2488/J-BR/2007
Eingelangt am 16.02.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs. 3 GO-BR
der BundesrätInnen Franz Breiner, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend das multiple Versagen der Behörden im Fall der Verwahrlosung dreier Kinder in Gramastetten (Bezirk Urfahr Umgebung) und das mögliche Versagen der befassten Gerichte.
Der im Rahmen des Gerichtsverfahrens in die Medien gelangte Fall der Verwahrlosung und Misshandlung dreier Kinder zeigt ein gravierendes Versagen aller damit befassten Behörden einschließlich der Justiz. Nicht nur, dass es der Jugendwohlfahrt an der nötigen Umsicht mangelte und das Obsorgeverfahren verschleppt wurde, ist auch die Schulbehörde offensichtlich mit dem Fall überfordert gewesen. Wenn Mitteilungen der Schule, wie aus den Medien zu entnehmen war, erst so spät zu Konsequenzen der Jugendwohlfahrt Anlass geben, zeigt dies ein nicht gerade vertrauenserweckendes Bild der Kommunikation und Kooperation auf.
Viele Hinweise der Nachbarn, die auf die Gefährdung der Kinder hinwiesen, wurden fehlinterpretiert oder gleich in den Wind geschlagen. Der Weg des geringsten Widerstandes war die gewählte Methode. Primäres Ziel war es offenbar, den äußeren Schein zu wahren. Dafür sorgte schon der Bürgermeister. Dass er die Kinder nicht zu Gesicht bekam und die Fenster ständig verhängt waren, ließ keine Alarmglocken schrillen. Lediglich die Betreuung der Tiere funktionierte, da die Tierschützer offensichtlich konsequenter agierten als Gericht und Jugendschutz.
Ebenso unklar ist, warum trotz eines Gutachtens des gerichtlich bestellten Gutachters Dr. Gerstl weder das Pflegschaftsgericht noch die Jugendwohlfahrt tätig wurden.
Nun liegt der Fall schon eineinhalb Jahre zurück und die Verhandlung gegen die Kindesmutter steht bevor.. Von einer Reflektion durch die Jugendwohlfahrt oder von Maßnahmen der Behörde wider diese zögerliche Vorgangsweise war bisher nichts zu hören. Ebenso langatmig und schleppend agierte auch die Justiz. Innerhalb von „nur“ eineinhalb Jahren gelang es, eine Besuchsregelung zu installieren. Durchgesetzt konnte sie, wie die Medien berichten, nicht werden. Justizministerin Berger ihrerseits erklärte beim Runden Tisch im ORF, dass ein Versagen aller Behörden vorläge, auch wenn diese nun seit Tagen versuchen, sich ihrer Verantwortung zu entledigen.
Der Schaden für die inzwischen Jugendlichen und das Leid dieser jungen Menschen ist nicht mehr rückgängig zu machen. Die zögerliche Auslegung der Gesetze, die Personalknappheit und mangelnde Kooperation der Behörden haben dies verursacht.
§2 des Jugendwohlfahrtsgesetzes gibt in Fällen, bei denen ein Schaden für die Kinder zu befürchten ist, vor, dass die Jugendwohlfahrt einzuschreiten hat:
§2 Jugendwohlfahrtsgesetz:
(1) Der öffentlichen Jugendwohlfahrt kommt die allgemeine Aufgabe zu, die Familie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Pflege und Erziehung Minderjähriger zu beraten und zu unterstützen.
(2) Öffentliche Jugendwohlfahrt ist zu gewähren, wenn und insoweit die Erziehungsberechtigten das Wohl des Minderjährigen nicht gewährleisten.
(3) Die öffentliche Jugendwohlfahrt darf in familiäre Bereiche und Beziehungen nur insoweit eingreifen, als dies zum Wohl des Minderjährigen notwendig ist. Dies ist besonders auch dann der Fall, wenn zur Durchsetzung von Erziehungszielen Gewalt angewendet oder körperliches oder seelisches Leid zugefügt wird.
Auch in weiterer Folge schreibt dieses Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen Eingriffsrechte fest. Dennoch hat in diesem Fall das System zum Schutz der Kinder vollkommen versagt.
Trotz der Tragik dieses Ereignisses sollten Konsequenzen nicht nur in strafrechtlicher Sicht erwogen werden, sondern auch für die Verhinderung zukünftiger Fälle Vorsorge getroffen werden. Die Koordination und das Zusammenspiel der zuständigen Ministerien für Justiz, Familienangelegenheiten und Unterricht ist gefragt.
Dabei sollten folgende Überlegungen eine Rolle spielen:
1. Koordinierungsstelle mit Kompetenzen statt geteilter Verantwortung
2. Installierung von Sozialarbeit in der Schule nach finnischem Vorbild
3. Qualitätssicherung für MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt in Bezirkshauptmannschaften
4. Personalaufstockung bei der Jugendwohlfahrt
5. Fachliche Verbesserung bei den Pflegschaftsgerichten
6. Hilfe nach Scheidungen durch die Pflegschaftsgerichte
Auch die Vermittlung eines modernen Bildes der Jugendwohlfahrt mit ihren Möglichkeiten muss ebenso ins Auge gefasst werden wie die Befähigung der Pflegschaftsgerichte betreffend der Einschätzung der „psychosozialen Dimension“.
Das Netz, welches zum Schutz von Kindern und Eltern geknüpft ist, muss dichter werden.
Daher richten die unterzeichneten BundesrätInnen an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage:
In formeller Hinsicht wird gemäß §61 Abs. 3 GO-BR die dringliche Behandlung dieser Anfrage verlangt.