2504/J-BR/2007
Eingelangt am 11.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde
an Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Anti-Atom-Politik der österreichischen Bundesregierung
Seit
geraumer Zeit mehren sich Pressemeldungen über geplante
Atomreaktoren und
Endlagerstandorte in
näherer und weiterer Umgebung Österreichs. Die
Beunruhigung der österreichischen Bevölkerung wird durch diverse Ereignisse
(„Zwischenfälle") in grenznahen Atomkraftwerken
gesteigert.
Zu den nachfolgend
angeführten Medienberichten sind keine näheren Aktivitäten
bzw. Reaktionen der österr. Bundesregierung bekannt,
die das, im
Regierungsübereinkommen
bekräftigte, Bekenntnis zu einer Anti-Atompolitik belegen
könnten. Auch von diversen Staatsbesuchen,
Treffen, etc. auf bilateraler, EU- bzw.
internationaler Ebene, denen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung
beigewohnt haben, sind keine besonders erwähnenswerten Aktivitäten im Anti-
Atombereich bekannt geworden.
Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE:
1.
Die Republik Österreich hat mit einer Reihe von
Nachbarstaaten
Informationsabkommen
betreffend nukleartechnische Anlagen. Gemäß diesen
entsprechenden Abkommen sind zum Teil sehr
unterschiedliche Bestimmungen
festgelegt.
a. Mit
welchen Staaten hat die Republik Österreich Informationsabkommen
bezüglich nukleartechnische Anlagen
und wann wären lt. diesen Abkommen
Treffen, Konsultationen bzw. Dokumentenaustausche vereinbart?
b. Wann haben seit
Inkrafttreten der jeweiligen Abkommen Treffen,
Konsultationen, bzw. Dokumentenaustausche stattgefunden?
c. Zu welchen spezifischen Anliegen Österreichs respektive einem
allfälligen
Verfahren haben Konsultationstreffen stattgefunden. Wer hat
namens
welcher Bundesministerien und welcher Bundesländer an den
jeweiligen Zusammenkünften seit Inkrafttreten der Abkommen
teilgenommen?
d. Sind Sie bereit
die Sitzungsprotokolle der entsprechenden Treffen und
allfälliger Konsultationen der Öffentlichkeit,
möglichst in
elektronischer
Form
zugänglich zu machen. Wenn ja, bis wann und auf welcher
Homepage
bzw. wenn nicht, warum?
e. Wie beurteilen Sie
die geltenden Abkommen in einer vergleichenden
Form
bzgl. Inhalt, Effizienz?
f. Mit welchen Vertragspartnerstaaten haben
entgegen den geltenden
bilateralen Vertragsbestimmungen keine bilateralen Treffen,
Dokumentenaustausch etc. seit Inkraftsetzung der Verträge
stattgefunden und wenn ja, warum?
g. Französische
kerntechnische Anlagen (z.B. das KKW Fessenheim)
liegen näher zur Staatsgrenze Österreichs als das ungarische KKW
Paks. Rumänien und Bulgarien betreiben seit Jahren kerntechnische
Anlagen, zu welchen Pressemeldungen bekannt sind, die einen hohen
Stand an nukleartechnischer Sicherheitskultur in Zweifel ziehen lassen.
In Italien befinden sich zwar keine Kernkraftwerke in Betrieben dennoch
verfügt Italien über große Mengen radioaktiver
entsorgungspflichtiger
Abfälle. Zudem sind in Norditalien Atomwaffen gelagert, aus deren
Handhabung radiologische Gefahren für Österreich durchaus ableitbar
sind. Eine Vernetzung des österreichischen mit dem italienischen
Strahlenfrühwarnsystems, insbesondere aus dem norditalienischen
Raumes ist zumindest nicht bekannt.
Erachten Sie es für angebracht auch mit Bulgarien, Rumänien, Italien
und Frankreich einschlägige Informationsabkommen zum Abschluss zu
bringen?
h. In
welchen thematischen Bereichen ergeben sich
Adaptierungsnotwendigkeiten, bzw. Adaptierungsabsichten? Wann
wurden jeweils länderspezifisch Adaptierungsvorschläge dem
entsprechenden Vertragspartner übermittelt und wie ist der Stand
allfälliger Verhandlungen?
i. Inwieweit
ergeben sich auf Basis der langjährigen bilateralen
Kontaktnahme mit Tschechien, insbesondere in Zusammenhang mit
der Problematik des KKW Temelin, Anregungen zur Weiterentwicklung
des einschlägigen bilateralen Vertragswerkes, welche in Bezug auf
Tschechien, wie auch für Abkommen mit anderen gegenständlichen
Vertragspartnern von Relevanz sind? Welche spezifischen Anliegen
werden seitens ihres Ressort hierzu verfolgt, mit welchen
Bundesministerien akkordiert bzw. befinden sich bereits mit welchen
Staaten in Verhandlung?
