2697/J-BR/2009
Eingelangt am 02.07.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesrätin
Kerschbaum, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
betreffend
AKW Projekte
Rund um Österreich sind
zahlreiche neue Atomkraftwerke in Planung. Neben der Schweiz,
Tschechien, Slowakei, Ungarn, Frankreich,
Polen, Belarus und Russland haben auch Italien,
Estland, Kroatien, Albanien, Mazedonien, Ukraine, Bulgarien
AKW-Pläne in den Medien
bekanntgegeben.
Die Österreichische
Bevölkerung lehnt die Nutzung von Atomenergie mit überwiegender
Mehrheit ab und auch die Bundesregierung
bekennt sich im aktuellen Regierungsprogramm
zur Anti-Atompolitik. Diese Anti-Atompolitik ist, abgesehen von Bekenntnissen
dazu in den
nationalen Medien, nur leider kaum sichtbar.
Fehlende Anti-Atompolitik und
mangelndes Engagement im Bereich Energieeffizienz und
Erneuerbare Energien (Ökostromgesetz!) führen dazu, dass
Österreichs ablehnende Haltung
zur Kernenergie auch international
lediglich ein Schlagwort ist, weil Österreich weiterhin von
Atomstromimporten abhängig bleibt.
Neben dem
Umweltminister, der grundsätzlich für Anti-Atompolitik zuständig
ist, sind von .
diesen offenen Fragen
zur Anti-Atompolitik auch der Außenminister (int. Verträge), die
Justizministerin (Haftung), der Wirtschaftsminister (Energiepolitik) und der
Bundeskanzler
(Koordination der Regierungsarbeit) zuständig.
Fehlende Nuklearinformationsverträge:
Österreich hat bisher nur mit
einem Teil der o.a. Staaten bilaterale
Nuklearinformationsverträge abgeschlossen. Das bedeutet unter anderem,
dass Pläne,
Programme und Konzepte zum Ausbau der Kernenergie, zu bestehenden bzw.
geplanten
Kernanlagen, zu Aspekten des Strahlenschutzes und zu Entwicklungen bzgl.
Zwischen- und
Endlagerung radioaktiver Abfälle den österreichischen Behörden
nicht aus direkten
Kontaktnahmen bekannt sind und eine
Reaktion auf bilateraler, multilateraler bzw. EU-Ebene
nur sehr zeitverzögert, wenn überhaupt stattfinden kann.
Ebenso sind vor allem im Falle von
Zwischenfällen in Kernanlagen keine direkten Behördenkontakte
möglich und erst ein
Abwarten auf andere internationale Meldesysteme angezeigt.
Ungenügende Atomhaftung
Betreffend die Vorlage der
gesetzlich verpflichtenden periodischen „Berichte über die
Entwicklung der internationalen Haftungsinstrumente für
Atomschäden" (lt. § 30
Atomhaftpflichtgesetz) an den Nationalrat ist zudem die Regierung weiter
säumig. Es ist der
Bundesregierung bisher nicht
gelungen, die ungenügende Haftung von Betreibern und
Betreiberstaaten europaweit zum Thema zu machen. Ungenügende Atomhaftung
stellt nicht
nur eine entscheidende Frage für den
Schadensersatz potentiell betroffener Österreicherinnen
und Österreicher, sondern auch eine Marktverzerrung durch indirekte
Förderung der
Nuklearenergienutzung dar!
Fehlende Allianz kernkraftwerksfreier Staaten Europas
Eine „Allianz der
kernkraftwerksfreien Staaten Europas" könnte die Notwendigkeit der
umfangreichen Betreiberhaftung für direkte und indirekte Folgeschäden
aus der Freisetzung
von Radioaktivität aus Kernanlagen und
offene Sicherheitsfragen (Endlagerung, Entsorgung,
Dekommissionierung...) auf
europäischer Ebene schon längst einfordern. Der Austausch
kernenergierelevanter Informationen zwischen kernenergiekritischen
Staaten wäre
insbesondere auf Beamtenebene wichtig, um gemeinsame Initiativen auf EU- bzw.
multilateraler Ebene zu fördern. Dazu gehört der Austausch
sicherheitsrelevanter Studien,
Gesetze bzw. Initiativvorschläge im Bereich Abfallstrategien,
Strahlenschutz,
Notfallsvorsorge, Frühwarnsystem, Methoden zur Risikoabschätzung,
haftungsrelevante
Fragen etc. Es sind aber keine Vorstöße Österreichs zur
Gründung einer solchen Allianz
erkennbar.
