2729/J-BR/2009

Eingelangt am 23.11.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Mühlwerth, Schennach, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

betreffend die aktuelle Situation an Österreichs Universitäten

Die Investition in die wissenschaftliche Ausbildung der jungen Menschen ist die einzige Investition mit sicherer Verzinsung.“

In der Forschung ist es wie im Spitzensport: Österreich braucht eine solide Breite, die auf gutem Niveau möglichst viel erreicht, um sich dann in einigen Bereichen zu Spitzenleistungen weiterzuentwickeln.“

(aus Visionen. Perspektiven. Strategien > Zur Zukunft der Universitäten, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung)

Die Probleme an den österreichischen Universitäten sind vielfältig: Zugangsbeschränkungen in den Fächern Medizin, Psychologie, Tiermedizin, Zahnmedizin, Betriebswirtschaft, Kommunikationswissenschaften und Publizistik; mangelnde Ausstattung (Labors, Seminarräume, Hörsäle, etc.) - zu wenig Lehrende und Studienplätze in einzelnen Studienrichtungen. Dies alles führt zu langen Wartezeiten auf einen Studienplatz und hindert die Studierenden an der Weiterführung des Studiums. Rund zwei Drittel der Studierenden gehen einer Erwerbsbeschäftigung nach. Einerseits um das Studium finanzieren zu können, andererseits um bereits während des Studiums Berufserfahrung sammeln zu können. Aus diesen Gründen verlängert sich oft die Studiendauer oder führt zum Abbruch des Studiums (Drop-Out“)

Der Nationalrat hat mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, FPÖ und BZÖ am 24. September 2008 beschlossen, dass durch öffentliche und private Investitionen die Budgets für den tertiären Bildungssektor ab dem Jahr 2009 bis spätestens 2020 auf 2 % des BIP erhöht werden sollen, nunmehr wollen wir, dass dieses Ziel bis 2015 erreicht wird.

Es wurde am gleichen Datum ebenfalls vom Nationalrat beschlossen, dass die Betreuungsrelation von Lehrenden und Studierenden verbessert werden soll und neue attraktive Angebote für berufstätige Studenten, wie Teilzeitstudium und E-Learning, eingerichtet werden.


Es sind Maßnahmen zu setzen, die die Qualität der Lehre und Forschung steigern, sowie zu lange Studienzeiten und Drop-Out Raten auf ein Minimum reduzieren. Soweit der Beschluss des Nationalrates vor knappen 12 Monaten.

Die nachfolgenden 12 Punkte erscheinen den unterzeichnenden Bundesrätinnen und Bundesräten besonders wichtig.

 

1.   Festhalten am Prinzip der forschungsgeleiteten Lehre, keine Klassenzimmeruniversität“

Die Akzentuierung der Einheit von Forschung und Lehre im posthumboldtschen Zeitalter stellt keine nostalgische Rückwendung, sondern die Grundlage für eine zeitgemäße Form der wissenschaftlichen Ausbildung dar, die einer zunehmend verwissenschaftlichten Berufsarbeit (auch außerhalb der Universität) in der globalen Wissensgesellschaft angemessen ist. Es unterscheidet der Grundsatz einer forschenden und verantwortlichen Grundhaltung bei der Vermittlung und dem Erwerb von Wissen in und durch die Lehre die universitäre Bildung von anderen Formen der Ausbildung und verleiht der Universität ihre Unverwechselbarkeit.

Das Bekenntnis zur Realisierung der Einheit von Forschung und Lehre gründet sowohl auf einem diskursiven Verständnis von Wissen und Prozessen der Wissensgenerierung, als auch auf dem Gedanken des wechselseitigen Impetus, den die Forschung dem Fortschritt der Lehre und die Lehre der Entwicklung der Forschung bieten kann. Die Lehre schließt unmittelbar an die Forschungsbereiche an und orientiert sich am wissenschaftlichen Diskurs. Demzufolge ist universitäre forschungsgeleitete Lehre stets in Entwicklung und für den Prozess der Wissensgenerierung von Bedeutung. In der universitären Lehre werden neue Erkenntnisse, Theorien, Modelle und Methoden fundiert vermittelt, kritisch hinterfragt und im Diskurs zwischen Studierenden und Lehrenden weiterentwickelt

Die Vermittlung einer forschenden Grundhaltung der Studierenden ist als Basis für die Gestaltung von forschungsgeleiteter Lehre aufzufassen. Daraus resultiert eine Fokussierung auf studentische Lernaktivitäten, die durch fragen- bzw. problemorientierte und kooperative Lernformen sowie auch durch die Integration von Studierenden in Forschungsaktivitäten vermittelt ist. Die forschungsgeleitete Lehre prägt das Lehr-/Lernkonzept, und damit die Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden.

