2699/J-BR/2009

Eingelangt am 02.07.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde

an den Bundeskanzler

betreffend AKW Projekte

Rund um Österreich sind zahlreiche neue Atomkraftwerke in Planung. Neben der Schweiz, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Frankreich, Polen, Belarus und Russland haben auch Italien, Estland, Kroatien, Albanien, Mazedonien, Ukraine, Bulgarien AKW-Pläne in den Medien bekanntgegeben.

Die Österreichische Bevölkerung lehnt die Nutzung von Atomenergie mit überwiegender Mehrheit ab und auch die Bundesregierung bekennt sich im aktuellen Regierungsprogramm zur Anti-Atompolitik. Diese Anti-Atompolitik ist, abgesehen von Bekenntnissen dazu in den nationalen Medien, nur leider kaum sichtbar.

Fehlende Anti-Atompolitik und mangelndes Engagement im Bereich Energieeffizienz und Erneuerbare Energien (Ökostromgesetz!) führen dazu, dass Österreichs ablehnende Haltung zur Kernenergie auch international lediglich ein Schlagwort ist, weil Österreich weiterhin von Atomstromimporten abhängig bleibt.

Neben dem Umweltminister, der grundsätzlich für Anti-Atompolitik zuständig ist, sind von diesen offenen Fragen zur Anti-Atompolitik auch der Außenminister (int. Verträge), die Justizministerin (Haftung), der Wirtschaftsminister (Energiepolitik) und der Bundeskanzler (Koordination der Regierungsarbeit) zuständig.

Fehlende Nuklearinformationsverträge:

Österreich hat bisher nur mit einem Teil der o.a. Staaten bilaterale Nuklearinformationsverträge abgeschlossen. Das bedeutet unter anderem, dass Pläne, Programme und Konzepte zum Ausbau der Kernenergie, zu bestehenden bzw. geplanten Kernanlagen, zu Aspekten des Strahlenschutzes und zu Entwicklungen bzgl. Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle den österreichischen Behörden nicht aus direkten Kontaktnahmen bekannt sind und eine Reaktion auf bilateraler, multilateraler bzw. EU-Ebene nur sehr zeitverzögert, wenn überhaupt stattfinden kann. Ebenso sind vor allem im Falle von Zwischenfällen in Kernanlagen keine direkten Behördenkontakte möglich und erst ein Abwarten auf andere internationale Meldesysteme angezeigt.

Ungenügende Atomhaftung

Betreffend die Vorlage der gesetzlich verpflichtenden periodischen „Berichte über die Entwicklung der internationalen Haftungsinstrumente für Atomschäden" (lt. § 30 Atomhaftpflichtgesetz ) an den Nationalrat ist zudem die Regierung weiter säumig. Es ist der Bundesregierung bisher nicht gelungen, die ungenügende Haftung von Betreibern und Betreiberstaaten europaweit zum Thema zu machen. Ungenügende Atomhaftung stellt nicht nur eine entscheidende Frage für den Schadensersatz potentiell betroffener Österreicherinnen und Österreicher, sondern auch eine Marktverzerrung durch indirekte Förderung der Nuklearenergienutzung dar!

Fehlende Allianz kernkraftwerksfreier Staaten Europas

Eine „Allianz der kernkraftwerksfreien Staaten Europas" könnte die Notwendigkeit der umfangreichen Betreiberhaftung für direkte und indirekte Folgeschäden aus der Freisetzung von Radioaktivität aus Kernanlagen und offene Sicherheitsfragen (Endlagerung, Entsorgung, Dekommissionierung...) auf europäischer Ebene schon längst einfordern. Der Austausch kernenergierelevanter Informationen zwischen kernenergiekritischen Staaten wäre insbesondere auf Beamtenebene wichtig, um gemeinsame Initiativen auf EU- bzw. multilateraler Ebene zu fördern. Dazu gehört der Austausch sicherheitsrelevanter Studien, Gesetze bzw. Initiativvorschläge im Bereich Abfallstrategien, Strahlenschutz, Notfallsvorsorge, Frühwarnsystem, Methoden zur Risikoabschätzung, haftungsrelevante Fragen etc. Es sind aber keine Vorstöße Österreichs zur Gründung einer solchen Allianz erkennbar.

Mangelhafte Sicherheitsrichtlinie

Die Europäische Nuklearsicherheitsrichtlinie wurde im EU-Umweltministerrat mit der Stimme Österreichs beschlossen werden. NGOs und Grüne sehen diese Richtlinie skeptisch, weil sie lediglich den unbefriedigenden Status quo festschreibt. Die Richtlinie umfasst nicht den gesamten Brennstoffkreislauf- Uranabbau (Cz), Brennelementfertigung, Zwischen- und Endlager sind von der Richtlinie nicht umfasst. Auch die Gefährdung von Nuklearanlagen durch Flugzeugabstürze oder Terroranschläge wird nicht erwähnt und die Frage der Nuklearhaftung bleibt weiter ausgespart. Die Richtlinie regelt lediglich die Einrichtung (ohnehin vorhandener) „unabhängiger" staatlicher Aufsichtsbehörden, die sich in l0Jahres-Abständen selbst kontrollieren.

