2463/J-BR/2006
Eingelangt am 28.11.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Entsorgungsrichtlinien asbesthältiger Eternitplatten
Die Gesundheitsgefährdung durch Asbest ist bereits seit mehreren Jahrzehnten
bekannt.
Asbest ist gefährlich, da die sehr feinen Fasern mit dem bloßen Auge nicht zu sehen sind.
Das Einatmen dieser Asbestfeinstfasem kann zu einer von drei Erkrankungen führen:
• Asbestose, eine Vernarbung des Lungengewebes
• Lungenkrebs
• Mesotheliom, ein Krebs der Pleura oder des Peritoneum
Asbestose
behindert die Atmung und kann zum Tod beitragen. Lungenkrebs führt in etwa
95% aller Fälle zum Tod. Lungenkrebs kann auch der Asbestose folgen.
Mesotheliom ist
nicht
heilbar und führt gewöhnlich innerhalb von
12 bis 18 Monaten nach der Diagnose zum
Tod.
In Europa gibt es jedes Jahr
Tausende von Todesfällen aufgrund von
asbestbedingten Erkrankungen. Auf einer Konferenz zu Asbest in 2003 (die auf
Anregung des Ausschusses Hoher Arbeitsaufsichtsbeamter (SLIC) der EU
abgehalten wurde), wurde die wahrscheinliche Zahl der Todesfälle pro Jahr in
insgesamt sieben europäischen Ländern (Großbritannien,
Belgien, Deutschland,
Schweiz, Norwegen,
Polen, Estland) auf etwa 15.000 geschätzt
http://www.hvbg.de/e/asbest/konfrep/konfrep/repbeitr/takala_en.pdf.
Sowohl auf
nationaler als auch auf EU-Ebene wurde und wird dieser Gefahr durch
verstärkte gesetzliche Bestimmungen begegnet.
•
So ist das Herstellen, das Inverkehrsetzen und die Verwendung von
Stoffen,
Zubereitungen und
Fertigwaren, denen Asbestfasern absichtlich zugesetzt
werden, verboten (§ 2 der
Chemikalien- Verbotsverordnung 2003, BGBl. Nr.
477/2003).
•
Die nationale Umsetzung der RL 2003/18/EG (Asbestrichtlinie) erfolgte
durch die
Verordnung
des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die
Grenzwerteverordnung
2003 und die Bauarbeiterschutzverordnung geändert
werden (Grenzwerteverordnung 2006 - GKV 2006
- BGBl. II Nr. 242/2006).
•
Ebenfalls verbietet die Asbestrichtlinie alle Tätigkeiten,
bei denen Arbeitnehmer
Asbestfasern
ausgesetzt sind, mit Ausnahme der Behandlung und Entsorgung
von Materialien, die bei Abbruch und Sanierungsarbeiten anfallen.
Die
Entscheidung 2001/537/EG des Rates der Europäischen Union
vom 23.07.2001,
mit
der Asbestzementabfälle mit der Schlüssel-Nr.
31412 sowie Gummi-Asbest als
gefährliche Abfälle eingestuft werden, wurde in Österreich aber noch nicht
umgesetzt. Derzeit gelten nach Anhang 2 der Deponieverordnung
Asbestzementabfälle als Baurestmassen. Die neuen
europäischen abfallrechtlichen
Bestimmungen müssen bis spätestens 01.01.2007 in nationales Recht
umgesetzt
werden.
Die unterschiedliche
Klassifizierung von Asbestzementabfällen
in EU-Staaten
(Baurestmasse bzw. gefährlicher
Abfall) führt zu Preisunterschieden bei der
Entsorgung und damit zu ansteigenden Abfallex- und -importen.
So berichteten etwa
Schweizer Medien im Oktober von massiven Zunahmen von
Asbestzement-Importen aus Italien. Daraufhin
hat das Schweizer Bundesamt für
Umwelt beschlossen,
keine neuen Importgesuche mehr zu genehmigen und die
Problematik zusammen mit den für
die Genehmigung der Ablagerung auf Deponien
zuständigen Kantonen zu überprüfen.
Nun scheint sich das
Problem auf Österreich verlagert zu haben. In einer
Deponie in
Markgrafneusiedl,
Bezirk Gänserndorf, werden asbesthältige 9.000 t Eternitplatten
aus Italien abgelagert. Genehmigt wurde die
Einfuhr dieser Abfälle durch das
Bundesministerium
für Land- und
Forstwirtschaft. Weder Gemeinde noch BH sind, It.
Zeitungsberichten,
von diesem Importvorhaben informiert worden.
Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE:
1.
Wie schätzen Sie die Gefährlichkeit des Transportes und die
Deponierung von
Asbeststäuben für die Gesundheit der mit Transport und
Deponierung
befassten Personen ein?
2.
Welche Untersuchungen sind Ihnen bekannt, die von Bundes- und/oder
Landesstellen
beauftragt wurden und die sich mit der langfristigen Sicherheit
der Lagerung von
asbesthaltigen Abfällen, insbesondere mit den
Ausbreitungspfaden und deren Risikobewertung beschäftigt haben?
3.
Wird die
Entscheidung 2001/537/EG des Rates der Europäischen Union vom
23.07.2001, mit der Asbestzementabfälle
mit der Schlüssel-Nr. 31412 sowie
Gummi-Asbest als gefährliche Abfälle eingestuft werden, fristgerecht in
Österreich umgesetzt werden können?
4.
Wie oft
wurde das Abfallwirtschaftsgesetz / die Deponieverordnung, in dem
diese Änderung der
Klassifizierung von Asbestzement umzusetzen wäre, seit
23. 7. 2001 geändert?
