2426/J-BR/2006

Eingelangt am 25.07.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Lanzenkirchner Werkskanal und das Verhalten der damit befassten Behörden

Der Lanzenkirchner Kanal ist ein Seitenarm des Leitha-Flusses. Er wurde seinerzeit durch
die Regulierung der Leitha von dieser abgetrennt und ersatzweise vom Pitten-Fluss gespeist.
Bei der sog.
Erlacher Wehr" wurde das Wasser in den Kanal eingeleitet. Der Lanzenkirchner
Kanal ist öffentliches Wassergut gem. § 4 Wasserrechtsgesetz.

Öffentliches Wassergut, und dient (zitiert idF vor der Umsetzung der WRRL) daher
insbesondere

a)      der Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer,

b)      dem Schutz ufernaher Grundwasservorkommen,

c)      dem Rückhalt und der Abfuhr von Hochwasser, Geschiebe und Eis,

d)      der Instandhaltung der Gewässer sowie der Errichtung und Instandhaltung von
Wasserbauten und gewässerkundlicher Einrichtungen sowie

e)      der Erholung der Bevölkerung

Seit vielen Jahren erfolgt jedoch keine Einleitung bei der Erlacher Wehr mehr. Dadurch
gehen die oben genannten Funktionen, insbesondere der Schutz vor
Hochwasserereignissen verloren. Einer Sachverhaltsdarstellung des Leitha-Fischa-
Wasserwerksvereines aus dem Jahr 1999 zufolge macht sich eine zunehmende
Verschlammung bzw. Austrocknung bemerkbar. In dem genannten Schreiben wird jedoch
insbesondere auf die Funktion des Lanzenkirchner Kanals als Hochwasserschutz - vor allem
im Zuge der Durchquerung des Ortsgebietes von Lanzenkirchen - hingewiesen. Weiters
bestehen weiter unten aufrechte Wasserrechte von zwei Kraftwerksbetreibern, die nicht
genutzt werden k
önnen. Die bedeutende Funktion dieses Gerinnes steht daher ebenso
außer Zweifel wie seine Unbenutzbarkeit.

So hat die NÖ Umweltanwaltschaft in ihrem Jahresbericht 1993 - 1999 ausdrücklich
festgehalten: Nach Ansicht der NÖ Umweltanwaltschaft kann der derzeitige Zustand auf
Dauer nicht aufrecht erhalten werden. Der Lanzenkirchner Werkskanal stellt auf Grund
seiner naturnahen Gestaltung einen Bestandteil des ökologischen Landschaftsgefüges dar
und dient indirekt auch der Beschickung des Katzelsdorfer Mühlbaches, der ebenfalls seit
langer Zeit besteht und eine ähnliche ökologische und historische Wertigkeit besitzt. Darüber
hinaus waren sowohl der Lanzenkirchner Werkskanal als auch der Katzelsdorfer M
ühlbach
wertvolle Fischw
ässer, die nach Möglichkeit erhalten werden sollten. Aus der Sicht der NÖ
Umweltanwaltschaft wäre daher im öffentlichen Interesse an der Erhaltung des ökologischen
Beziehungsgef
üges eine Dotation des Lanzenkirchner Werkskanalssystems aus der Pitten
auch nach Verzicht auf das ursprüngliche Wasserrecht vorzunehmen. Die bisherigen
Bemühungen der NÖ Umweltanwaltschaft, eine derartige Lösung zu erreichen, sind
allerdings bisher noch ohne Erfolg geblieben."

Die öffentliche Hand ist gemäß § 4 WRG verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, um eine entsprechende Dotierung des Lanzenkirchner Kanals zu gew
ährleisten.


Dies ist jedoch - trotz jahrelanger Aufforderungen, Besichtigungen und Verhandlungen -
nicht geschehen.

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.              Ist es richtig, dass der Lanzenkirchner Kanal gemäß § 2 Abs.1 lit. a iVm Anhang A
WRG als öffentliches Gewässer und gemäß § 4 WRG als öffentliches Wassergut zu
definieren ist?

2.              Wenn ja, warum wurde dann bisher - trotz unzähliger Hinweise und eindeutiger
Rechtslage nichts unternommen, um die in § 4 WRG definierten Funktionen des
Lanzenkirchner Kanals wiederherzustellen?