(Brigitte Kossek, Center for Teaching and Learning / CTL, April 2009)

2.   Freier Hochschulzugang ohne Zugangsbeschränkungen

Wir bedauern, dass Zugangsbeschränkungen offenbar EU-konform sind und scheinbar innerhalb der EU einen akzeptierten Weg darstellen. Wir treten gegen diese Zugangsbeschränkung, die hauptsächlich österreichische Studierwillige vom Studium ausschließt, auf.

Der freie Hochschulzugang ist ein unverzichtbarer Bestandteil des österreichischen Bildungswesens. Die Matura ist als alleinige Voraussetzung für ein Studium völlig ausreichend. Ausnahmen darf es nur für Kunst- oder Sportstudien geben, wo spezifische Voraussetzungen unabdingbar sind.


Die Curricula sind so zu gestalten, dass die Eignung und Berufung des Studierenden für das gewählte Studium bereits in den ersten Semestern überprüft wird, wobei es zu  keine  Studienverlängerung  kommen  darf.  Zum  Beispiel  könnte  es für das Medizinstudium ein zweisemestriges Pflichtpraktikum in der Kranken- und Altenpflege geben.

3.   Oberstufenreform

Eine Oberstufenreform ist dringend notwendig, da die Maturantinnen und Maturanten vielfach nicht die notwendige Qualifizierung aufweisen, die sie befähigen würde, ein Universitätsstudium erfolgreich zu absolvieren.

4.   Evaluierung der Tätigkeit des Universitätsmanagements mittels Kunden“-Studierendenbefragung

Das Universitätsmanagement hat vielfach von den Problemen und Bedürfnissen seiner Kunden“, der Studierenden, keine Kenntnis. Wie jedes moderne Unternehmen sollten die Universitäten das Instrument der Kundenbefragung nutzen, um besser auf die Notwendigkeiten eingehen zu können.

5.   2% BIP Ziel bis 2015 - das heißt Universitätsmilliarde

Der Nationalrat hat mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, FPÖ und BZÖ am 24. September 2008 beschlossen, dass durch öffentliche und private Investitionen die Budgets für den tertiären Bildungssektor ab dem Jahr 2009 bis spätestens 2020 auf 2 % des BIP erhöht werden sollen, nunmehr wollen wir, dass dieses Ziel bis 2015 erreicht wird.

Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode, das SPÖ und ÖVP beschlossen haben, enthält im Kapitel Wissenschaft und Forschung eine Rücknahme bzw. Relativierung der am Ende der letzten GP beschlossenen Maßnahmen im Universitätsbereich. Verschärft wird die Situation im Universitätsbereich auch deshalb, weil die im Regierungsprogramm in Aussicht genommenen Maßnahmen unter Budgetvorbehalt stehen.

FPÖ-Wissenschaftssprecher Martin Graf forderte bereits am 28.10. eine Universitätsmilliarde zur Beseitigung der untragbaren Bedingungen an den Universitäten. Das Geld soll einerseits verwendet werden, um die Kapazitäten in Lehre und Forschung zu erhöhen. Andererseits muss in zusätzliche Infrastruktur investiert werden. “Es muss sichergestellt sein, dass in Österreich jeder studieren darf, was er will, sofern er die dafür nötigen Qualifikationen aufweist“. Damit werden Zugangsbeschränkungen und auch Studiengebühren, die von Noch- Wissenschaftsminister Hahn nun erneut in die Diskussion eingebracht werden, abgelehnt. Dieser Forderung nach der Universitätsmilliarde“ sind nun auch schon der Präsident der Universitätenkonferenz Badelt und der Wiener Bürgermeister Häupl gefolgt.


Seit nunmehr über zwei Wochen protestieren Studenten in ganz Österreich für bessere Studienbedingungen, gegen Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren. Tausende sind vergangene Woche auf die Straße gegangen.

