2568/J-BR/2007

Eingelangt am 30.08.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Dr. Franz Eduard Kühnel

und Kollegen

an den Bundesminister für Landesverteidigung

betreffend aufklärungsbedürftige Aussagen des Landesverteidigungsministers

In einem Interview mit der Tageszeitung Die „Presse" beantwortet Verteidigungsminister
Darabos die Frage nach seiner Haltung hinsichtlich des Projekts der USA, einen
Raketenschutzschirm über Europa zuspannen wie folgt: „Ich persönlich halte den Weg, den
die USA hier einschlagen, für falsch. Es hat keinen Sinn, ein Raketenabwehrsystem in Europa
aufzubauen. Dadurch werden nur unnötig alte Debatten des Kalten Krieges wieder
angefacht."

Die Vereinigten Staaten kritisierten umgehend und waren über diese Aussagen des
Bundesministers nicht sehr erfreut: „Solche Kommentare sind nicht sehr hilfreich. Wir haben
mit einem neuen strategischen Umfeld zu tun, das ein Denken jenseits des kalten Krieges
erfordert", sagte ein Sprecher der US-Regierung.

Die oben zitierten Äußerungen wurden auch vom tschechischen Außenminister Karl
Schwarzenberg kritisiert. Dies angesichts der Tatsache, dass in Tschechien ein Teil der
amerikanischen Raketenabwehr stationiert werden soll.

Schwarzenberg: „Herr Darabos ist ein Mensch mit ausgesprochen pazifistischer Ausrichtung,
was bestimmt lobenswert, allerdings beim Verteidigungsminister sonderbar ist."

Der Wehrsprecher der Österreichischen Volkspartei, Walter Murauer, forderte daraufhin BM
Darabos auf, dass „gefährliche Dilettieren" einzustellen, ein Vertreter eines neutralen Landes
habe schließlich nicht die Aufgabe, „der NATO Ratschläge" zu erteilen; auch
Außenministerin Plassnik hielt fest, dass niemand in Prag oder Warschau ungebetene
Vorschläge aus Wien brauche.

Die unnötige Äußerung des Landesverteidigungsministers in Bezug auf die Rüstungsprojekte
befreundeter Staaten erscheinen insofern wenig verständlich, als der Verteidigungsminister
keinerlei Äußerung zu diesbezüglichen Projekten Russlands abgegeben hat:

o      Russland kündigte - rechtlich die an sich nicht vorgesehene - Aussetzung des KSE-
Vertrages aus dem Jahre 1990 an; dies bedeutet einen weiten Akt der Aushöhlung der
vertraglich geregelten Rüstungskontrolle.

o      In Russland wird darüber hinaus bereits auch über eine mögliche Kündigung des INF-
Vertrages aus dem Jahre 1987 nachgedacht. Dieser Vertrag hatte damals die völlige
Vernichtung der nuklearbestückten Kurz- und Mittelstreckenraketen festgelegt.

o      Putin hat seinen Langstreckenbombern erst seit kurzem erneut Startbefehl erteilt.


Aufgrund der einseitigen Kommentierung des Verteidigungsministers des neutralen
Österreichs stellen die unterfertigten Bundesräte an den Bundesminister für
Landesverteidigung folgende

Anfrage:

1.                         Was hat Sie - als Verteidigungsminister eines verfassungsrechtlich immerwährenden
neutralen Landes - dazu bewogen, Militärstrategien und Militärprojekte der NATO
einseitig zu kritisieren?

2.                         Warum haben Sie ähnliche militärstrategische Entscheidungen Russlands wie
o      Aussetzung des KSE-Vertrages,

o      angedachte Kündigung des INF-Vertrages sowie

o      den neu angeordneten Einsatz von Langstreckenbombern in der ganzen Welt
nicht ebenso kritisch beurteilt?

3.      Glauben Sie, dass Ihre einseitige Betrachtungsweise der Rüstungsüberlegungen der
NATO und der USA im Gegensatz zu denjenigen Russlands sich als sinnvoll und
geboten für einen Verteidigungsminister eines verfassungsgesetzlich immerwährenden
neutralen Landes erweisen kann.