3.              Wenn nein, was für ein Gewässer ist der Lanzenkirchner Kanal ansonsten?

Im Jahr 1984 wurde in der Gemeinde Walpersbach eine Regulierung mit Rückhaltebecken
des Leidingbaches und des Klingfurter Baches, die beide in den Lanzenkirchner Kanal
einm
ünden, durchgeführt. Dabei wurde für diese Anlage eine Hochwassermenge von 15
m3/sec errechnet. Ein unterhalb der Einmündung dieser Bäche am Lanzenkirchner Kanal
liegender wasserberechtigter Kraftwerksbesitzer und der Pittener Wasserwerksvereines
teilten der Behörde mit, dass diese Wassermenge für den Lanzenkirchner Kanal zu groß sei,
um sie ggf. einzuleiten, da dieser nur 3 m3/sec fasst. In einem Bescheid (9-W-82121/16) vom
12. 4.1984 wurde die Verpflichtung der f
ür die genannte Anlage zuständigen
Konsenswerberin (Gemeinde Walpersbach) zur kostenpflichtigen Behebung eventuell
auftretender Schäden rechtskräftig festgelegt.

4.              Wie sich aus der obigen Begründung sowie aus mehreren Begutachtungen der
Behörde selbst ergibt, sind diese Schäden zweifellos entstanden, indem das gesamte
Geschiebe des Leidingbaches, des Klingfurter Baches und des Walpersbaches in
den Lanzenkirchner Kanal eingeleitet werden. Dieses Geschiebe hatte sich vor der
Regulierung  an  den  R
ändern  der natürlichen  Bachbette abgelagert,  seit der
Regulierung   wird   es   im   Lanzenkirchner   Kanal   eingelagert.   Warum   ist   die
Konsenswerberin daher ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen und warum hat die
Beh
örde bis heute keine Maßnahmen gesetzt, um dem genannten Bescheid genüge
zu tun?

5.              Warum wurden die in diesem Bescheid genannten Auflagen nicht erfüllt?

6.              Woraus geht die Annahme im Bescheid des NÖ Landeshauptmannes vom 19.7.2000
(ZI WA1-W-20.679/99-00) hervor, dass die im genannten Bescheid vom 12. 4. 1984
erteilten Auflagen (insbesondere die Auflage 5) nur die Betriebsvorschriften w
ährend
der Bauzeit der genannten Anlage betreffen würden, wo doch der Bescheid von
Schäden als Folge von Regulierungsmaßnahmen spricht?

7.              In einem Schreiben vom 22.8.1989 gab die Behörde zu, dass aufgrund der oben
genanten Regulierung Schäden aufgetreten sind und sagte Unterstützung bei deren
Behebung zu. Dies ist aber bis heute nicht geschehen. Warum nicht?

Zum Schutz der unter den genannten Bächen liegenden Gemeinden Lanzenkirchen,
Frohsdorf und Klein-Wolkersdorf vor Hochwässern fungierte die sog. Klingfurther Wehr an


der Einmündung des Klinfurther Baches in den Lanzenkirchner Kanal. Diese Anlage
ermöglichte ein Abfließen von Überwässern aus dem Lanzenkirchner Kanal in die Leitha.
Durch den st
ändigen Geschiebeeintrag wurde diese Wehranlage, die offensichtlich schon
seit dem 19. Jahrhundert besteht, schwer beschädigt und ist funktionsuntüchtig.

8.            Wer ist - nach eingehender Prüfung des Wasserbuches - der Wasserberechtigte der
Klingenfurther Wehr und wie lautet die wasserrechtliche Bewilligung in vollem
Wortlaut?

9.            Aus einem Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer, gestützt auf ein
VwGH-Erkenntnis (2000/07/0222 v. 20.9.2001) geht hervor, dass die Klingfurther
Wehr als wasserrechtlich nicht bewilligt einzustufen ist. In dem genannten Erkenntnis
hat der VwGH klar festgestellt, dass eine wasserrechtliche Erhaltungspflicht des
Kraftwerksbetreibers an der Klingenfurther Wehr nicht besteht. Wie kommen dann
mehrere Bescheide der Beh
örde (NÖ Landeshauptmann, BH Wr. Neustadt dazu, den
genannten     Kraftwerksbetreiber    als    Wasserberechtigten     und     somit    als
Erhaltungspflichtigen der Klingfurther Wehr anzusehen?

10.     Wie erklären Sie sich im Lichte dieser Umstände die Tatsache, dass die Behörde
dem genannten Kraftwerksbetreiber immer wieder die Räumung des Lanzenkirchner
Kanals bescheidmäßig aufgetragen hat und diese Aufträge immer wieder damit
begründete, dieser sei der Wasserberechtigte an der Klingfurther Wehr?