Sie als zuständiger Minister haben versucht, die Universitäten und die protestierenden Studierenden mit einem Almosen“ von 34 Millionen Euro abzufertigen, das noch dazu dem im Budget 2009 für die Universitäten reservierte einem Prozent entspricht. Das sind Mittel, die ohnehin bereits den Universitäten gewidmet sind, die nur in der Ausschüttung verzögert wurden.

Dies stellt eine völlig unzureichende Alibimaßnahme dar und ist bestenfalls dazu geeignet, die jetzt noch stillhaltenden Teile der universitären Gemeinschaft ebenfalls zu Protesten zu provozieren.

Mit Ende der regulären Inskriptionsfrist Ende Oktober 2009 waren 13 Prozent mehr Studenten an den österreichischen Universitäten inskribiert als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs, die Zahl der Studienanfänger ist um rund 14 Prozent gestiegen. Dies zeigen Zahlen des Wissenschaftsministeriums.

Insgesamt waren Ende Oktober knapp 253.000 Studenten inskribiert, darunter rund 47.000 Anfänger. Die Unis haben die reguläre Inskription mit 31. Oktober beendet. Es folgt noch eine einheitliche Nachfrist bis Ende November. Trotzdem wird aber die Anfang Oktober prognostizierte Zahl von 300.000 Studenten klar verfehlt.

Der von Ihnen für 25.11. einberufene "Hochschuldialog" kann somit kurz vor Weihnachten auch keine konkreten Maßnahmen für das laufende und das darauffolgende Semester erwirken und muss somit lediglich als Ihre Adieu"-Rede als Minister gesehen werden.

6. zusätzliche Studienplätze für österreichische Studierende, mit dem Ziel, 300.000 Studienplätze im Jahr 2015

Insgesamt waren Ende Oktober knapp 253.000 Studenten inskribiert, darunter rund 47.000 Anfänger. Die Unis haben die reguläre Inskription mit 31. Oktober beendet. Es folgt noch eine einheitliche Nachfrist bis Ende November. Trotzdem wird aber die Anfang Oktober prognostizierte Zahl von 300.000 Studenten klar verfehlt.

Die Bundesregierung muss Vorsorge treffen hinsichtlich Lehrpersonal und Infrastruktur für das Ziel, bis 2015 insgesamt 300.000 Studienplätze zur Verfügung stellen zu können. Die sowohl von der OECD als auch in diversen Rankings belegte erschütternde Stellung Österreichs im internationalen Vergleich kann nur durch einen nationalen Kraftakt, der dieses Ziel anstrebt, verbessert werden. Alle österreichischen Studierwilligen müssen einen Studienplatz erhalten. Modelle für Ausgleichzahlungen für ausländische Studierende durch die jeweiligen Herkunftsländer sollen entwickelt werden, diese Ausgleichszahlungen sollen direkt den Universitäten zugeführt werden.


7.   Schaffung von 3.000 zusätzlichen Stellen für Lehrpersonal an Österreichs Universitäten bis 2015 - 500 Stellen mehr pro Jahr zur Verbesserung des Betreuungsverhältnisses.

Die Presse“ am 2.11.2009:

Uni-Ranking: Heimische Unis auf den hinteren Rängen“

Das bekannte Shanghai-Ranking der besten Universitäten liefert noch schlechtere Ergebnisse für Österreich wie (sic!) das Ranking der "Times" vor wenigen Wochen. In der aktuellen Liste finden sich sieben heimische Hochschulen in dieser "Weltrangliste" der 500 besten Unis - und zwar recht weit hinten. Den besten Rang ergattert noch die Uni Wien auf Platz 152 bis 200. Genauer wird das nicht aufgeschlüsselt, denn ab Platz 101 wird in 50er- und ab Platz 201 in 100er-Gruppen gereiht. Gegenüber dem Vorjahr konnte sie damit ihre schlechte Platzierung halten.

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Die Uni Wien lag 2005 noch auf Platz 85. Der Grund für den rasanten Absturz ist die Ausgliederung der Medizin-Fakultät, damit verlor sie die Anerkennung der Wiener Medizin-Nobelpreisträger vergangener Jahrzehnte. Und in den vergangenen Jahren konnten sich die österreichischen Unis nicht mit Nobelpreisträgern brüsten. (................................................................................... )

Ein eigenes Kapitel ist auch das in Österreich miserable Betreuungsverhältnis (auf wie viel Studierende kommt ein Uni-Lehrer), gegen das sich momentan auch viele Studenten wehren. Das Jahresbudget der gut gereihten TU München etwa war in den vergangenen Jahren um ein vielfaches höher als das der TU Wien."

