2506/JPR-BR/2007

Eingelangt am 11.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde

an den Präsidenten des Bundesrates

betreffend Abgeordnetenimmunität der Niederösterreichischen BundesrätInnen

Das Bundes-Verfassungsgesetz regelt die Immunität der Mitglieder des Bundesrat
(Art. 58 B-VG iVm 56 und 96). Die Verfassung zwischen beruflicher und
au
ßerberuflicher Immunität.

Die berufliche Immunität umfasst im Wesentlichen Äußerungen im Rahmen der
gesch
äftsordnungsmäßen Tätigkeit, das sind insbesonders Anträge, Anfragen oder
Debattenbeiträge im Plenum und in Ausschüssen.

Nach der außerberuflichen Immunität dürfen Abgeordnete wegen strafbarer
Handlungen nur dann beh
ördlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in
keinem Zusammenhang mit der politischen T
ätigkeit des betreffenden Abgeordneten
steht. Die Behörde hat auf Verlangen jedoch eine Entscheidung des jeweiligen
parlamentarischen Gremiums
über das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs
einzuholen. Eine solche Zustimmung gilt als erteilt, wenn
über das Ersuchen nicht
innerhalb von acht Wochen entschieden wird. Der/die Pr
äsidentin hat zum Zweck der
rechtzeitigen Beschlussfassung ein solches Ersuchen spätestens am vorletzten Tag
zur Abstimmung zu stellen.

Die Mitglieder des Bundesrates genießen die Immunität von Mitgliedern des
Landtages, der sie entsendet hat.

Die Immunität der Mitglieder des Niederösterreichischen Landtages ist in der
Landesverfassung und der Geschäftsordnung entsprechend der
bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben geregelt.

Am 14. Dezember 2006 hat der NÖ Landtag folgenden ÖVP-Antrag mit den Stimmen
der ÖVP gegen die anderen Fraktionen beschlossen:

Der Landtag beschließt gemäß § 5 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Landtages
LGO 2001, einem Ersuchen der hiezu berufenen Beh
örde auf Zustimmung zur
Verfolgung eines Abgeordneten in allen F
ällen unverzüglich stattzugeben. Der
Pr
äsident wird ersucht, den Behörden diese Entscheidung jeweils unverzüglich
bekannt zu geben. Nur in den F
ällen des § 5 Abs. 2 LGO 2001, oder bei einer
Entscheidung
über das Vorliegen eines politischen Zusammenhanges im Sinne des
§ 5 Abs. 3 LGO 2001 oder wenn es der (die) betreffende Abgeordnete sonst
verlangt, ist eine Befassung der Organe des Landtages im Einzelfall erforderlich."


Abgesehen der Sonderregelung für Verhaftungen und Hausdurchsuchungen sieht
die Bundesverfassung drei M
öglichkeiten bei Auslieferungsbegehren gegen
Abgeordnete vor:

1.)    Beschluss, dass im Einzelfall ein Zusammenhang mit der politischen

Tätigkeit besteht;
2.)    Beschluss, dass ein solcher Zusammenhang im Einzelfall nicht besteht;

oder

3.)    Verstreichenlassen der Acht-Wochefrist, wodurch eine Zustimmung als
erteilt gilt.

Der Präsident des NÖ Landtages hat zum Zweck der rechtzeitigen
Beschlussfassung des Landtages (...) ein solches [Auslieferungs]Ersuchen
sp
ätestens am vorletzten Tag dieser Frist zur Abstimmung zu stellen". (§ 5 Abs. 4
LGO2001)

Eine Mitteilung des Präsidenten des NÖ Landtages entsprechend seines
Beschlusses vom 14. Dezember 2006 ist weder nach dem Bundes-
Verfassungsgesetz noch nach der Bundesrats-Gesch
äftsordnung noch nach der NÖ
Landesverfassung noch nach der Geschäftsordnung des NÖ Landtages vorgesehen.
Es besteht keine Rechtsgrundlage für eine solche Mitteilung.

Der zitierte Beschluss betreffend Vorgangsweise bei Immunitätsangelegenheiten ist
nicht geschäftsordnungskonform zu Stande gekommen.
Nach
§ 31 LGO 2001 ist ein solcher Antrag nicht Verhandlungsgegenstand des
Landtages. Weiters wurde vom Landtag eine geheime Abstimmung beschlossen.
Laut Kommentar zur LGO 2001
bleibt bei einer geheimen Abstimmung das
Abstimmungsverhalten des einzelnen Abgeordneten auf Dauer verborgen". Bei der
geheimen Abstimmung wurden von den LT-Abgeordneten des
ÖVP-Klubs die auf
JA" lautenden Stimmzettel allgemein einsehbar offen in die Urne geworfen.

Über die Auslieferung von Mitgliedern des Bundesrates, die vom NÖ Landtag
entsendet wurden, entscheidet der N
Ö Landtag. Die Immunität stellt ein Recht des
Vertretungsk
örpers. Daher sind durch den Beschluss des NÖ Landtages die Rechte
des Bundesrates und seiner Mitglieder betroffen.

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.                         Sind Sie über den Beschluss betreffend Vorgangsweise in
Immunit
ätsangelegenheiten vom NÖ Landtag informiert worden?

2.                         Werden Sie Erkundigungen beim Präsidenten des NÖ Landtages einholen,
wie sich der Beschluss auf die Abgeordnetenimmunität auswirken wird?


3.                          Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die ÖVP Mehrheitsfraktion im NÖ
Landtag unabhängig vom Vorliegen eines Zusammenhanges mit der
politischen Tätigkeit Auslieferungsbegehren jedenfalls stattgeben will?

4.                          Werden Sie ein Gutachten des Legislativdienstes einholen?

5.                          Bewirkt der LT-Beschluss Änderungen der verfassungsgesetzlich
gew
ährleisteten Immunität der Mitglieder des Bundesrates? Wenn ja,
welche? Wenn nein, wie begründen Sie diese Einschätzung?

6.                          Ist eine Mitteilung des Präsidenten des NÖ Landtages über den gefassten
LT-Beschluss für die verfolgenden Behörden bindend? Dürfen die
verfolgenden Beh
örden bereits vor Ablauf der Acht-Wochenfrist
Verfolgungshandlungen setzen?

7.                          Kann ein in der Geschäftsordnung des NÖ Landtages nicht vorgesehener
Beschluss in die verfassungsgesetzlichen Rechte der Mitglieder des
Bundesrates eingreifen?