2503/J-BR/2007
Eingelangt am 11.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Anti-Atom-Politik der österr. Bundesregierung
Seit
geraumer Zeit mehren sich Pressemeldungen über geplante
Atomreaktoren und
Endlagerstandorte in
näherer und weiterer Umgebung Österreichs. Die
Beunruhigung der österreichischen Bevölkerung wird durch diverse Ereignisse
(„Zwischenfälle") in grenznahen Atomkraftwerken
gesteigert.
Zu den nachfolgend angeführten Medienberichten sind keine näheren Aktivitäten
bzw. Reaktionen der österr. Bundesregierung bekannt,
die das, im
Regierungsübereinkommen
bekräftigte, Bekenntnis zu einer Anti-Atompolitik belegen
könnten. Auch von diversen Staatsbesuchen,
Treffen, etc. auf bilateraler, EU- bzw.
internationaler Ebene, denen Mitglieder der österreichischen
Bundesregierung
beigewohnt haben,
sind keine besonders erwähnenswerten
Aktivitäten im Anti-
Atombereich bekannt geworden.
Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Die Republik Österreich hat mit einer Reihe von Nachbarstaaten
Informationsabkommen betreffend nukleartechnische Anlagen.
Gemäß diesen
entsprechenden Abkommen sind zum Teil sehr
unterschiedliche Bestimmungen
festgelegt.
a. Französische kerntechnische Anlagen (z.B.
das KKW Fessenheim)
liegen näher zur Staatsgrenze Österreichs als das ungarische KKW
Paks. Rumänien und Bulgarien betreiben seit
Jahren kerntechnische
Anlagen, zu welchen Pressemeldungen bekannt sind, die einen hohen
Stand an nukleartechnischer
Sicherheitskultur in Zweifel ziehen lassen.
In Italien befinden sich zwar keine Kernkraftwerke in Betrieben dennoch
verfügt Italien über große Mengen radioaktiver
entsorgungspflichtiger
Abfälle. Zudem sind in Norditalien
Atomwaffen gelagert, aus deren
Handhabung radiologische Gefahren für Österreich durchaus ableitbar
sind. Eine Vernetzung des österreichischen
mit dem italienischen
Strahlenfrühwarnsystems, insbesondere aus dem
norditalienischen
Raumes ist zumindest nicht bekannt.
Erachten Sie es für angebracht auch mit Bulgarien, Rumänien, Italien
und Frankreich einschlägige
Informationsabkommen zum Abschluss zu
bringen?
b. In welchen thematischen Bereichen ergeben sich
Adaptierungsnotwendigkeiten, bzw.
Adaptierungsabsichten? Wann
wurden jeweils länderspezifisch Adaptierungsvorschläge dem
entsprechenden Vertragspartner übermittelt
und wie ist der Stand
anfälliger
Verhandlungen?
c. Inwieweit ergeben sich auf Basis der langjährigen bilateralen
Kontaktnahme mit Tschechien, insbesondere in Zusammenhang mit
der Problematik des KKW Temelin, Anregungen
zur Weiterentwicklung
des einschlägigen bilateralen Vertragswerkes,
welche in Bezug auf
Tschechien, wie auch für Abkommen mit anderen gegenständlichen
Vertragspartnern von Relevanz sind? Welche spezifischen Anliegen
werden seitens ihres Ressort hierzu verfolgt, mit welchen
Bundesministerien akkordiert bzw. befinden sich bereits mit welchen
Staaten in Verhandlung?
d. Mit welchen Vertragsstaaten zu Abkommen betreffend
nukleartechnische Anlagen wurde gemäß den Bestimmungen des
österr.
Strahlenschutzgesetzes (§ 36) die Frage des „Risikoausgleichs"
thematisiert. In
welcher Form wurde wann die Lagerung
österreichischer radioaktiver Abfälle gegenüber welchem Land zur
Sprache gebracht. Von welchem
Vertragspartnerstaat liegen schriftliche
Willensbekundungen vor, eine Lagerung österr. radioaktiver Abfälle im
Sinne des Risikoausgleichs entgegen zu nehmen? So keine
entsprechenden Absichtsbekundungen vorliegen, welchen Stellenwert
messen Sie den entsprechenden Gesetzesbestimmungen im
Strahlenschutzgesetz zu?
