2711/J-BR/2009

Eingelangt am 23.07.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der Bundesräte Mitterer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend die Millionenverluste der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur

 

Die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) hat bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007 die Bundesgelder nicht nur relativ einseitig veranlagt sondern offenbar auch extra "Spielgeld" aufgenommen,“ so die beunruhigende Einleitung einer APA-Aussendung vom 17. Juli 2009, die vorerst den jüngsten negativen Höhepunkt der Meldungen über die durch die Bundesfinanzierungsagentur verursachten Spekulationsverluste darstellt und zurecht das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Finanzgebarung des Bundes zutiefst und nachhaltig erschütterte.

Dies nicht zuletzt deshalb, da noch im Februar dieses Jahres der Bundesminister für Finanzen in der Beantwortung der Anfrage 396/J der Grünen vom 9.12.2008 ausführte:

 

Nach Angaben der Geschäftsführung der ÖBFA betreibt diese eine sehr konservative Veranlagungsstrategie, um die Risken für den Bund möglichst gering zu halten. Dabei beachtet die ÖBFA insbesondere das entsprechende Rating jener Adressen, bei denen sie veranlagt und legt daher die Geschäftsführung der ÖBFA großen Wert auf die Feststellung, dass sie keine Spekulation betreibt. Aufgrund dieser vorsichtigen Veranlagungsstrategie verzichtet die ÖBFA auf mögliche höhere Veranlagungserträge, die allerdings mit einem entsprechend höheren Veranlagungsrisiko für den Bund verbunden wären. Die budgetären Auswirkungen dieses Verzichtes auf höhere Veranlagungserträge in Kombination mit einem höheren Risiko hängen von entsprechenden angenommenen Vergleichsparametern ab. Ergänzend hält die Geschäftsführung der ÖBFA fest, dass sich das durch die konjunkturelle Abschwächung gesunkene Zinsniveau dämpfend auf die vom Bund zu leistenden Zinszahlungen auswirkt.“ (Anfragebeantwortung 440/AB XXIV.GP, Antwort zu den Fragen 9, 18, 19 und 20)


Angesichts der in diesem Zusammenhang vom Rechnungshof dargestellten Zahlen muss die Geschäftsführung der ÖBFA offensichtlich und vorsichtig ausgedrückt einen etwas differenzierten Zugang zum Begriff konservative Veranlagungsstrategie haben.

So veranlagte laut Rechnungshofbericht die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur –oder besser Bundesspekulationsagentur – um zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften am Geldmarkt aufgenommene Mittel, was dazu führte, dass nunmehr mit Stand Dezember 2008 dem Bund und damit dem Steuerzahler ein finanzieller Nachteil von rund 380 Mio. Euro entstand.

Der Grund dafür liegt insbesondere in der Tatsache, dass Veranlagungen sehr hoher Beträge von bis zu 10,78 Mrd. Euro in von der US-Subprime-Krise besonders gefährdeten Wertpapieren erfolgte.

Vor dem Hintergrund dieser aus Sicht der Bundesfinanzierungsagentur „konservativen“ Veranlagungsstrategie, die zu Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe führen kann, wagen es die unterfertigten Bundesräte nicht, sich auszumalen, was wohl im Falle der Anwendung einer spekulativen Veranlagungsstrategie durch die ÖBFA geschehen wäre.

 

Dramatisch – und nicht gerade wie die Beschreibung einer konservativen Anlagestrategie -liest sich die diesbezügliche Kritik des Rechnungshofes, wenn er in seinem Bericht festhält, dass „es der ÖBFA nicht gelang, den potentiell hohen US-Immobilien- und US-Subprime-Anteil dieser ABCP zur Refinanzierung von SIV rechtzeitig zu erkennen, und dann wörtlich anschloss:

Dadurch war der Bund auch zu einer Zeit, als die Krise bereits in voller Ausbreitung begriffen war, in unvertretbar hohem Ausmaß in besonders gefährdeten ABCP zur Refinanzierung von SIV (außerbilanzielle Zweckgesellschaft) veranlagt.“

Dass seitens der ÖBFA hier offensichtlich falsch gehandelt wurde, bestätigt der Rechnungshof, wenn er unmissverständlich festhält, dass es der ÖBFA durch bessere Diversifikation und verstärkte Krisentests sehr wohl hätte gelingen können, die besondere Gefährdung der vom Bund gehaltenen ABCP zu erkennen.

 

Jedoch konnte nicht einmal die Konfrontation des Bundesministeriums für Finanzen mit diesen drohenden dramatischen Verlusten bei den Verantwortlichen Einsicht hervorrufen. Entgegen den Ankündigungen des BMF wurden entsprechende Empfehlungen des Rechnungshofes nach wie vor nicht umgesetzt.

 

Finanzministerium ignoriert Empfehlung des Rechnungshofes trotz Umsetzungszusage

 

So kritisierte der Rechnungshof unter anderem, dass durch die geltende Regelung des § 4 Bundesfinanzierungsgesetz bei der Geschäftsführung das Vier-Augen-Prinzip nicht in vollem Umfang gewährleistet sei, und empfahl daher zurecht, dem Bundesministerium für Finanzen auf eine Änderung der gesetzlichen Bestimmung hinzuwirken!

