2652/J-BR/2008

Eingelangt am 19.12.2008
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DRINGLICHE ANFRAGE

 

der Bundesrätinnen und Bundesräte Schennach, Ertl,  Mühlwerth, Kerschbaum

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Erweiterung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Rechnungshof ist als Hilfsorgan des Nationalrats und der Landtage zur finanziellen Kontrolle der Vollziehung des Bundes und der Länder eingerichtet. Im Bereich der Gemeinden kann er derzeit laut Art 127 a Abs 1 B-VG nur Gemeinden (Gemeindeverbände) mit mindestens 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen prüfen. Auch kommunale Unternehmen sind nur erfasst, wenn eine Gemeinde mit mindestens 20.000 Einwohnern (zu mindestens 50%) Anteilseigner ist. Dergestalt unterliegen nur 24  der  2.359 österreichischen Gemeinden der amtswegigen Kontrolle des Rechnungshofes. „Laut einer Auswertung der Statistik Austria sind damit rund 70% der Gesamtausgaben der österreichischen Gemeinden der Überprüfung durch eine externe öffentliche Finanzkontrolle entzogen. Rund 10,6 Mrd EUR öffentlicher Mittel unterliegen somit keiner externen öffentlichen Gebarungskontrolle“ (RH-Präsident Dr. Moser am Symposium „Öffentliche Finanzkontrolle in Österreich“, siehe Rechnungshof, Reihe Positionen 2007/2, S 14). Kleinere Gemeinden können nur „fallweise“ auf Ersuchen der zuständigen Landesregierung vom Rechnungshof überprüft werden (Art 127 a Abs 7 B-VG).

 

Auch die nach Landesrecht eingerichteten Landesrechnungshöfe können, wenn überhaupt, aufgrund Bundesverfassungsrechts nur auf Initiative der Landesregierung Gemeinden überprüfen. Laut einer vom OÖ Landesrechnungshof erstellten Übersicht zur Rechtslage in 8 Bundesländern (also ohne Wien) vom Juni 2006 ist in nur vier Bundesländern eine „Gemeindeprüfung“ vorgesehen. Auch diese Regelungen sind jedoch unterschiedlich, so ist oft von Gutachten zur Gebarung der Gemeinden die Rede (Bgl, OÖ, Sbg), in der Stmk ist die Prüfung auf die Verwendung von Landesmitteln eingeschränkt.

 

Angesichts des Finanzvolumens, das diese Gemeinden bewegen und angesichts der zunehmenden Komplexität der den Gemeinden obliegenden Aufgaben muss man zweifelsohne ein Kontrolldefizit feststellen. Entsprechende Gesetzesvorschläge zur Behebung dieses Kontrolldefizits wurden vom jeweiligen Präsidenten des Rechnungshofes unter anderem im Österreich-Konvent (2003 – 2005) eingebracht.

 

Das Regierungsübereinkommen 2008 erkennt zwar den Handlungsbedarf, jedoch in nur ungenügendem Maße. Es wird lediglich eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes der Art angepeilt, dass die Landesrechnungshöfe die Gemeinden amtswegig prüfen können – allerdings nur wenn die Länder von ihrer Verfassungsautonomie entsprechend Gebrauch machen.

 

Angesichts der zu Tage getretenen Finanzspekulationen einiger Gemeinden bekommt eine weitergehende Reform jedoch besondere Dringlichkeit. Zuletzt sorgten die beiden Gemeinden Hofamt Priel und Hartberg für besonderes Aufsehen. Die Gemeinde Hofamt Priel setzte bei ihrer Finanzierung auf Fremdwährungskredite mit Tilgungsträger. Dass bei diesem Tilgungsträger die Immofinanz eine große Rolle spielte, bescherte der 1.700 Einwohner-Gemeinde einen Verlust in Höhe von 3 Mio. Euro. Die Gemeinde Hartberg wiederum verspielte ihr Geld nicht mit Krediten sondern mit Veranlagungen. Durch den Verkauf der Sparkasse floss Geld in die Gemeindekassen und zwar idHv 60 Mio Euro. 40 Mio Euro davon wurden in vier Tranchen angelegt. Hartberg verlor mit Meinl European Land, Karibik-Geschäften, Constantia- und Madoff-Veranlagungen mindestens 2,5 Mio. Euro.

 

Weiters listete der Kurier vom 9. 12. 2008 folgende Kursverluste der Gemeinden:

 

Gemeinde

Aktuelle Kursverluste in €

Bad Vöslau

100.000,--

Mauthern/Krems

170.000,--

Perchtoldsdorf

1.700.000,--

Warth

150.000,--

Deutsch-Schützen

35.000,--

Lackendorf

55.000,--

Oberschützen

81.000,--

Zurndorf

41.000,--

 

Bei allem Respekt vor der Gemeindeautonomie zeigen diese Vorkommnisse doch, dass eine vermehrte finanzielle Kontrolle der Gemeinden auch im Interesse der Gemeinden selbst wäre. Der Rechnungshof hat den großen Vorteil, dass er länderübergreifende Querschnittsüberprüfungen vornehmen kann und angesichts der personellen Distanz zu den Gemeinden ein Höchstmaß an Objektivität in die Prüfung einbringen kann.

 

 

 

Die unterfertigten Bundesräte und Bundesrätinnen stellen daher folgende

 

DRINGLICHE ANFRAGE:

 

 

  1. Treten Sie für eine Zuständigkeitserweiterung des Rechnungshofes ein, damit er alle Gemeinden, Gemeindeverbände und deren Unternehmungen prüfen kann?
  2. Ist in Aussicht genommen, diesbezüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten?
  3. Wenn Sie nicht für diese Zuständigkeitserweiterung eintreten, aus welchen Gründen lehnen sie eine solche ab?
  4. Wie viele Gemeinden sind von den Auswirkungen der Finanzkrise betroffen?
  5. Wie viele der Rechnungshofkontrolle unterliegenden Gemeinden sind von den Auswirkungen der Finanzkrise betroffen?
  6. Wie hoch ist die Summe der Verluste von österreichischen Gemeinden an den internationalen Kapitalmärkten?
  7. Wie wirkt sich diese spezielle Finanzkrise der Gemeinden auf den Finanzausgleich aus?
  8. Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung gesetzt, um die in Finanznöte gekommenen Gemeinden zu unterstützen bzw zu retten?
  9. Wie entwickelten sich die Ertragsanteile der Gemeinden am Gesamtsteueraufkommen in diesem Jahr?
  10. Wie beurteilen Sie angesichts dieser Entwicklungen die Cross-Border-Leasing-Aktivitäten der österreichischen Gemeinden?
  11. Ist in Aussicht genommen, diesbezüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten?
  12. Wenn ja, was wird der wesentliche Inhalt dieser Regierungsvorlage sein?
  13. Wie beurteilen Sie die Rolle der Gemeindeaufsichten?

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 61 Abs 3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung die dringliche Behandlung dieser Anfrage verlangt.