2422/J-BR/2006

Eingelangt am 20.07.2006
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Anfrage

der Bundesräte Prof. Konecny

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Geheimtreffen der Innenminister der sechs größten EU-Staaten ohne Beiziehung

der österreichischen Präsidentschaft

In der heutigen Ausgabe der Tageszeitung „Die Presse" ist folgender für die österreichische
EU-Präsidentschaft und insbesondere für Innenministerin Prokop peinlicher Sachverhalt
bekannt geworden: Im März dieses Jahres - also während der österreichischen EU-
Präsidentschaft - haben sich im ostdeutschen Seebad Heiligendamm die Innenminister der
sechs größten EU-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und
Spanien) getroffen, um über Fragen der inneren Sicherheit und der Terrorbekämpfung zu
debattieren. Darüber hinaus wurden aber laut Zeitungsmeldung auch Beschlüsse gefasst, wie
etwa die bisher streng geschützten Datenbanken, die für andere Zwecke wie Asylwesen
erstellt wurden, auch für die nationalen Polizeibehörden zugänglich zu machen.

Der genannte Artikel lautet wie folgt:

"Die Presse" vom 20.07.2006                                 Seite: 3

Ressort: Europa

Österreich, Abend, Österreich, Morgen
Geheimtreffen der großen EU-Staaten

Bericht. Britisches Oberhaus über folgenschwere Treffen von sechs Innenministern
empört.

Von unserem Korrespondenten AXEL REISERER

LONDON. Das Treffen fand nur geringe Publizität. "Innenminister der EU beraten über
Sicherheit w
ährend der Fußball-WM" hieß es in Agenturmeldungen im März zu einem
Treffen der Innenminister der sechs gr
ößten EU-Staaten im ostdeutschen Seebad
Heiligendamm. Dass dort aber in aller Stille schwerwiegende Beschl
üsse gefasst wurden,
st
ößt nun auf heftige Kritik des britischen Oberhauses. Auch Österreichs Regierung, die sich
w
ährend ihrer Ratspräsidentschaft für Initiativen im Bereich innere Sicherheit engagiert hatte,
dürfte das Treffen noch sauer aufstoßen. Denn die Präsidentschaft war nicht eingeladen.


Zwar sei es "nicht anrüchig", dass sich Minister einzelner EU-Staaten informell zu
Gespr
ächen treffen, schreibt nun der EU-Ausschuss des House of Lords in einem Bericht mit
dem Titel "Behind Closed Doors". Zugleich aber bestehe "die Gefahr, dass derartige Treffen
ein erhebliches Gewicht erhalten, dass sie praktisch die den EU-Institutionen vorbehaltenen
Aufgaben
übernehmen." Ausdrücklich warnt das Oberhaus daher vor der Schaffung
"alternativer Foren".

Beschlüsse der sechs größten EU-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Italien, Polen und Spanien), die sich 2003 informell zur so genannten G6
zusammengeschlossen hatten, um Fragen der inneren Sicherheit und der Terrorbek
ämpfung
regelmäßig informell zu besprechen, würden nämlich nach Ansicht der britischen Lords
"unausweichlich massiven Einfluss auf die weitere Gestaltung der Politik" in diesen
Bereichen haben. Die
übrigen 19 EU-Staaten würden praktisch mit "vollendeten Tatsachen"
konfrontiert, und die Bekenntnisse der EU zu mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht
L
ügen gestraft.

Beschlüsse werden öffentlich

Eine Sprecherin des Londoner Innenministeriums wies den Vorwurf der
Geheimniskr
ämerei rund um das G6-Treffen zurück, gelobte zugleich aber Besserung. Nach
der nächsten Runde im Oktober unter britischem Vorsitz werde man alle Beschlüsse im
Internet ver
öffentlichen. Die Lords dazu sarkastisch: "Ob eine englische Website freilich die
polnische Bev
ölkerung über potenziell gravierende Änderungen ihrer Rechte ausreichend
aufkl
ären kann, erscheint fraglich."