Man werde es im Rahmen der Budgetbegleitgesetze 2009 umsetzen,“ so die vollmundige Ankündigung des Finanzministeriums. Allein es folgten keine Taten!

Im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes erfolgte keine Umsetzung!“, ist im Rechnungshofbericht zu lesen, obwohl es sich beim Budgetbegleitgesetz 2009 um eine Regierungsvorlage handelt.


Finanzministerium lässt sich trotz hoher dreistelliger Millionenverluste Zeit mit Gegensteuerungen

 

Des weiteren empfahl der RH, dem Bundesministerium für Finanzen auf eine Änderung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen dahingehend hinzuwirken, dass das neue Rechnungswesen in Zukunft im Sinne des Grundsatzes der Budgetwahrheit eine getreue Darstellung der finanziellen Lage des Bundes und damit seiner Vermögenswerte sowie Forderungen nach ihrem wahren wirtschaftlichen Wert vermitteln.

 

Wie ernst es dem Bundesminister für Finanzen ist, zumindest künftig solchen Schaden von den Österreicherinnen und Österreichern abzuwenden, zeigt die frivole Antwort, dass man die genannte Empfehlung erst im Zuge der zweiten Etappe – also ab 2013 der Haushaltsrechtsreform umzusetzen gedenke.

 

Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass der Finanzminister erst ab 2013 (sprich in vier Jahren oder erst nach Ende dieser Gesetzgebungsperiode) an einer getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes und seiner Vermögenswerte interessiert ist.

 

Dass die Kritik an diesem Spekulationsskandal längst kein Ausfluss oppositioneller Reflexe ist, zeigt insbesondere die Reaktion des Koalitionspartners SPÖ.

Mit Steuergeld dürfe nicht „gezockt“ werden, so Bundeskanzler Faymann in einem Kommentar zu den Spekulationsgeschäften der ÖBFA.

 

Der SPÖ-Klubobmann Josef Cap erwartete sich bereits am 15.07.2009 „von Finanzminister Josef Pröll klare Worte zum hoch riskanten Investitionsverhalten der Bundesfinanzierungsagentur.“ Denn, so Cap weiter, sei es Aufgabe der Finanzierungsagentur des Bundes, mit öffentlichen Geldern wirtschaftlich umzugehen und Risiken sorgfältig einzuschätzen, aber nicht hochriskant zu spekulieren.

 

Noch deftiger wird es bei SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer, der „die enormen Spekulationsverluste  der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur ÖBFA“ völlig zurecht als „dramatisch und unverantwortlich" bezeichnete.

 

Es ist unfassbar, wie hier unter Finanzminister Molterer in Casino-Manier munter drauf los spekuliert worden ist.“

 

Der Oberösterreichische SPÖ-Chef Erich Haider fordert gegenüber Österreich am 20.07.2009 Konsequenzen von Josef Pröll, denn „es ist schließlich der Gegenwert von 44.000 Pensionen verspekuliert worden. 10.000 Jugendliche hätten für zwei Jahre Vollbeschäftigung gehabt - so hoch sind die Verluste. Es wurde mit dem halben Barvermögen der Republik spekuliert".

 

Da gerade die derzeitige Situation keinen Aufschub duldet, die Österreicherinnen und Österreicher ein Anrecht darauf haben, reinen Wein hinsichtlich der Verwendung ihrer Steuergelder eingeschenkt zu bekommen und im Sinne einer umfassenden Information des Bundesrates in Zusammenhang mit den Spekulationsgeschäften der ÖBFA stellen die unterfertigten Bundesräte und Bundesrätinnen an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

 

Dringliche ANFRAGE:

 

 

1) Zu welchem Zeitpunkt wurden Sie von den sich abzeichnenden finanziellen Nachteilen durch die Veranlagung der ÖBFA in hoch riskante Wertpapiere informiert?

 

2) Von wem wurden Sie konkret darüber informiert?

 

3) Welchen konkreten Inhalts waren die Ihnen zugegangenen Informationen?

 

4) Welche Schritte haben Sie in der Folge gesetzt, um ab dem Zeitpunkt ihrer Kenntnisnahme von den Vorgängen die Veranlagung in hoch gefährdete Wertpapiere zu verhindern?

 

5) Aus welchem Grund wurde trotz Ihrer Ankündigung, die Empfehlung des Rechnungshofes in Hinblick auf gesetzliche Änderungen zur Sicherstellung des Vier-Augenprinzips in der ÖBFA im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2009 doch nicht umgesetzt?

 

6) Wann gedenken Sie die entsprechende Empfehlung des Rechnungshofes hinsichtlich des Vier-Augenprinzips umzusetzen?

 

7) Aus welchem Grund wollen Sie eine getreue Darstellung der finanziellen Lage des Bundes und seiner Vermögenswerte erst im Zuge der zweiten Etappe der Haushaltsrechtsreform und somit erst ab 2013 ermöglichen?