j. Mit
welchen Vertragsstaaten zu Abkommen betreffend
nukleartechnische Anlagen wurde gemäß den Bestimmungen des
österr. Strahlenschutzgesetzes (§ 36) die Frage des „Risikoausgleichs"
thematisiert. In welcher Form wurde wann die Lagerung
österreichischer radioaktiver Abfälle gegenüber welchem Land zur
Sprache gebracht. Von welchem Vertragspartnerstaat liegen schriftliche
Willensbekundungen vor, eine Lagerung österr. radioaktiver Abfälle im
Sinne des Risikoausgleichs entgegen zu nehmen? So keine
entsprechenden Absichtsbekundungen vorliegen, welchen Stellenwert
messen Sie den entsprechenden Gesetzesbestimmungen im
Strahlenschutzgesetz zu?
2. Der
Bundeskanzler hat seit Beginn des Jahres 2007 Staatsbesuche u.a. in der
Slowakei und Tschechien durchgeführt.
a. Wurde im Rahmen
des Staatsbesuches in der Slowakei die Frage der
Fertigstellung der Blöcke
3&4 des KKW Mochovce zur Sprache
gebracht?
b. Wenn ja, in welcher Form und wenn nicht warum?.
c. In welcher Form wurden die mit
Anti-Atom-Agenden befassten
Ministerien der Bundesregierung von den einschlägigen
Verhandlungsgegenständen und
spezifisch bzgl. KKW Mochovce
informiert?
3. Welche weiteren Schritte beabsichtigen Sie bezüglich der gemäß
Pressemeldungen
bereits für Ende 2007 vorgesehenen Fortsetzung der
Bautätigkeiten betreffend die Blöcke 3&4 des KKW Mochovce?
a. Befürworten
Sie die rasche Einberufung von bilateralen
Konsultationstreffen bezüglich die
Fertigstellung der Blöcke 3&4 des
KKW Mochovce?
b. In welcher Form werden Sie sicherzustellen trachten,
dass eine
weitestgehende Mitbeteiligung der österr.
Bevölkerung an den
Genehmigungsverfahren zur Fertigstellung des
in den frühen 80-er
Jahren begonnenen
Baus der Blöcke 3&4 des KKW Mochovce
sichergestellt werden kann?
c. Wie beurteilen Sie den Sicherheitsstandard des
in den 80-er Jahren
genehmigten Kernkraftwerksprojektes
insbesondere im Vergleich zum
Stand der internationalen Kerntechnik, in Vergleich zu den
Sicherheitsbestimmungen für neue
Kernkraftwerksanlagen in den USA
und Finnland.
d. Welche
Position wird Ihrer Information nach seitens der
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
zu den
sicherheitstechnischen
Anforderungen für Neuanlagen im Vergleich
zum genehmigten Fertigstellungsprojekt für die Blöcke 3&4
des KKw
Mochovce
eingenommen.
e. Mit welchen Staaten fand bislang hierzu ein
Meinungsaustausch auf
EU-Ebene statt? Wann hat dieser allfällig im
Jahre 2007 stattgefunden?
f. In welcher Form haben Sie die Europ.
Kommission auf die
Fertigstellung von Block 3&4 des KKW Mochovce aufmerksam
gemacht, Informationen zum
Fertigstellungprojekt angefragt und allfällig
bereits erhalten?
g. Die Slowakische Republik beabsichtigt, zwei Reaktoren
nun fertig zu
stellen, deren Baubeginn in die frühen
80er datiert, für deren
Baubewilligung keine Bürgerbeteiligung
in der Slowakei, wie auch nicht
grenzüberschreitend durchgeführt worden ist. Wie beurteilen Ihrem
Wissensstand nach die Europ. Komission und
andere Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union diese Tatsache?
h. Wie beurteilten Ihrem Wissensstand nach die
Europ. Komission, wie
auch andere
Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union die Tatsache,
dass die Slowakische Republik beabsichtigt,
zwei Reaktoren nun fertig
zu stellen, deren Baubeginn in die frühen 80-er
datiert, die jedoch über
kein
Volldruckcontainment verfügen?
i. Welche Berichte zum Stand der
Konservierung der Baustellen für die
Blöcke 3&4 des KKW Mochovce sind ihnen in
Kopie bzw. Original
bekannt, die Aufschluss über die
Qualität der zum Einbau bestimmten
Komponenten
bieten können?
j. Sind Ihnen Berichte internationaler
Organisationen (WANO, WENRA,
WPNS, IAEA, NEA, etc.), bekannt, die sich mit der Fertigstellung der
Blöcke 3&4
des KKW Mochovce in den letzten zwei Jahren beschäftigt
haben?
