2549/J-BR/2007

Eingelangt am 20.07.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Dr. Gumplmaier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend

betreffend verantwortungsvoller Umgang mit der Nanotechnologie

Die Nanotechnologie arbeitet mit Substanzen, die nur zwischen einem und hundert Nanometer
(Milliardstel Meter) messen und deshalb gänzlich andere physikalische und chemische
Eigenschaften besitzen. Die Nanotechnologie beschäftigt sich also mit dem gezielten Einsatz
von Teilchen, die wenig größer sind als Atome. Sie ist Schlüssel- und Querschnittstechnologie,
ein Überbegriff für eine Vielzahl von Anwendungen und Produkten in den unterschiedlichsten
Einsatzbereichen. Das wesentlich Neue dieser Technologie steckt in dem Begriff „gezielt",
denn Nanopartikel entstehen auch ungewollt z.B. bei Verbrennungsprozessen oder beim
Schweißen.

Medikamente, Lebensmittel und Elektronikprodukte, verschiedene Werkstoffe (z. B. für
Textilien, Kosmetika, Lacke, Oberflächen) sind nur einige Einsatzmöglichkeiten der
Nanotechnologie, mit der hohe technische und wirtschaftliche Erwartungen verbunden sind.
Ein erhebliches Potenzial liegt z. B. auch in der Bionik, bei der Entwicklung hocheffizienter
Stromspeichermedien oder in der Medizintechnik. Insbesondere in den USA, in Japan und
innerhalb der EU werden daher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zur Nanotechnologie
massiv mit öffentlichen Mitteln gefördert.

Nanomaterialien können allerdings Gefahren für Mensch und Umwelt schaffen. Das Wissen
um potenzielle Risiken hat jedoch mit der rasanten nanotechnologischen Entwicklung nicht
Schritt gehalten und ist erst bruchstückhaft vorhanden. Wesentliche Grundlagen für eine
effiziente Risikokontrolle bei der Arbeit fehlen, z. B. gesicherte Daten über
Arbeitsplatzkonzentrationen und -Expositionen, geeignete Messstandards, einfache
Routinemessmethoden, Sicherheit bezüglich der Wirksamkeit von technischen Schutzsystemen
und persönlicher Schutzausrüstung.

In den letzten Jahren ist die Diskussion über die Auswirkungen ungezielt entstehender
ultrafeiner Partikel durch Verbrennungsprozesse unter dem Stichwort „Feinstaub" bereits ins
Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt. Gleichzeitig ist hingegen festzustellen, dass die


möglichen Gefahren, die durch einen gezielten Einsatz dieser ultrafeinen Partikel verursacht
werden, von Betroffenen, Industrie, Forschung und Politik wie schon zuvor in anderen
Bereichen (z. B. dem jahrzehntelangen Einsatz von Asbest) erneut verdrängt werden.
Tatsache ist, dass viele Anwendungsbereiche der Nanotechnologie bereits das
Forschungsstadium verlassen haben und in die Arbeitswelt eingeführt werden. Allein in
Deutschland sind nach ersten Schätzungen bis zu 120.000 Arbeitnehmer/-innen und ca. 600
Betriebe betroffen. Dennoch werden bislang nur wenig Aktivitäten zur Erforschung
potenzieller Gefährdungen gesetzt, um rechtzeitig erforderliche Maßnahmen zum Schutz von
Mensch und Umwelt zu ermöglichen.

Für eine abschließende Risikobeurteilung der Nanomaterialien fehlen derzeit noch die
wissenschaftlichen und methodischen Grundlagen. Daher muss sichergestellt werden, dass
Unternehmen notwendige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Einige, wie etwa BASF, haben
bereits unternehmensinterne Leitfäden zur sicheren Arbeit mit Nanopartikeln erstellt, um die
Exposition von Beschäftigten weitgehend zu vermeiden.