 

8) Wurde der vom Rechnungshof in Zusammenhang mit der Veranlagung von Kassamitteln geforderte Stress- und Krisentest bereits eingeführt?

 

8a) Wenn ja, wann?

 

8b) Wenn nein, warum noch nicht?

 

8c) Wenn nein, wann ist mit einer entsprechenden Einführung von Stress- und Krisentests zu rechnen?


9) Mit welchen finanziellen Auswirkungen aufgrund der Finanzkrise rechnet die

ÖBFA insgesamt bei ihrer eigenen Anlagestrategie? Welche Auswirkungen

ergeben sich daraus auf das Budget des Bundes?

 

10. Können Sie ausschließen, dass die ÖBFA in Steueroasen – ähnlich wie in die

Kommunalkredit AG in Zypern - spekuliert hat?

 

11. Wenn nein, mit welchem maximalen Konsolidierungsbedarf rechnen Sie bei der

ÖBFA?

 

12. Welche Auswirkungen hätte das auf das Budget in den nächsten drei Jahren?

 

13. Wie erklären Sie sich die Berichte in österreichischen Tageszeitungen, wonach die ÖBFA in drei „Structured Investment Vehicles (SIV)“ mit Sitz auf den Cayman Islands investiert hat?

 

14. Warum haben diese SIV ihren Sitz auf den Cayman Islands?

 

15. Wie ist das Risiko jener umgeschichteten Veranlagungen einzuschätzen, die die ÖBFA im Zuge der Restrukturierungen der im Jahr 2007 notleidend gewordenen Forderungen in Höhe von 691 Mio. Euro eingegangen ist?

 

16. Warum haben Sie zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie von den drohenden Verlusten aus der Veranlagung von Kassamitteln im Jahr 2007 und damit zusammenhängend von den Vorhaltungen der Rechnungshofprüfung bereits Kenntnis hatten, in der Beantwortung der Fragen 9, 18, 19 und 20 der Anfrage 396/J des Abgeordneten Kogler, Freundinnen und Freunde vom 9.12.2008 noch immer von „konservativer Veranlagungsstrategie“, „keine Spekulation“, „vorsichtige Veranlagungsstrategie“ und „Verzicht auf mögliche höhere Veranlagungserträge“ gesprochen?

 

17. Warum wurden die ABCP-Veranlagungen von Kassamitteln durch die ÖBFA von Jänner bis August 2007 auf über 10 Mrd. Euro ausgeweitet?

 

18. Wie verträgt sich die im Vergleich zu den Vorjahren enorme Ausweitung der Kassamittel des Bundes (Kassenstärker) im Jahr 2007 und damit zusammenhängend die Ausweitung der Veranlagungen mit der in § 40 Absatz 1 BHG normierten Regelung, wonach die zur Leistung der Ausgaben des Bundes notwendigen Geldmittel nur in dem Ausmaß bereitzustellen sind, als dies zur Erfüllung fälliger Verpflichtungen erforderlich ist?


19. Warum wurden von April bis September 2007 gerade die Veranlagungen im Bereich der Asset Backed Commercial Papers (ABCP) ohne Liquiditätsgarantie von 0,815 Mrd. Euro auf 4,922 Mrd. Euro ausgeweitet?

 

20. Wie erklären Sie sich diese Ausweitung vor dem Hintergrund der bereits Mitte 2006 erkennbar einsetzenden US-Immobilien und US-Subprime-Krise?

 

21. Wäre es nicht - gerade vor dem Hintergrund der bereits Mitte 2006 erkennbar einsetzenden US-Immobilien und US-Subprime-Krise - Aufgabe eines professionell agierenden Schuldenmanagements gewesen, eigene Krisentests in Bezug auf die erworbenen Finanzprodukte – wie vom Rechnungshof eingefordert – durchzuführen, anstatt sich blind auf die Einschätzung der Rating Agenturen zu verlassen?

 

22. Wie verteilt sich der Nettoertrag von 685 Mio. Euro aus der Veranlagung von Kassamitteln auf die einzelnen Jahre zwischen 1998 und 2008?

 

23. Welche Volumina an Kassamitteln wurden in den jeweiligen Jahren seit 1998 veranlagt?

 

24. Welchen Anteil hatten in jeweiligen Jahren die ABCP-Veranlagungen?

 

25. Sind in dieser Nettoertragsrechnung die Finanzierungskosten (Zinsaufwand, sonstiger Aufwand) für die Aufnahme der Kassamittel inkludiert?

 

26. Wie hoch ist der Zinsaufwand bzw. sonstige Aufwand für die aufgenommenen Kassamittel in den jeweiligen Jahren 1998 bis 2008?

 

27. Wie kommt die Minderung des Zinsaufwandes in Höhe von 3,024 Mrd. Euro durch den Einsatz von Derivativgeschäften für den Zeitraum 2002 bis 2007 zustande?

 

28. Welche Annahmen hat die ÖBFA diesen Berechnungen zugrunde gelegt?

 

29. Wie verteilt sich diese Minderung des Zinsaufwandes auf die Jahre 2002 bis 2007?

 

 

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 61 Abs.3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung die Dringliche Behandlung dieser Anfrage verlangt.