2. Welche weiteren Schritte beabsichtigen Sie bezüglich der gemäß
Pressemeldungen
bereits für Ende 2007 vorgesehenen Fortsetzung der
Bautätigkeiten betreffend die Blöcke 3&4 des KKW Mochovce?
a. Befürworten Sie
die rasche Einberufung von bilateralen
Konsultationstreffen bezüglich die Fertigstellung der Blöcke 3&4
des
KKW Mochovce?
b. In
welcher Form werden Sie sicherzustellen trachten, dass eine
weitestgehende Mitbeteiligung der österr.
Bevölkerung an den
Genehmigungsverfahren zur Fertigstellung des
in den frühen 80-er
Jahren begonnenen
Baus der Blöcke 3&4 des KKW Mochovce
sichergestellt werden kann?
c. Wie beurteilen Sie den Sicherheitsstandard des
in den 80-er Jahren
genehmigten Kernkraftwerksprojektes
insbesondere im Vergleich zum
Stand der internationalen Kerntechnik, in Vergleich zu den
Sicherheitsbestimmungen für neue
Kernkraftwerksanlagen in den USA
und
Finnland.
d. Welche Position wird Ihrer Information nach seitens
der
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
zu den
sicherheitstechnischen
Anforderungen für Neuanlagen im Vergleich
zum genehmigten Fertigstellungsprojekt für die Blöcke 3&4
des KKw
Mochovce
eingenommen.
e. Mit welchen Staaten fand bislang hierzu ein
Meinungsaustausch auf
EU-Ebene statt? Wann hat dieser allfällig im
Jahre 2007 stattgefunden?
f. In
welcher Form haben Sie die Europ. Kommission auf die
Fertigstellung von Block 3&4 des
KKW Mochovce aufmerksam
gemacht,
Informationen zum Fertigstellungprojekt angefragt und allfällig
bereits
erhalten?
g. Die
Slowakische Republik beabsichtigt, zwei Reaktoren nun fertig zu
stellen, deren Baubeginn in die frühen
80er datiert, für deren
Baubewilligung keine Bürgerbeteiligung
in der Slowakei, wie auch nicht
grenzüberschreitend durchgeführt worden ist. Wie beurteilen Ihrem
Wissensstand nach die Europ. Komission und
andere Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union diese Tatsache?
h. Wie beurteilten Ihrem Wissensstand
nach die Europ. Komission, wie
auch andere
Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union die Tatsache,
dass die Slowakische Republik beabsichtigt,
zwei Reaktoren nun fertig
zu stellen, deren Baubeginn in die frühen 80-er
datiert, die jedoch über
kein
Volldruckcontainment verfügen?
i. Welche
Berichte zum Stand der Konservierung der Baustellen für die
Blöcke 3&4 des KKW Mochovce sind
ihnen in Kopie bzw. Original
bekannt, die Aufschluss über die
Qualität der zum Einbau bestimmten
Komponenten
bieten können?
j. Sind Ihnen Berichte
internationaler Organisationen (WANO, WENRA,
WPNS, IAEA, NEA,
etc.), bekannt, die sich mit der Fertigstellung der
Blöcke 3&4
des KKW Mochovce in den letzten zwei Jahren beschäftigt
haben?
3. Welche Informationen liegen Ihnen bezüglich der durch Presseberichte
belegten Absicht der slowakischen Regierung vor, wonach am Standort
Jaslovske Bohunice ein bzw. mehrere
Kernkraftwerke errichtet werden sollen?
a. Haben Sie die Frage der Errichtung neuer
Kernkraftwerke am Standort
Jaslovske Bohunice im Laufe des Jahres 2007 im bilateralen bzw. auf
EU-Ebene thematisiert? Wenn ja, in welcher Form und mit welchem
Ergebnis und wenn nicht, warum?
b. Erachten Sie es für angebracht, betreffend die Absicht der
slowakischen Regierung am Standort Jaslovske
Bohunice eines oder
mehrere neue Kernkraftwerke errichten zu wollen, bilaterale
Konsultationen zu verlangen?
