2664/J-BR/2009

Eingelangt am 16.04.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte (Jürgen Weiss, Edgar Mayer und
Ing. Reinhold Einwallner)

an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Maßnahmen gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft

Der Vorarlberger Landtag hat bereits am 17. November 2004 mit einer einstimmig gefassten
Entschließung gefordert,

       das Schwangerenvorsorgeprogramm (Mutter-Kind-Pass) um den Aspekt der Folsäure
entsprechen dem Vorschlag des Vorarlberger Arbeitskreises f
ür Sozialmedizin zur Neugestaltung
des Mutter-Kind-Passes zu erweitern,

       bundesweit entsprechende, insbesondere bewusstseinsbildende Maßnahmen zu setzen,

       bundesweit und im Rahmen der Europäischen Union die Anreicherung von Nahrungsmitteln (z.B.
Brot) mit Folsäure zu prüfen.

Der diesem Beschluss zu Grunde liegende Antrag des Sozialpolitischen Ausschusses war wie folgt
begründet:

Der Mangel an Folsäure (gehört zur Gruppe der B-Vitamine) in der Schwangerschaft kann
folgenschwere Auswirkungen auf die Entwicklung und die späteren Lebensbedingungen von
Kindern haben. Internationale wissenschaftliche Studien belegen, dass Fols
äuremangel zu spina
bifida", besser bekannt als
offenes Rückenmark", führen kann; jener gefürchteten Fehlbildung, bei
der die Wirbelsäule eines Neugeborenen nicht vollständig geschlossen ist und das Rückenmark frei
liegt. Trotz aller Bemühungen von Ärzten und Therapeuten haben solche Kinder ihr ganzes Leben
unter anderem unter Lähmungen der Beine zu leiden. Weltweit sind jedes Jahr etwa 300.000 bis
400.000 Kinder betroffen, in
Österreich sind es 70 bis 80. In Vorarlberg wurden in den vergangenen
zwölf Monaten vier Kinder mit offenem Rückenmark" geboren.

Eine breit angelegte amerikanische Studie aus dem Jahr 1992 belegt, dass die tägliche Einnahme von
0,4 mg Folsäure einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit der Fehlbildung hat. Während von 4000
Frauen, die am Beginn der Schwangerschaft Folsäure zu sich genommen hatten, kein einziges Kind

an spina bifida " litt, waren es in der Kontrollgruppe, der nur ein Placebo verabreicht wurde, sieben
betroffene Kinder.

Nachfolgende Studien bestätigten dieses Ergebnis. Die Einnahme von Folsäure führt nachweislich zu
einer spina bifida"-Reduktion von zumindest 60 bis zu 75 Prozent. Verschiedene Staaten haben
aufgrund dieser eindeutigen Untersuchungsergebnisse unterschiedliche Maßnahmen gesetzt, um
die F
älle der unter spina bifida" leidenden Menschen zu minimieren. Die besondere Schwierigkeit
ist, dass die Wirkung der Folsäure in der Bevölkerung viel zu wenig bekannt ist. Egal, ob es sich nun
um eine geplante oder ungeplante Schwangerschaft handelt, meist suchen die Frauen erst dann
einen Arzt auf wenn es zu sp
ät ist. Die Folsäurespeicher sollten nämlich bereits im Frühstadium der
Schwangerschaft gefüllt sein.