Kontraproduktive Energiepolitik österreichischer EVUs

Die Aktivitäten der sich im mehrheitlichen Besitz der öffentlichen Hand befindlichen österreichischen Elektrizitätswirtschaft konterkarieren eine glaubwürdige kernenergiekritische Haltung, wenn z.B. neue Starkstromleitungsprojekte zu AKW-Betreiberstaaten wie Tschechien und Ungarn/Slowakei realisiert werden, die eine Ausweitung der Stromimporte zum vornehmlichen Zweck haben.

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.   Mit welchen der angeführten Staaten finden derzeit Verhandlungen über den Abschluss eines Nuklearinformationsabkommen statt, wie ist der jeweilige Stand der Verhandlungen und wann ist mit einem Abschluss zu rechnen?

1.  Italien

2.                  Frankreich

3.                  Großbritannien

4.                  Estland

5.                  Kroatien

6.                  Albanien

7.                  Mazedonien

8.                  Ukraine

9.                  Rumänien

10.           Bulgarien

11.           Finnland

12.           Schweden

13.           Belgien

14.           Niederlande

15.           Russland

2.   Welchen aktuellen Informationsstand haben Sie zu den u.a. aktuellen AKW-Projekten und welche Schritte werden Sie dazu unternehmen:

1.        Neuer Block am Standort Dukovany in Tschechien

2.        Block 3 & 4 des AKW Mochovce in der Slowakei

3.        Neuer Block am Standort Bohunice in der Slowakei

4.        Erweiterung des AKW Paks, Ungarn

5.        Neubauprojekt AKW Penly, Frankreich

6.        3 neue Reaktoren in der Schweiz

7.        Ein erstes AKW in Weißrussland

8.        AKW Kaliningrad

 

3.   Wann wurden bzw. werden die Berichte lt. § 30 Atomhaftungsgesetz (2001, 2004, 2007) dem Nationalrat und dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt?

4.   In der Anfragebeantwortung Nr. 2399/AB-BR/2008 führte die damalige Außenministerin Plassnik (zu Frage 5 und 8) an, dass das AtomHG 1999 in wesentlichen Grundsätzen von den bestehenden Regimen des internationalen Atomhaftungsrechts, deren Vertragsparteien die Nachbarstaaten sind, abweicht. „Expertengespräche haben ergeben, dass Verhandlungen mit Nachbarstaaten betreffend die Anerkennung des AtomHG 1999 nicht erfolgsversprechend sind, da das österreichische Atomhaftungsrecht aus Sicht des Geschädigten wesentlich günstiger ist.“ Es sei jedoch bereits auf Basis der geltenden Regelungen des österreichischen Atomhaftungsgesetzes möglich, im Falle von Schäden, die in Österreich eintreten, Haftungsansprüche vor einem österreichischen Gericht geltend zu machen.

1.                  Wird eine Anerkennung des Österr. Atomhaftungsgesetzes durch andere Staaten, insbesondere solche, in denen AKWs betrieben werden, noch angestrebt?

2.                  Werden diesbezüglich Verhandlungen geführt? Wenn ja, mit welchen Staaten?

3.                  Unter welchen Umständen können die angeführten Haftungsansprüche vor einem österreichischen Gericht geltend gemacht werden?

5.   Welche bilateralen Gespräche wurden seit Beginn dieser Regierungsperiode von Ihnen mit Vertretern der unter Punkt 1 und 2 angeführten Staaten offiziell geführt?

1.        Bei welchen dieser Gespräche haben Sie österreichische Bedenken gegen die AKW-Pläne dieser Länder thematisiert und mit welchem Ergebnis?

2.        Bei welchen dieser Gespräche haben Sie die Frage eines abzuschließenden Nuklearinformationsabkommens und/oder Fragen des Nuklearhaftungsrechtes erörtert?

6.   Beabsichtigen Sie die Ausarbeitung von Abkommen mit kernenergiekritischen Staaten, wie Dänemark, Irland, Portugal, Luxemburg, Norwegen und Griechenland, die den Informationsaustausch, die Entwicklung gemeinsamer Initiativen auf EU- bzw. multilateraler Ebene, den Austausch sicherheitsrelevanter Studien, Gesetze bzw. Initiativvorschläge im Bereich radioaktive Abfallstrategien, Strahlenschutz, Notfallsvorsorge, Frühwarnsystem, Methoden zur Risikoabschätzung, Haftungsrelevante Fragestellungen und Ähnliches zum Inhalt haben?