Mögliche negative Folgen durch den Umgang mit Nanomaterialien sind nicht nur für den/die
einzelne/-n Arbeitnehmer/-in bedrohlich. Es kann niemand daran interessiert sein, dass
epidemieartig Folgeerkrankungen auftreten, wie wir es heute von den lange unbekannten bzw.
von Industrie und Politik ignorierten Risiken beim Umgang mit Asbest kennen, und hohe
volkswirtschaftliche Schäden zu erwarten sind. Zum Schutz von Arbeitnehmer/-innen,
Bevölkerung und Umwelt braucht es einheitliche Standards, Regelungen und Vorschriften in
Bezug auf Nanomaterialien.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie
und Jugend nachstehende

Anfrage:

1.     Welche Maßnahmen sind in Österreich geplant um zu erheben,

-             in welchen Forschungseinrichtungen und Unternehmen Nanomaterialien erzeugt oder

verwendet werden (inkl. Mengen),

-             wie viele Arbeitnehmer/-innen davon betroffen sind,

-             welchen Expositionen Arbeitnehmer/-innen dabei ausgesetzt sind, und

-             welche Schutzmaßnahmen in diesen Einrichtungen und Unternehmen zum Einsatz

               kommen?


2.            Welche Schritte sind geplant, um festzustellen, wie wirksam die derzeit eingesetzten
arbeitsplatzbezogenen Schutzmaßnahmen (technische Systeme, persönliche
Schutzausrüstungen etc.) in Bezug auf Nanomaterialien sind? (insbesondere in Bezug auf
unlösliche und schwer lösliche freie Nanopartikel)

3.                          Ist daran gedacht, in Bezug auf Nanomaterialien ein systematisches Monitoring-
Programm einzuführen, um gesundheitliche, ökologische, gesellschaftliche und
wirtschaftliche Folgen laufend zu erheben und zu evaluieren?

Wird es ein solches Monitoring für die Arbeit mit Nanomaterialien geben?

-             z. B. systematische Erfassung von Arbeitnehmer/-innen, die regelmäßig mit

Nanomaterialien umgehen, in einem zentralen Verzeichnis

-             z. B. systematische Expositonsmessungen an den Arbeitsplätzen und Ermittlung typischer

Expositionsszenarien

-             Ist daran gedacht, die Arbeitsinspektion diesbezüglich mit einem besonderen

Kontrollauftrag zu versehen?

4.       Welche Aktivitäten sind geplant, um Wissenslücken in Bezug auf Gefährdungen durch
Nanomaterialien mittels umfassender toxokologischer, arbeits- und umweltmedizinischer
Forschungen in Österreich zu schließen?

Welcher Anteil (absolut und in Prozent) der öffentlichen Forschungsmittel ist in den
letzten Jahren in Österreich in die Erforschung gesundheitlicher und ökologischer Risiken
der Nanotechnologie geflossen?

Welche Aktivitäten werden von österreichischer Seite gesetzt, um auf europäischer Ebene
bei der Erforschung potenzieller Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch
Nanomaterialien mitzuwirken?

5.                          Welche Aktivitäten sind von österreichischer Seite geplant, um auf europäischer Ebene
Maßnahmen in Bezug auf potenzielle Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch
Nanomaterialien zu setzen, inklusive der Festlegung einheitlicher Grenzwerte im
Arbeitsschutz und Umweltbereich?

6.                          Ist von zuständigen Ministerien geplant, eine verstärkte Informationsoffensive für
Betroffene - Arbeitnehmer/-innen, private Anwender/-innen und Unternehmen,
insbesondere Klein- und Mittelbetriebe - über die Gefahren im Umgang mit
Nanopartikeln sowie Schutzmaßnahmen bei ihrer Verwendung durchzuführen?

7.                          Welche Maßnahmen werden gesetzt, um Arbeitsmediziner/-innen und
Arbeitsinspektoren/-innen entsprechend zu qualifizieren?


8.       Wurde bereits untersucht, welcher eventueller Veränderungs- bzw. Anpassungsbedarf bei
bestehenden Gesetzen, Verordnungen und Normen in Zusammenhang mit
nanotechnologischen Entwicklungen besteht?

Reichen die bestehenden gesetzlichen Regelungen für Chemikalien aus, um den Schutz

von Mensch und Umwelt in Bezug auf Nanomaterialien sicherzustellen?

Reichen die derzeit bestehenden gesetzlichen Regelungen für Lebensmittel, Arzneimittel

usw., um den Schutz der Bevölkerung vor Nanomaterialien zu garantieren?

Ist daran gedacht, Produkte mit Nanomaterialien, insbesondere mit unlöslichen und

schwer löslichen freien Nanopartikel entsprechend zu kennzeichnen und zentral in einem

Kataster zu erfassen (Meldepflicht nach dem Verursacherprinzip)?

9.       Welche Mittel sind in den nächsten Jahren für Begleitforschung und Begleitmaßnahmen
zum Schutz von Mensch und Umwelt wie vorher angeführt vorgesehen?