Mangelhafte Sicherheitsrichtlinie
Die Europäische
Nuklearsicherheitsrichtlinie wurde im EU-Umweltministerrat mit der
Stimme Österreichs beschlossen werden.
NGOs und Grüne sehen diese Richtlinie skeptisch,
weil sie lediglich den unbefriedigenden Status quo festschreibt. Die Richtlinie
umfasst nicht
den gesamten Brennstoffkreislauf- Uranabbau (Cz), Brennelementfertigung,
Zwischen- und
Endlager sind von der Richtlinie nicht umfasst. Auch die Gefährdung von
Nuklearanlagen
durch Flugzeugabstürze oder Terroranschläge wird nicht erwähnt
und die Frage der
Nuklearhaftung bleibt weiter ausgespart. Die Richtlinie regelt lediglich die
Einrichtung
(ohnehin vorhandener) „unabhängiger" staatlicher
Aufsichtsbehörden, die sich in l0Jahres-
Abständen selbst kontrollieren.
Kontraproduktive Energiepolitik österreichischer EVUs
Die Aktivitäten der sich im
mehrheitlichen Besitz der öffentlichen Hand befindlichen
österreichischen
Elektrizitätswirtschaft konterkarieren eine glaubwürdige
kernenergiekritische
Haltung, wenn z.B. neue Starkstromleitungsprojekte zu
AKW-Betreiberstaaten wie
Tschechien und Ungarn/Slowakei realisiert werden, die eine Ausweitung der
Stromimporte
zum vornehmlichen Zweck haben.
Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Mit welchen der angeführten Staaten finden
derzeit Verhandlungen über den
Abschluss eines Nuklearinformationsabkommen statt, wie ist der jeweilige Stand
der
Verhandlungen und wann ist mit einem
Abschluss zu rechnen?
1. Italien
2. Frankreich
3. Großbritannien
4. Estland
5. Kroatien
6. Albanien
7. Mazedonien
8. Ukraine
9. Rumänien
10. Bulgarien
11. Finnland
12. Schweden
13. Belgien
14. Niederlande
15. Russland
2. Welchen aktuellen
Informationsstand haben Sie zu den u.a. aktuellen AKW-Projekten
und welche Schritte werden Sie dazu unternehmen:
1. Neuer Block am Standort Dukovany in Tschechien
2. Block 3 & 4 des AKW Mochovce in der Slowakei
3. Neuer Block am Standort Bohunice in der Slowakei
4. Erweiterung des AKW Paks, Ungarn
5. Neubauprojekt AKW Penly, Frankreich
6. 3 neue Reaktoren in der Schweiz
7. Ein erstes AKW in Weißrussland
8. AKW Kaliningrad
3.
Wann wurden bzw. werden die Berichte lt. § 30 Atomhaftungsgesetz
(2001, 2004,
2007) dem Nationalrat
und dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt?
4.
In der
Anfragebeantwortung Nr. 2399/AB-BR/2008 führte die damalige
Außenministerin Plassnik (zu Frage 5 und 8) an, dass das AtomHG 1999 in
wesentlichen Grundsätzen von den bestehenden Regimen des internationalen
Atomhaftungsrechts, deren Vertragsparteien die Nachbarstaaten sind, abweicht.
„Expertengespräche haben ergeben, dass Verhandlungen mit
Nachbarstaaten
betreffend die Anerkennung des AtomHG 1999
nicht erfolgsversprechend sind, da das
österreichische Atomhaftungsrecht aus Sicht des Geschädigten
wesentlich günstiger
ist." Es sei jedoch bereits auf Basis der geltenden Regelungen des
österreichischen
Atomhaftungsgesetzes
möglich, im Falle von Schäden, die in Österreich eintreten,
Haftungsansprüche
vor einem österreichischen Gericht geltend zu machen.
1.
