2595/J-BR/2008

Eingelangt am 14.02.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der BundesrätInnen Schennach, Kerschbaum, Konrad, Breiner und Mühlwerth

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Missbrauch des Innenministeriums für parteipolitische Zwecke

 

Begründung

 

In der Sitzung des Innenausschusses des Nationalrates vom 5. Februar 2008 erhob der ehemalige Direktor des Bundeskriminalamtes Dr. Herwig Haidinger schwerwiegende Vorwürfe gegen die Ressortleitung der letzten Jahre.

 

Laut Parlamentskorrespondenz Nr.108 sagte Haidinger in dieser Sitzung aus:

 

„Es sei richtig, dass er von der damaligen Ressortleitung angewiesen wurde, Geldflüsse von der BAWAG oder vom ÖGB an die SPÖ, welche aufgrund von Ermittlungshandlungen durch das BKA hervorkamen, sofort zu berichten und Unterlagen dazu zu übermitteln. Diese Aufträge seien von zwei Mitarbeitern im Kabinett der Bundesministerin Liese Prokop gekommen, und zwar von Bernhard Treibenreif und Andreas Pilsl. Die Anweisung, die Ermittlungshandlungen in diesen Angelegenheiten vor der Nationalratswahl zu beschleunigen, sei auch aus diesem Bereich gekommen. Was die Bekanntgabe von Namen und Ladungsterminen von bekannten Persönlichkeiten betrifft, also wer wann einvernommen wird, wurden diese Informationen entweder von den Pressereferenten oder von Treibenreif und Pilsl angefordert. Auftragsgemäß habe er auch Daten über Geldflüsse an die Ressortleitung übermittelt, einige Tage später habe man dies dann in den Medien nachlesen können.“

 

[...]

 

„Bezüglich der Frage, wer den Auftrag erteilt hat, die Unterlagen aus dem BKA noch bevor sie an den Untersuchungsausschuss gehen, an den ÖVP-Klub zu übermitteln, wies Haidinger darauf hin, dass dieser von Kabinettschef Philipp Ita kam. Er habe ihm geantwortet: "Wie stellst du dir das vor, das muss ich prüfen." Eine Woche später habe er Ita im Rahmen einer Pressekonferenz mit Prokop getroffen, wo er wieder von Ita in dieser Causa angesprochen wurde. Er habe gesagt, er finde dazu keine Rechtsgrundlage und werde das nicht tun. Ita habe ihn darauf angeschrien, und er sei einfach weggegangen. Eine Aussage darüber habe er auch schon bei der BIA gemacht,      er        wurde            niederschriftlich             dazu               einvernommen. Bezüglich der Einbindung der BIA in die Causa Geldtransfer an Franz Vranitzky sei er verärgert gewesen, weil dies eigentlich Aufgabe der Sonderkommission BAWAG gewesen wäre und auch nicht abgesprochen war.“

 

Weiters berichtete Haidinger zum Fall Natascha Kampusch:

 

„Er habe seit langer Zeit versucht, eine Evaluierung dieses Falles durchzuführen, um die schlimmen Ermittlungsfehler, die dabei passiert seien, intern aufzuarbeiten, um sie in Zukunft zu vermeiden. Nach dem Auftauchen von Natascha Kampusch habe er erfahren, dass es zwei Hinweise auf den Täter gegeben habe, wobei der zweite nicht bearbeitet wurde und von einem Wiener Polizeihundeführer stammte. Nachdem er diese Person niederschriftlich zu seinen Angaben befragen wollte, habe er die Weisung von der Ressortleitung erhalten, und zwar von Bernhard Treibenreif, das nicht zu tun. Die Ministerin wolle nicht, dass diese Person jetzt vernommen werde, weil "dann diese Sache bekannt werden würde" und "wir keinen Polizeiskandal vor der Nationalratswahl wollen".

 

Weiters wurde publik, dass in einem an Haidinger geschickten Mail der Leiter des BKA-Schlepperbüros, Gerald Tatzgern, den Ablauf eines Telefonats mit Kabinettsmitarbeiter Peter Webinger schildert. Dieser habe ihn im Oktober 2004 angerufen und „in der Causa Bürstmayr eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft“ urgiert. „Ich sagte, dass ich keine strafrechtliche Relevanz sehe, und machte einen Vergleich: Wenn jemand bei Grün über die Kreuzung geht, kann ich nichts Strafbares erkennen.“ Doch Webinger habe mit dem Hinweis „dass es der HBM (Herr Bundesminister) so will“, darauf bestanden, schreibt Tatzgern.

 

Seither vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue aufklärungsbedürftige Sachverhalte in den Medien bekannt werden. Während von so gut wie allen politischen Kräften in der Republik Aufklärung über diese Vorkommnisse eingefordert wird, versuchen Vertreter der ÖVP entweder die Verantwortung von sich zu schieben, andere Personen oder Institutionen für diese Zustände verantwortlich zu machen, den Ruf untadeliger Beamter zu diskreditieren oder vermeintliche Aufklärung zu suggerieren, indem diese Vorkommnisse teilweise von Personen untersucht werden sollen, die in verschiedene Malversationen verwickelt sein könnten bzw. in einem Naheverhältnis zu solchen Personen stehen.

 

Die Liste der behaupteten Verfehlungen ist lang und sie wird täglich länger: Sie betreffen den politischen Missbrauch der Ermittlungen im Kriminalfall BAWAG, die offenbar erfolglose Weisung, dem Banken-Untersuchungsausschuss zu übermittelnde Akten vorher dem ÖVP-Parlamentsklub zur Einsicht zu überlassen, die politische motivierte Unterlassung der Untersuchung von Ermittlungspannen im Entführungsfall der Frau Kampusch sowie das mutwillige Veranlassen strafrechtlicher Ermittlungen gegen politisch nicht opportune Rechtsanwälte.

