2436/J-BR/2006

Eingelangt am 03.08.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Prof. Konecny

und GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend die Entscheidung der Bundesregierung zur Beschaffung der „Eurofighter"

Die vom damaligen Bundesminister für Landesverteidigung, Scheibner, eingesetzte
Beschaffungskommission hatte monatelang die von den Bewerbern eingereichten Unterlagen
geprüft, komplexe Bewertungs-Schemata entworfen, einen der Anbieter wegen Nicht-
Erfüllung von Muss-Kriterien ausgeschieden und eine Kosten-Nutzwert-Analyse erstellt, in
der in drei geprüften Zahlungsvarianten zweimal der schwedische „Gripen" und nur einmal
der „Eurofighter" an erster Stelle lag. Zudem lagen der Kommission Daten über die zu
erwartenden Betriebskosten vor, die für den „Lebenszyklus" des jeweiligen Flugzeuges beim
Eurofighter (71,5 Mio. €) fast doppelt so hoch lagen wie beim Gripen (37,3 Mio. €).

Am 25. Juni 2002 trat die Bewertungskommission zu ihrer abschließenden Sitzung
zusammen. Der nicht stimmberechtigte Vorsitzende der Kommission empfahl den fünf
stimmberechtigten Konimissionsmitgliedern dabei den Gripen, dennoch votierten diese mit
4:1 Stimmen für den Eurofighter.

Nach den von General Corrieri im Landesverteidigungsausschuss gegebenen Informationen
war diese Entscheidung „überraschend" und löste im Verteidigungsministerium Verwirrung
aus. Bundesminister Scheibner bezweifelte, diesen Angaben zufolge, die Durchsetzbarkeit
dieses Vorschlages in der Bundesregierung. Die in einer spontanen Sitzung um ihn
versammelten führenden Militärs sprachen sich unisono für eine ungewöhnliche
Vorgangsweise aus, die dann auch angewendet wurde: Der Bericht der
Bewertungskommission wurde mit einem „Einsichtsvermerk" des damaligen Leiters der
Gruppe Feld- und Luftzeugwesen versehen, dem danach weitere führende Militär beitraten, in
dem wegen „festgestellter annähernder Gleichwertigkeit" empfohlen wurde, „dem Produkt
mit den geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten, also dem Gripen ... den Vorzug
gegeben".

Gestützt auf diesen Einsichtsvermerk, der faktisch die Entscheidung der
Bewertungskommission aufhob, verfasste Bundesminister Scheibner danach einen


Ministerratsvortrag, den er noch am gleichen Tag in der Ministerratsvorbesprechung vorlegte.
Dort wurde er allerdings vor allem vom Bundesminister für Finanzen blockiert, der -
Zeitungsberichten zufolge - damals „zusätzliche Informationen" einforderte.

Während der Ministerratsvortrag vom 25. Juni 2002 so nachhaltig „verschwand", dass nicht
einmal dem Rechnungshof ein Exemplar davon vom Verteidigungsministerium vorgelegt
werden konnte, wurde derselbe Text - lediglich mit einer „unbedeutenden" Korrektur, die
nun den Kauf des Eurofighters vorschlug - am 2. Juni 2002 dem Ministerrat vorgelegt und
laut Protokoll unter Punkt 33 auch beschlossen.

General Corrieri konnte im Landesverteidigungsausschuss des Bundesrates keine Angaben
darüber machen, was zu dem plötzlichen Meinungswandel von Verteidigungsminister
Scheibner geführt haben könnte, verwies jedoch auf „politische Gespräche", die im Verlauf
dieser Woche seines Wissens nach stattgefunden hätten.

Nachdem es ja der Bundesminister für Finanzen war, der den ursprünglichen Vorschlag
blockiert hatte, ist die Annahme, dass diese „politischen Gespräche" von ihm geführt wurden,
nicht abwegig.

Jedenfalls haben diese „politischen Gespräche" aber zu der Entscheidung der
Bundesregierung geführt, das teuerste der angebotenen Flugzeug-Modelle anzukaufen,
geführt. Dies ist umso überraschender, als sich der Bundesminister für Finanzen in den
Monaten davor in zahlreichen öffentlichen Erklärungen als Gegner der Beschaffung jeglicher
Abfangjäger zu profilieren versucht hatte bzw. - nach dem Eingeständnis, dass der
Bundeskanzler und die Parlamentsklubs der beiden Regierungsparteien sich für eine solche
Beschaffung entschieden hätten - zumindest für eine „billige" Lösung eintrat. Auch auf der
Seite des Finanzministers muss es also einen plötzlichen Sinneswandel gegeben haben.

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte richten daher an den Bundesminister für
Finanzen die nachstehenden

Anfragen:

1.      Haben Sie im Zeitraum zwischen 25.6. und 2.7.2002 mit dem Bundesminister für
Landesverteidigung „politische Gespräche" über die Beschaffung von Abfangjägern
geführt?


2.             Wer außer Ihnen und dem Bundesminister für Landesverteidigung hat an diesen
„politischen Gesprächen" weiters teilgenommen?

3.                            Welche Standpunkte haben Sie in diesen „politischen Gesprächen" eingenommen?

4.             Wie ist es Ihnen gelungen, den Bundesminister für Landesverteidigung von seiner
ursprünglichen Empfehlung, den Gripen anzukaufen, abzubringen?

5.                            Da Sie in diesen Gesprächen offenbar für den Ankauf des Eurofighters eingetreten sind:
Aus welchen Gründen und aufgrund welcher Argumente oder Einflussnahmen sind Sie
von Ihrem ursprünglichen Standpunkt, keine oder - wenn schon unvermeidbar -
zumindest die billigsten Abfangjäger zu kaufen, abgegangen?

6.                            Hat bei diesen Gesprächen und der dabei erzielten Einigung die Ankündigung des
Bundeskanzlers, die Abfangjäger würden von einer nebulosen „Wirtschaftsplattform"
bezahlt werden, eine Rolle gespielt?

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte ersuchen um eine rasche Beantwortung
ihrer Anfragen, damit - aus Gründen der Sitzungs-Ökonomie - diese Antworten in der bereits
einberufenen Sitzung des Landesverteidigungs-Ausschusses des Bundesrates am 13.9.2006
zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht werden können. Es wäre wünschenswert, die
Antworten am 1.9.2006 vorliegen zu haben. Die unterzeichneten Bundesrätinnen und
Bundesräte behalten sich vor, diese Anfragen, sollten sie bis zu diesem Zeitpunkt
unbeantwortet bleiben, zum Gegenstand einer Dringlichen Anfrage in einer zu diesem Zweck
einzuberufenden Sitzung des Bundesrates zu machen.