Dem Oberhaus missfallen nämlich auch die Beschlüsse der G6 von März.
Absichtserkl
ärungen der führenden EU-Staaten, wonach zur besseren Terrorbekämpfung
bisher streng gesch
ützte Datenbanken (etwa von Asylwerbern) den nationalen
Polizeibeh
örden zur Verfügung stehen sollen, stünden im Widerspruch zu bestehenden EU-
Gesetzen. "Datenaustausch ist wichtig, aber nicht so wichtig, dass B
ürgerrechte untergraben
werden dürfen", heißt es in dem Bericht.

Mit seiner Kritik profiliert sich das oft belächelte Oberhaus erneut als Hüter der Freiheits-
und Bürgerrechte. Je mehr sich die britische Regierung in der inneren Sicherheit als
Scharfmacher hervortut, umso mehr sehen sich die Lords als H
üter des Rechtsstaats.

Im österreichischen Innenministerium wollte man zu dem informellen Treffen vorerst nicht
Stellung nehmen. Allerdings wies eine Sprecherin von Ministerin Liese Prokop darauf hin,
dass auch
Österreich regelmäßig eigene Treffen mit mittel- und osteuropäischen Ländern
abhalte.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für Inneres
nachstehende


Anfrage:

1.                           Wann ist Ihnen dieses in den Erläuterungen ausgeführte Treffen der Innenminister der
sechs größten EU-Staaten bekannt geworden?

2.                           Wann hat dieses Treffen stattgefunden?

3.                           Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass Sie als Vertreterin der Präsidentschaft auch zu
diesem Treffen eingeladen werden?

4.                           Ist Ihnen bekannt, welche Themen dort besprochen wurden?
Wie wurden Ihnen die Themen mitgeteilt?

5.                           Ist Ihnen bekannt, welche Beschlüsse dort gefasst wurden?
Wie wurden Ihnen diese mitgeteilt?

6.                           Ist die Wiedergabe in der „Die Presse" richtig, wonach bisher streng geschützte
Datenbanken (etwa von Asylwerbern) den nationalen Polizeibehörden zur Verfügung
gestellt werden sollen?

7.                           Wie soll diese Maßnahme umgesetzt werden, welche rechtlichen Änderungen wären auf
EU-Ebene und auf nationaler Ebene notwendig?

8.                           Wie beurteilen Sie diese Maßnahme im Hinblick auf das europäische
Grundrechtssystem?

9.                           Warum haben Sie zu diesem informellen Treffen gegenüber der Tageszeitung „Die
Presse" keine Stellung bezogen?

10.                    Gab es weitere Treffen dieses Kreises während der österreichischen EU-
Präsidentschaft?

Wenn ja, was wurde dort besprochen bzw. beschlossen?


11.                   Wie stehen Sie generell zu solchen informellen Treffen?

12.                   Teilen Sie die Kritik z.B. des Britischen Oberhauses, wonach solche Treffen
unausweichlich massiven Einfluss auf die weitere Gestaltung der Politik hätten, die
übrigen 19 Mitgliedsstaaten nicht eingebunden sind und daher vor vollendete Tatsachen
gestellt würden?

13.                   Was hat die österreichische Präsidentschaft unternommen, um solche informellen
Treffen einzuschränken?

14.                   Was hat die österreichische Präsidentschaft unternommen, um die mangelnde
Transparenz dieser Vorgangsweisen hintanzuhalten?

15.                   Wie beurteilen Sie die Aussage einer Sprecherin des Londoner Innenministeriums, die
auf Kritik ankündigte, bei der nächsten Runde im Oktober dieses Jahres unter
britischem Vorsitz alle Beschlüsse im Internet zu veröffentlichen?

16.                   Werden Sie dafür sorgen, dass diese Beschlüsse auch auf der Homepage des BMI
veröffentlicht werden, damit sie den Österreicherinnen einfacher zugänglich werden?

17.                   Haben Sie sich als österreichische Innenministerin abgefunden, dass Sie zu diesen
Treffen nicht eingeladen werden und daher kein Mitwirkungsrecht haben?

18.                   Haben Sie mit Vertretern Finnlands, die gegenwärtig den Vorsitz der EU inne haben,
über diese Treffen der Innenminister der sechs größten EU-Staaten gesprochen?
Wenn ja, welches Ergebnis brachte dieses Gespräch?