Eine Untersuchung in der Uni-Klinik in Innsbruck hat ergeben, dass nur ein erschreckend kleiner Teil
der schwangeren Frauen zum richtigen Zeitpunkt mit der Einnahme von Fols
äure begonnen haben.
Nach kanadischen Studien haben Mütter von Kindern mit spina bifida" einen niedrigen sozioö-
konomischen Status, sind sehr jung und übergewichtig und essen wenig Gemüse, viel Kartoffeln
sowie Dosenfleisch und viel Süßigkeiten. Folsäure ist in verschiedenen Gemüse- und Obstsorten
enthalten, hat aber den Nachteil, dass es wasserlöslich und nicht hitzebeständig ist. Von
Gyn
äkologen empfohlen wird daher die Substitution mit einer Dosis von 4-5 mg/Tag für Frauen, die
schon ein Kind mit spina bifida" haben und 0,4 mg/Tag für Frauen, die keine belastete Vorge-
schichte haben und schwanger werden wollen. Der Vorschlag des Vorarlberger Arbeitskreises für
Vorsorge- und Sozialmedizin (aks) zur Neugestaltung des Mutter-Kind-Passes sieht etwa eine prä-
konzeptionelle Beratung vor, in der ausdrücklich die konsequente Folsäure-Sublimentierung zur
Verhinderung von spina bifida "-Fehlbildungen gefordert wird."

In der Anfragebeantwortung 2088/A.B.-BR/2005 vom 20. Jänner 2005 wurde mitgeteilt, dass
der Vorschlag des Vorarlberger Arbeitskreises f
ür Vorsorge- und Sozialmedizin zur
Neugestaltung des Mutter-Kind-Passes im Sinne einer pr
äkonzeptionellen Beratung hinsichtlich
der nachteiligen Folgen eines Fols
äuremangels in der Schwangerschaft der Mutter-Kind-Pass-
Kommission in ihrer Sitzung vom 12. Oktober 2004 vorgelegt worden war und im Rahmen der
n
ächsten Sitzung unter Beiziehung von Experten beraten werden soll.

In weiterer Folge brachten im Nationalrat Abgeordnete von ÖVP und SPÖ am 5. Juli 2007 den
Entschlie
ßungsantrag 277/A(E) ein, wonach die Bundesregierung ersucht werden sollte, dem
Nationalrat einen Entwurf eines Bundesgesetzes
über die Anreicherung von Mehl mit Folsäure
und Vitamin B12 (Mehlanreicherungsgesetz) vorzulegen, das unter anderem besondere
Kennzeichnungsvorschriften und ein Anreicherungsverbot f
ür Bioprodukte vorsieht. Darüber
hinaus sollten die zuständigen Bundesminister ersucht werden, alle notwendigen
Vorbereitungen auf
österreichischer und auf EU-Ebene zu treffen, um eine ausreichende


Konformität des vorzulegenden Mehlanreicherungsgesetzes sicherzustellen sowie auf
europäischer Ebene für eine Höchstmengenregelung für die Anreicherung von Folsäure in
Lebensmitteln einzutreten."

Dazu wurde dann vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen am 27. Juli 2006 ein
Begutachtungsentwurf (418/ME) für ein Mehlanreicherungsgesetz versandt.

Mit der Anfragebeantwortung 2422/A.B.-BR/2008, vom 7. Juli 2008 teilte Ihre Vorgängerin mit,
dass zu diesem Entwurf fachliche Bedenken bekannt worden seien und das BKA-VD um
Stellungnahme aus verfassungsrechtlicher Sicht ersucht wurde. Weiters wurde mitgeteilt, dass
eine HTA-Expertise zur Feststellung der medizinischen Indikation einer Mehlanreicherung mit
Folsäiure und Vitamin B-12 in Auftrag gegeben wurde, deren Ergebnis für Oktober 2008
erwartet werde.

Daher richten die unterzeichneten Bundesräte an den Herrn Bundesminister für Gesundheit
folgende

Anfrage:

1.         Welches Ergebnis hat die verfassungsrechtliche Prüfung des Entwurfes für ein
Mehlanreicherungsgesetz erbracht?

2.         Welches Ergebnis hat die Expertise zur medizinischen Indikation einer Mehlanreicherung mit
Fols
äure erbracht?

3.         Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus diesen beiden Prüfungen?

4.         Werden Sie im Ministerrat eine Regierungsvorlage im Sinne des seinerzeitigen
Begutachtungsentwurfes beantragen?