Wird eine Anerkennung des Österr. Atomhaftungsgesetzes durch
andere
Staaten, insbesondere
solche, in denen AKWs betrieben werden, noch
angestrebt?
2. Werden diesbezüglich Verhandlungen geführt? Wenn ja, mit welchen Staaten?
3.
Unter welchen Umständen können die angeführten
Haftungsansprüche vor
einem
österreichischen Gericht geltend gemacht werden?
5. Welche Haftungsgrenzen für Unfälle in
Kernanlagen sind für die Betreiber in
folgenden Staaten geltend und welche
Beträge sind in den Betreiberstaaten für
grenzüberschreitende Unfallfolgen jeweils nach geltendem nationalem
Recht
vorgesehen?
1. Italien
2. Frankreich
3. Großbritannien
4. Estland
5. Kroatien
6. Albanien
7. Mazedonien
8. Ukraine
9. Rumänien
10. Bulgarien
11. Finnland
12. Schweden
13. Belgien
14. Niederlande
15. Russland
16. Tschechien
17. Slowakei
18. Ungarn
19. Deutschland
20. Schweiz
21. Bulgarien
22. Weißrussland
6.
Sehen Sie in diesen Haftungsgrenzen eine Marktverzerrung durch die
indirekte
Förderung der
Kernenergienutzung?
7.
Welche bilateralen Gespräche wurden seit Beginn dieser
Regierungsperiode von Ihnen
mit Vertretern der
unter Punkt 1 und 2 angeführten Staaten offiziell geführt?
8.
Bei welchen dieser Gespräche haben Sie österreichische
Bedenken gegen die
AKW-Pläne
dieser Länder thematisiert und mit welchem Ergebnis?
9.
Bei welchen dieser Gespräche haben Sie die Frage eines
abzuschließenden
Nuklearinformationsabkommens
und/oder Fragen des Nuklearhaftungsrechtes
erörtert?
8. Beabsichtigen Sie einen politischen Vorstoß auf
EU-Ebene betreffend die Regelung
der Haftungsproblematik von Kernanlagen im Rahmen
einer europäischen Richtlinie
bzw. haben Sie dazu bereits Schritte unternommen?
1. Wenn ja, wann haben Sie hierzu welche Initiativen gesetzt?
2. Wenn nein, welche politischen Initiativen werden sie alternativ setzen?
9. Bundeskanzler
Faymann bezeichnete die „Durchsetzung" der Leitung von Wien-
Südost nach Györ als eine der „Leistungen", die die
Bundesregierung beim EU-Rat
durchgesetzt hat. In der sog. KEMA-Studie (Analysis of the network
capacities and
possible congestion of the electricity
transmission networks within the accession
countries) wird die Leitung Wien-Südost - Györ als Teil der
Verbindung Österreich-
Slowakei angeführt. Welchem Zweck soll diese Leitung nun definitv dienen?
1. Wie hoch beläuft sich der jährliche Stromhandel Österreichs mit Ungarn?
2.
Wurde die
Leitung seit Beginn ihrer Inbetriebnahme für den Import von
Elektrizität nach Österreich bzw. für Transitgeschäfte
genutzt? Eine über die
Nutzungsdauer ausgegliederte Darstellung
zwischen Import/Export und Transit
wird hierfür erwünscht.
3.
Welche potentiellen Strom-Exportkapazitäten Ungarns können
mit dieser
Leitung nach
Österreich geführt werden?
4.
Welche potentiellen Strom-Exportkapazitäten ergeben sich für
die Slowakei
aus dem geplanten
Ausbau des KKW Mochovce?
5.
Welchen
Informationsstand besitzen Sie bzgl. Vorgesehener
Leitungsbauprojekte zwischen Ungarn und der Slowakei, die eine
Verknüpfung mit der gegenständlichen
Leitung Wien-SüdOst-Györ zum Inhalt
haben?
6.
BK War die
Leitung Wien-Ost - Györ auch Thema bei Ihrem Treffen mit
Premierminister Fico im Frühjahr 2009?
7.
Sind für die Errichtung dieser Leitung nationale Fördermittel
vorgesehen?
Wenn ja, welche?
10. Ist für die geplante 380
kV Leitung der Verbund-APG von Wien-Südost nach Györ,
ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren vorgesehen?