4. Welche
Informationen liegen Ihnen bezüglich der durch Presseberichte
belegten Absicht der slowakischen Regierung vor, wonach am Standort
Jaslovske Bohunice ein bzw. mehrere Kernkraftwerke errichtet werden sollen?
a. Haben Sie die Frage der Errichtung neuer
Kernkraftwerke am Standort
Jaslovske Bohunice im Laufe des Jahres 2007 im bilateralen bzw. auf
EU-Ebene thematisiert? Wenn ja, in welcher Form und mit welchem
Ergebnis und wenn nicht, warum?
b. Erachten Sie es für angebracht,
betreffend die Absicht der
slowakischen Regierung am Standort Jaslovske Bohunice eines oder
mehrere neue Kernkraftwerke errichten zu wollen, bilaterale
Konsultationen zu verlangen?
5. Haben
Sie im Rahmen Ihrer 2007 stattgefundenen bilateralen Gesprächen
bzw. auf EU-Ebene den Bau von neuen Stromleitungsverbindungen nach
Tschechien bzw. in die slowakische Republik thematisiert und wenn ja, mit
welchem Ergebnis?
a. Wie beurteilen Sie die Sinnhaftigkeit neuer
Stromleitungsverbindungen
nach Tschechien, Slowakei und Italien in Verbindung mit der Absicht
der Errichtung neuer Kernkraftwerke, der Absicht zum Export von
Atomstrom nach und via Österreich wie?
6. Aufgrund
des langjährigen Betriebs nukleartechnischer Anliegen treten
vielfach Ermüdungsprozesse an wichtigen Komponenten von Kernanlagen
auf. Zudem sind Berichte bekannt, dass in bestimmten Staaten ein hoher
Stand an Sicherheitskultur nicht mehr gewährleistet erscheint. Das
französische KKW Fessenheim ist weit näher zu Bregenz gelegen, als
vergleichsweise das ungarische KKW Paks zu Wien. Welche Informationen
sind Ihnen zum Stand der nuklearen Sicherheit betreffend das KKW
Fessenheim bekannt?
a. Wie beurteilen Sie die radiologischen
Gefahren infolge eines schweren
Unfalles im KKW Fessenheim im Vergleich zu jeweils anderen
grenznah zu Österreich in Betreib befindlichen Kernanlagen?
b. Wann haben Sie betreffend das KKW
Fessenheim mit zuständigen
französischen Stellen Kontakt aufgenommen und sich zum
Sicherheitsstand dieser Kernanlage erkundigt?
7. Für
das KKW Mühleberg liegt bei den Schweizer Behörden ein Antrag auf
unbefristete Betriebsbewilligung vor. Was ist Ihrem Wissensstand nach der
aktuelle Stand des einschlägigen Genehmigungsverfahrens?
a. Wie beurteilen Sie die kürzlich
erfolgte Entscheidung Schweizer
Gerichte zum Genehmigungsantrag auf unbeschränkte
Betriebsbewilligung des KKW Mühleberg?
b. Welche Schritte haben Sie nachfolgend der
Veröffentlichung des
zitierten Schweizer Gerichtsentscheides gegenüber Schweizer Stellen
gesetzt um eine weitestgehende Mitsprache Österreichs an den
weiteren Genehmigungsschritten abzusichern?
8.
In Deutschland sind in den letzten Jahren Ereignisse in kerntechnischen
Anlagen aufgetreten, die selbst seitens des dt. Bundesministeriums für
Umwelt und Reaktorsicherheit das bestehende Niveau an Sicherheitskultur in
Zweifel ziehen ließen
a. Wie beurteilen Sie den Stand der
Sicherheitskultur in deutschen
kerntechnischen Anlagen, insbesondere aufgrund der Berichte zu
Ereignissen in Brunsbüttel, Philippsburg und Biblis?
b. Inwieweit hat sich die Gefährdung
Österreichs durch mögliche schwere
Unfälle in dt. kerntechnischen in den letzten Jahren erhöht, zumal
die
Vorkommnisse in Brunsbüttel, Philippsburg und Biblis eine inakzeptable
Verschlechterung der Sicherheitskultur nahe legen?
c. In welcher Form haben Sie auf die
Vorkommnisse in Brunsbüttel,
Philippsburg und Biblis reagiert? War ihre spezifische Reaktion
vergleichbar zu den Aktivitäten, die nachfolgend von Pressemeldungen
bzw. bilateralen Kontaktnahmen zu Ereignissen/Störfällen im KKW
Temelin Platz gegriffen haben?