5.
Schon bei
der Novelle AWG 2002 wurde im Bericht des Umweltausschusses
festgehalten: „Im Bereich
der gefährlichen Abfälle hat Österreich mit
der
bestehenden
Festsetzungsverordnung das Verzeichnis gefährlicher Abfälle
weitgehend umgesetzt. Inhaltlich ergibt sich gegenüber der derzeitigen
Rechtslage ein Anpassungsbedarf, weil in der EU einzelne zusätzliche
Abfallarten, zB Asbestzement, als gefährlich
eingestuft wurden." Warum wurde
die Ratsentscheidung
bei den seither erfolgten Novellen des
Abfallwirtschaftsgesetzes/Deponieverordnungen nicht berücksichtigt?
6.
Welchen
Umstand ist es zuzuschreiben, dass eine Entscheidung des Rates der
Europäischen Union
aus dem Jahre 2001 bis Ende 2006 noch immer nicht in
Österreich umgesetzt worden ist?
7.
Auf der Homepage des Umweltministeriums findet sich in der
„Zuordnungstabelle
gemäß § 5 Abs. 2 Abfallverzeichnisverordnung
GTIN - Anlage 5
Abfallverzeichnisverordnung" bei Asbestzementprodukten die
Erläuterung: „mit
In-Kraft-Treten der Neufassung der Deponieverordnung
gefährlich, spätestens mit 1. Jänner 2007".
a. Wie ist dieser Zusatz auszulegen?
b. Wie
müssen Asbestzementprodukte ab 1. Jänner 2007 entsorgt werden, wenn
die Deponieverordnung bis dahin noch nicht in Kraft getreten ist?
c. Wie weit wurden Länder,
Bezirksbehörden und Abfallwirtschaftsverbände
darüber
informiert?
8.
Welche
Mengen an Asbestzementabfällen
wurden in den letzten 5 Jahren mit
Genehmigung des BMLFUW importiert?
9.
Besteht die Möglichkeit, in Österreich,
nach dem Vorbild der Schweiz, die
Importgenehmigungen für Asbestzementplatten zumindest so lange
einzustellen, bis der EU-Entscheid auch in Österreich umgesetzt ist?
10.
Werden Sie
die Notbremse ziehen und die Ausstellung von
Importgenehmigungen für
Asbestzementplatten bis zur Umsetzung des EU-
Entscheides aus 2001
einstellen?
11.
Das Magistrat der Stadt Wien (MA22) hat einen Leitfaden zur
ordnungsgemäßen Sanierung,
Behandlung und Entsorgung von
Asbestzementprodukten
erstellt
(http://www.wien.gv.at/umweltschutz/abfall/pdf/a-zement.pdf) Darin ist
festgehalten, dass beim Transport von Asbestzementprodukten insbesondere
eine Freisetzung von Asbestzementstaub zu vermeiden ist und diese, sofern
das Material nicht mit staubbindendem
Mittel (Verfestiger) behandelt wurde, in
den Behältern feucht zu halten ist. Auch
bei der Deponierung ist vor allem auf
die Unterbindung der Staubentwicklung zu achten. Im Hinblick auf spätere
mögliche
Deponiearbeiten sind Asbestzementabfälle in einem eigens dafür
vorgesehenen Sektor
abzuladen und zu überdecken.
12.
Sind diese Regelungen für Transport und Deponierung von
Asbestzementabfällen bundesweit gültig?
13.
Warum gibt
es keinen bundesweit gültigen Leitfaden für die ordnungsgemäße
Sanierung, Behandlung und Entsorgung von Asbestzementprodukten?
14.
Wurden die o.a. Auflagen bei Transport und Deponierung der
Asbestzementplatten
in Markgrafneusiedl eingehalten? Welche Behörde hat
dies kontrolliert und gibt es hierfür Unterlagen,
die dem BMLFUW bekannt
sind? Welcher Bundes- und Landesbehörde sind diese Unterlagen, so
vorhanden, wann
zugestellt worden?
15.
Wurde die
Einhaltung dieser Auflagen beim Import der Asbestzementplatten in
Markgrafneusiedl überprüft? Wurde die
zuständige Bezirkshauptmannschaft
von den
bevorstehenden Importen informiert und wenn nicht warum?
16.
Wer ist für die Überprüfung der Einhaltung solcher Auflagen zuständig?
Werden Sachverständige beigezogen und wenn ja
welche?
17.
Erachten Sie die derzeitige Vollzugspraxis des AWG (keine Mitteilung an
die
BH und keine
Einbindung der Gemeinden) als effizient und bürgernah?
18.
Wurde bei
der Genehmigung der Deponie in Markgrafneusiedel überprüft, ob
die Deponie für die Lagerung von Asbestzementprodukten
geeignet ist und ob
die erforderlichen Maßnahmen zur
Vermeidung von Staubemissionen dort
umsetzbar sind?
19.
Wann fand
die letztmalige Überprüfung der Deponie in Markgraftneusiedl
statt
und mit welchem Befund?
20.
Entspricht die Deponie bezüglich der Deponierung von
asbesthaltigen Abfällen
dem aktuellen Stand
der Technik?
21.
Wurde im
Vorfeld der im Jahre 1994 erteilten Genehmigung der Deponie in
Markgrafneusiedl auch Risikoabschätzungen
für alle gemäß dem heutigen
Stand des Wissens nach gefährlichen
Abfallstoffe durchgeführt, bzw. in der
Zwischenzeit
durchgeführt. Wenn ja, welche und mit welchem Ergebnis und
wenn nicht, warum?