1.     Wenn ja:

      i       was ist der Ausarbeitungsstand einschlägiger Abkommen

      ii       mit welchen Staaten wurden einschlägige Konsultationen bereits geführt

     iii       bis wann ist jeweils mit dem Abschluss eines entsprechenden Abkommens zu rechnen.

2.     Wenn nein:

     i.       welche Alternativstrategie haben Sie, um ein koordiniertes Vorgehen kernenergiekritischer Staaten auf EU- und multilateraler Ebene begründen zu können?

     ii.       Wie stellen Sie sicher, dass die Bundesregierung über den aktuellen Stand oben angeführter Aspekte laufend auf dem jeweils aktuellen Stand ist?

7.   Wann haben sie in der laufenden Legislaturperiode mit AmtskollegInnen aus europäischen kernenergiekritischen Konsultationen zu kernenergierelevanten Themen durchgeführt, Was waren deren Inhalt und Ergebnisse?

8.   Sie haben die „Durchsetzung“ der Leitung von Wien-Südost nach Györ als eine der „Leistungen“ bezeichnet, die die Bundesregierung beim EU-Rat durchgesetzt hat. In der sog. KEMA-Studie (Analysis of the network capacities and possible congestion of the electricity transmission networks within the accession countries) wird die Leitung Wien-Südost - Györ als Teil der Verbindung Österreich-Slowakei angeführt.
Welchem Zweck soll diese Leitung nun definitiv dienen?

1.        Wie hoch beläuft sich der jährliche Stromhandel Österreichs mit

a.   Ungarn?

b.   mit welchen anderen Ländern über die Leitung Wien- Südost- Györ?

2.        Wurde die Leitung seit Beginn ihrer Inbetriebnahme für den Import von Elektrizität nach Österreich bzw. für Transitgeschäfte genutzt? Eine über die Nutzungsdauer ausgegliederte Darstellung zwischen Import/Export und Transit wird hierfür erwünscht.

3.        Welche potentiellen Strom-Exportkapazitäten Ungarns können mit dieser Leitung nach Österreich geführt werden?

4.        Welche potentiellen Strom-Exportkapazitäten ergeben sich für die Slowakei aus dem geplanten Ausbau des KKW Mochovce?

5.        Welchen Informationsstand besitzen Sie bzgl. vorgesehener Leitungsbauprojekte zwischen Ungarn und der Slowakei, die eine Verknüpfung mit der gegenständlichen Leitung Wien-Südost-Györ zum Inhalt haben?

6.        War die Leitung Wien-Ost - Györ auch Thema bei Ihrem Treffen mit Premierminister Fico im Frühjahr 2009?

7.        Sind für die Errichtung dieser Leitung nationale Fördermittel vorgesehen? Wenn ja, welche?

 

9.   Die Europäische Nuklearsicherheitsrichtlinie wurde im EU-Umweltministerrat mit der Stimme Österreichs beschlossen werden. NGOs und Grüne sehen diese Richtlinie kritisch, weil sie lediglich den unbefriedigenden Status quo festschreibt. Worin sehen Sie die Vorteile dieser Richtlinie?

10. Für welchen der derzeit gefährlichsten Reaktoren Europas würde durch die Sicherheitsrichtlinie Handlungsbedarf für Betreiber oder (angeblich) unabhängige Aufsichtsbehörden entstehen, die zu einer Schließung der Anlagen führen könnten?

 

1.              Fessenheim (F)

2.              Biblis (D)

3.              Krümmel(D)

4.              Temelin(CZ)

5.              Dukovany(Sk)

6.              Mochovce (Sk)

7.              Krsko(Slo)

11. Die Richtlinie umfasst nicht den gesamten Brennstoffkreislauf- Uranabbau (Cz), Brennelementfertigung, Zwischen- und Endlager. Auch die Gefährdung von Nuklearanlagen durch Flugzeugabstürze oder Terroranschläge wird nicht erwähnt und die Frage der Nuklearhaftung bleibt weiter ausgespart. Werden Sie diese Bereiche noch in die Sicherheitsrichtlinie hineinreklamieren?

12. Sehen sie in der 10jährigen Selbstkontrolle der nationalen Nuklearsicherheitsbehörden einen Fortschritt zum Status quo? Wenn ja, welchen?

13. Welche über den Stand der IAEA-Safety Guidelines (die jedoch lediglich empfohlen werden) hinausgehenden Sicherheitsanforderungen sind im vorliegenden Richtlinienentwurf enthalten? Wo sehen Sie hier die Verbesserungen des Status quo durch die EU-Sicherheitsrichtlinie?