 

 

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende

 


 

DRINGLICHE ANFRAGE:

 

1.)    Seit wann ist Ihnen bekannt, dass der damalige Leiter des Bundeskriminalamtes Haidinger von den ehemaligen Kabinettsmitarbeitern Bernhard Treibenreif und Andreas Pilsl angewiesen wurde, Geldflüsse von der BAWAG oder vom ÖGB an die SPÖ, welche aufgrund von Ermittlungshandlungen durch das BKA hervorkamen, sofort zu berichten und Unterlagen dazu zu übermitteln sowie die Ermittlungshandlungen in diesen Angelegenheiten vor der Nationalratswahl zu beschleunigen?

2.)    Welche Schriftstücke (Akten, Aktenvermerke, Korrespondenzen etc.) liegen in diesem Zusammenhang in Ihrem Ressort vor und was ist ihr Inhalt?

3.)    Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe und welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Sachverhalt?

4.)    Seit wann ist Ihnen bekannt, dass Haidinger vom damaligen Kabinetts-Chef Ita angewiesen wurde, Unterlagen aus dem Bundeskriminalamt an den ÖVP-Klub zu übermitteln, bevor sie an den BAWAG-Untersuchungsausschuss des Nationalrates gehen sollten?

5.)    Wer war die im ÖVP-Klub die dafür verantwortliche Person, die die Akten beim Kabinett der Innenministerin anforderte?

6.)    Welche Schriftstücke (Akten, Aktenvermerke, Korrespondenzen etc.) liegen in diesem Zusammenhang in Ihrem Ressort vor und was ist ihr Inhalt?

7.)    Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe und welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Sachverhalt?

8.)    Seit wann ist Ihnen bekannt, dass Haidinger aufgrund „schlimmer Ermittlungsfehler“ eine Evaluierung der Kampusch-Ermittlungen durchführen wollte, diese aber verhindert wurde?

9.)    Wie beurteilen Sie diesen Umstand?

10.)    Seit wann ist Ihnen bekannt, dass Haidinger von Kabinettsmitarbeiter Bernhard Treibenreif angewiesen wurde, im Fall Kampusch den hinweisgebenden Wiener Polizeihundeführer nicht zu befragen, weil die Ministerin nicht wolle, dass diese Person jetzt vernommen werde, weil "dann diese Sache bekannt werden würde" und "wir keinen Polizeiskandal vor der Nationalratswahl wollen"?

11.)    Welche Schriftstücke (Akten, Aktenvermerke, Korrespondenzen etc.) liegen in diesem Zusammenhang in Ihrem Ressort vor und was ist ihr Inhalt?

12.)    Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe und welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Sachverhalt?

13.)    Seit wann ist Ihnen bekannt, dass auf expliziten Wunsch des damaligen Innenministers gegen den im Menschenrechtsbereich engagierten Rechtsanwalt Georg Bürstmayr eine Sachverhaltsdarstellung wegen angeblicher Schlepperei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, obwohl der damit befasste Beamte keinerlei strafrechtliche Relevanz feststellen konnte?

14.)    Welche Schriftstücke (Akten, Aktenvermerke, Korrespondenzen etc.) liegen in diesem Zusammenhang in Ihrem Ressort vor und was ist ihr Inhalt?

15.)    Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe und welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Sachverhalt?


16.)     „Das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) – ident mit der Abteilung IV/6 – ist eine gänzlich außerhalb der "klassischen polizeilichen Strukturen" etablierte, eigenständige Dienststelle des österreichischen Bundesministeriums für Inneres. BIA führt als unabhängige, autarke und in der Sache weisungsfreie Organisationseinheit sicherheits- und kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei Verdachtslagen von Amtsdelikten und von Korruption. Dabei arbeitet BIA unmittelbar mit den zuständigen Staatsanwaltschaften und Gerichten zusammen.“ (Anm.: Selbstbeschreibung des BIA auf dessen Homepage).
“Unser Erfolg ist die konsequente Erforschung, Analyse und objektive Darstellung von Fakten. Wir urteilen und verurteilen nicht, und wir lassen uns von nichts und niemandem instrumentalisieren. Wir arbeiten so transparent wie möglich, im Sinne der Fairness aber so verschwiegen wie nötig. Wir sind uns unserer hohen Verantwortung bewusst und nehmen diese gerne an.“ (Anm.: Auszug aus dem Leitbild des BIA).
Welche Gründe waren dafür maßgeblich, ausgerechnet 2 Beamte des für „Amtsdelikte“ und „Korruption“ („interne Angelegenheiten“) zuständige BIA damit zu befassen, in einem Pensionistenwohnheim die Schwiegermutter des ehemaligen Bundeskanzlers Vranitzky aufzusuchen?

17.)    Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das beschädigte Vertrauen der Bevölkerung in die rechtstaatlichen Institutionen wieder herzustellen?

18.)    Welches Gremium ist Ihrer Ansicht das geeignete, um im Sinne des von Vizekanzler Molterer vorgegebenen Mottos "und ich sage glasklar dazu: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung" die Klärung der politischen  Verantwortung für die geschilderten Vorgänge vorzunehmen?

 

 

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 61 Abs.3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung die dringliche Behandlung dieser Anfrage verlangt.