11.     Die Wasserrechtsbehörde 1. Instanz (BH Wr. Neustadt) schrieb im Bescheid vom
21.11.1996 dem Kraftwerksbetreiber unter Strafandrohung vor, die Klingfurter Wehr
neu zu bauen. Der NÖ Landeshauptmann gab der Berufung in 2. Instanz recht, da
aus dem Wasserbuch kein Wasserberechtigter heraus zu lesen sei. Ist es richtig,
dass    die    Wasserrechtsbehörde    1.    Instanz    danach    noch    einmal    dem
Kraftwerksbetreiber  die   Instandsetzung  der  Wehranlage   unter  Strafandrohung
vorschrieb? Warum hat die Behörde nach wie vor nicht von ihrer - wie vom VwGH
festgestellt   -   verfehlten   Rechtsansicht   Abstand   genommen   und   für   eine
entsprechende Erhaltung der Hochwasserentlastungsanlage gesorgt?

12.     Ist es richtig, dass die Behörde am 15.10.1997 von den Kraftwerksbetreibern
verlangte, die Wasserrechte an der Klingfurther Wehr eintragen zu lassen?

13.     Wenn ja, welcher Logik folgte dann die Vorgangsweise der erstinstanzlichen
Behörde, welche Versäumnisse lagen dann bei der Behörde 2. Instanz vor und wie ist
diese Vorgangsweise rechtlich zu beurteilen?

14.     Wer ist Eigentümerin jenes Grundstückes, auf dem die Klingfurther Wehr liegt?

15.     Gibt  es   Unterlagen,   die  nachweisen,  dass  der genannte  Kraftwerksbetreiber
Eigentümer dieses Grundstückes ist, wenn ja, wie lauten diese in vollem Wortlaut?

16.     Der Behörde 1. Instanz wurden bei einer Wasserrechtsverhandlung am 16.10.1995
Pläne des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vorgelegt, aus denen
hervorgeht, dass er nicht Eigentümer jenes Grundstückes, auf dem die Klingfurther
Wehr liegt, ist (vgl. Verhandlungsschrift v. 16.10.1995, ZI. 9-W-82120). Die Behörde
1. Instanz wies am 17.3.2000 per Bescheid einen Antrag auf die in der Begr
ündung
genannten Maßnahmen gemäß § 4 WRG mit der Begründung zurück, dass die
Parzelle der Klingfurther Wehr auf Privatgrund stünden und es sich daher nicht um
öffentliches Wassergut handle. Halten Sie diese Bewertung für inhaltlich richtig,
rechtlich korrekt und m
üsste dann nicht seitens der Behörde Beweise vorgelegt
werden, die diese rechtlich belegen?

17.     Aus   den    Fragen   4   bis    16   lässt   sich   unschwer   erkennen,   dass   die
Wasserrechtsbehörden unter allen Umständen eine Sanierung des Lanzenkirchner
Kanals im Sinne der oben genannten Maßnahmen gemäß § 4 WRG seit Jahren
hinausschiebt. Was ist der Grund für diese jahrelange Verzögerungstaktik, bei der


     offensichtlich   versucht   wird,   die   eigene   Verantwortung   auf   einen   Privaten
    
abzuschieben?

18.       Halten Sie die in der Begründung geschilderte Hochwassergefahr für wesentlich?

19.       Wenn ja, warum ist es dann nicht möglich, diese Situation nach so vielen Jahren zu
bereinigen, bevor AnrainerInnen durch ein Hochwasser zu Schaden kommen?

20.  Sollte durch die geschilderten Missstände tatsächlich massive Schäden durch ein
Hochwasser entstehen, fürchten Sie dann nicht eine Flut von Amtshaftungsklagen,
wenn   -   wie   sich   abzeichnet   -   nachgewiesen   werden   kann,   dass   die
Wasserrechtsbehörde ihre Pflichten vernachlässigt hat? Wer hat den Schadenersatz
bei einer allfällig erfolgreichen Amtshaftungsklage zu tragen? Welche Klagen bzw.
Verfahren sind bereits anhängig?

21.  Bei der Staatsanwaltschaft sind auf Grund von Sachverhaltsdarstellungen bereits
Verfahren    wegen    des    Verdachts    auf    Amtsmissbrauch    anhängig.     Die
Staatsanwaltschaft prüft nun diese Vorgänge auf ihre strafrechtliche Relevanz (und
selbstverst
ändlich gilt die Unschuldsvermutung). Werden auch disziplinarrechtliche
Schritte geprüft?

22.  Was ist von den zuständigen Behörden zu veranlassen, damit die Funktionsfähigkeit
des öffentlichen Wassergutes wiederhergestellt wird?

23.  Was werden Sie veranlassen, damit der in mittelbarer Bundesverwaltung zuständige
N
Ö Landeshauptmann bzw. das Mitglied der NÖ Landesregierung die erforderlichen
Schritte setzt?