahlenschutzkommission und den bekannt hohen Radongasbelastungen vieler
österreichischen Gemeinden, stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

1.             Sind Ihnen die Informationen der WHO bekannt und teilen Sie die Einschätzung der
WHO bezüglich des Gesundheitsrisikos durch Radon?

2.             Sind Ihnen die einschlägigen eingangs zitierten Arbeiten der dt.
Strahlenschutzkommission bekannt und teilen Sie deren Einschätzung?

3.             In welcher Form hat Ihr Ministerium auf die Empfehlungen der Europäischen
Kommission vom 21.2.1990 wie reagiert. Welche spezifischen Maßnahmen wurden in
Bezug auf die einzelnen expliziten Empfehlungen eingeleitet und wann in welcher Form
abgeschlossen?

4.      Sind von Ihrem Ministerium weitere Aktivitäten zum Thema Radon geplant und wenn
welche in welcher zeitlicher Vorausschau?

5.             Welche personellen und finanziellen Ressourcen Ihres Ministeriums stehen für Arbeiten
zum Themenkreis Radon zur Verfügung?

6.             Gibt es Arbeitsgruppen auf Bundesebene, die sich mit dem Thema Radon in
Aufenthaltsräumen beschäftigen. Wenn ja, welche Ministerien sind hierin vertreten, wie
oft finden Besprechungen/Jahr statt. Sind Bundesländervertreter mit eingebunden und
wenn ja, in welcher Form und unter welchen Beteiligung welcher Bundesländer.

7.             In welcher Auflage wurde der Folder „Radonbelastung in Österreich“ gedruckt? An wen
wurde er bislang verteilt?

8.             Werden österreichische Gemeinden, in denen besonders hohe Radonbelastungen
gemessen wurden, gesondert auf diesen Folder und die Belastung aufmerksam gemacht?

9.             Werden jene Gemeinden, die lt. ÖNRAP-Projekt bedenklich hohe Maximal- bzw-
bedenklich hohe Radonpotentialwerte aufweisen explizit auf diese Messergebnisse
hingewiesen und wenn ja, in welcher Form?

10.      Gemäß den Ergebnissen des ÖNRAP-Projektes sind in einer bedeutend hohen Anzahl
österreichischer Gemeinden hohe Maximal- und Potentialwerte für die Radongasbelastung
in Aufenthaltsräumen gemessen worden. Wieviele BürgerInnen sind ihrer Schätzung
bzw. gemäß den Ergebnissen des ÖNRAP-Projektes gesundheitlich bedenklichen
Radongasbelastungen ausgesetzt?

11.      Sind Ihnen die aktuellen radonrelevanten gesetzlichen Bestimmungen beispielsweise aus
Tschechien, Kanada, USA bekannt? Wie beurteilen Sie im Vergleich zu den gesetzlichen
Bestimmungen der angeführten Staaten die gegenwärtigen Regelungen in Österreich?


12.      Sind Ihnen die öffentlichkeitsrelevanten Regierungsmaßnahmen aus den USA.
Tschechien, Kanada, Schweiz und Deutschland bekannt und inwiefern erachten sie diese
als Vorbild für Österreich?

13.      Stellen insbesondere die Regelungen der Tschechischen Republik im Bereich der
Raumplanung und Flächenwidmung ein Vorbild für Österreich dar?

14.      Werden Sie politische Initiativen setzen, sodass auch in Österreich verbindliche und dem
aktuellen Stand des Wissens entsprechende gesetzliche Normen zur
Radongaskonzentration in Aufenthaltsräumen (in Bestandsgebäuden und für Neubauten)
festgelegt werden?

15.      Wurden öffentliche Gebäude des Bundes (Amtsgebäude, Schulen, etc.) auf die Belastung
durch Radon untersucht?

16.      Inwieweit wurde bislang die AGES von den Gebäudeverwaltungen anderer
Bundesministerien bzw. der Bundesimmobilienverwaltung bzw. Bundesländern und
Gemeinden zu Radongasmessungen seit dem Jahr 2000 angefragt und wenn ja, was waren
die entsprechenden Ergebnisse? Um welche Gebäude (Art der Nutzung) handelt es sich?

17.      Ist geplant, sämtliche Bundesgebäude in Gebieten mit potentieller Radonbelastung
untersuchen zu lassen?

Wenn dies nicht der Fall ist, warum nicht?

18.      Wie viele Bundesbeamte verrichten Ihrer Schätzung bzw. allfälligen Erhebungen zufolge
nach ihre Arbeit in Aufenthaltsräumen, in denen die Radongaskonzentrationen höher als
150Bq/m3ist?

19.  Werden Sie sich dafür einsetzen, dass länderübergreifend nach dem best-practice Modell
die wirksamsten Mittel zur Erfassung und Sanierung radonbelasteter Gebäude umgesetzt
werden?