4. Haben Sie im
Rahmen Ihrer 2007 stattgefundenen bilateralen Gesprächen
bzw. auf EU-Ebene den
Bau von neuen Stromleitungsverbindungen nach
Tschechien bzw. in die slowakische Republik
thematisiert und wenn ja, mit
welchem Ergebnis?
a. Wie
beurteilen Sie die Sinnhaftigkeit neuer Stromleitungsverbindungen
nach Tschechien, Slowakei und Italien in Verbindung mit der Absicht
der Errichtung neuer Kernkraftwerke, der Absicht zum Export von
Atomstrom nach und via Österreich wie?
5. Aufgrund des langjährigen Betriebs nukleartechnischer Anliegen treten
vielfach Ermüdungsprozesse
an wichtigen Komponenten von Kernanlagen
auf. Zudem sind
Berichte bekannt, dass in bestimmten Staaten ein hoher
Stand an Sicherheitskultur nicht mehr gewährleistet erscheint. Das
französische KKW Fessenheim ist weit näher zu Bregenz gelegen, als
vergleichsweise das ungarische KKW Paks zu
Wien. Welche Informationen
sind Ihnen zum Stand der nuklearen Sicherheit betreffend das KKW
Fessenheim bekannt?
a. Wie beurteilen Sie die
radiologischen Gefahren infolge eines schweren
Unfalles im KKW Fessenheim im Vergleich zu jeweils anderen
grenznah zu Österreich in Betreib befindlichen
Kernanlagen?
b. Wann haben Sie
betreffend das KKW Fessenheim mit zuständigen
französischen Stellen Kontakt aufgenommen und
sich zum
Sicherheitsstand dieser Kernanlage erkundigt?
6. Für das KKW Mühleberg liegt bei den Schweizer Behörden ein Antrag auf
unbefristete Betriebsbewilligung vor. Was
ist Ihrem Wissensstand nach der
aktuelle Stand des einschlägigen
Genehmigungsverfahrens?
a. Wie beurteilen Sie die
kürzlich erfolgte Entscheidung Schweizer
Gerichte zum
Genehmigungsantrag auf unbeschränkte
Betriebsbewilligung des KKW Mühleberg?
b. Welche Schritte haben Sie nachfolgend der Veröffentlichung des
zitierten Schweizer Gerichtsentscheides
gegenüber Schweizer Stellen
gesetzt um eine
weitestgehende Mitsprache Österreichs
an den
weiteren Genehmigungsschritten abzusichern?
7. In Deutschland sind in den letzten Jahren Ereignisse in
kerntechnischen
Anlagen aufgetreten, die selbst seitens des
dt. Bundesministeriums für
Umwelt
und Reaktorsicherheit das bestehende Niveau an Sicherheitskultur in
Zweifel
ziehen ließen
a. Wie beurteilen Sie den Stand der Sicherheitskultur in
deutschen
kerntechnischen Anlagen, insbesondere
aufgrund der Berichte zu
Ereignissen in Brunsbüttel,
Philippsburg und Biblis?
b. Inwieweit hat sich die Gefährdung Österreichs
durch mögliche schwere
Unfälle in dt. kerntechnischen in den letzten
Jahren erhöht, zumal die
Vorkommnisse in Brunsbüttel,
Philippsburg und Biblis eine inakzeptable
Verschlechterung
der Sicherheitskultur nahe legen?
c. In welcher Form haben Sie auf die Vorkommnisse in
Brunsbüttel,
Philippsburg und Biblis reagiert? War ihre spezifische Reaktion
vergleichbar zu den Aktivitäten, die
nachfolgend von Pressemeldungen
bzw. bilateralen
Kontaktnahmen zu Ereignissen/Störfällen im KKW
Temelin Platz gegriffen haben?