Es darf auf den verstärkten Zustrom von Studierwilligen nicht mit dem von der Regierung bevorzugten Mittel der Zugangsbeschränkungen oder überlangen Studieneingangsphasen reagiert werden, sondern es muss diesem Zustrom unter anderem auch mit einer Aufstockung beim Lehrpersonal Rechnung getragen werden. Die Qualität der Ausbildung an Österreichs Universitäten könnte durch diese Maßnahme enorm gesteigert werden, ebenso wird damit das Betreuungsverhältnis an Österreichischen Universitäten deutlich verbessert.

8.   Erhebung der Nebentätigkeiten des Lehrpersonals an Universitäten zwecks weiterer Verbesserung des Betreuungsverhältnisses.

Viele Professoren üben neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität andere berufliche Tätigkeiten aus. Je nach deren Vertragsgestaltung sind auch die Lehrverpflichtungen, Anwesenheiten, Kolloquien und sonstiges geregelt. Es fällt jedoch auf dem universitären Sektor auf, dass die vertraglichen Lehrverpflichtungen nicht immer konsequent eingehalten und auch seitens der Universitätsverantwortlichen nicht konsequent geprüft werden. Es ist zu prüfen, ob diese zusätzlichen Tätigkeiten die Lehr- und Forschungstätigkeit nicht in manchen Fällen überproportional belasten.


In der modernen Wissensgesellschaft ist eine innovationsorientierte Hochschul- und Forschungspolitik für die Schaffung weiterer qualifizierter Arbeitsplätze, für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Stärkung der Innovationskraft Österreichs, für das Wirtschaftswachstum und damit für die soziale Sicherheit von großer Bedeutung. Die österreichischen Universitäten stehen dabei selbst im internationalen Wettbewerb um die besten Studierenden, Lehrenden und Studienbedingungen. Von großer Bedeutung ist es, die Absolventen-Quote zu erhöhen, die Studienabbrecher- Quote zu verringern und die Rahmenbedingungen für die Studierenden und Lehrenden weiter zu verbessern. Dazu gehört, die Qualität von Lehre und Forschung weiterhin zu sichern, Betreuungsrelationen möglichst zu verbessern, um einen zügigen Studienfortgang zu ermöglichen.

9.  Umsetzung des Online-Studiums an allen Universitäten

Auf Grund der oft sehr überfüllten Hörsäle und zu wenigen Lehrenden bieten Online- Studien eine optimale Alternative für Studenten, das Studium von zu Hause im Selbststudium zu erlernen und dann die entsprechenden Prüfungen abzulegen.

Die Universität Linz ist seit 2002 eine Vorzeige-Universität für Online-Studien und bietet das Rechtsstudium auch als Multimedia-Diplomstudium an. Zur Wissensvermittlung werden alle verfügbaren Medien wie Bild, Ton, Schrift, Grafik eingesetzt. Das Studienmaterial steht sowohl elektronisch auf DVD's und gedruckt zur Verfügung; die Studierenden haben die Auswahlmöglichkeit.

Als Hörsaal ist jeder Ort möglich, da die Lehrveranstaltungen, die der Diskussion und der Übung dienen online im Internet abgehalten werden. Der Professor sitzt mit mehreren Studierenden in Linz im Vortragssaal, Kameras übertragen die Lehrveranstaltungen über das Internet, somit ist ganz Österreich Hörsaal. Weltweit, wo immer ein Zugang zum Internet besteht, diskutieren die Studierenden mit und die Vortragenden sehen die Beiträge und Fragen der Studierenden auf dem Bildschirm.

Jede schriftliche Prüfung findet mit derselben Prüfungsaufgabe zur selben Zeit an mehreren von der Universität Linz beaufsichtigten Orten in ganz Österreich statt. Die Studierenden können nach gesonderter Vereinbarung Prüfungen auch in österreichischen oder europäischen Notariaten, weltweit auch in österreichischen Auslandsvertretungen ablegen. Die mündlichen Prüfungen werden mit entsprechender Beaufsichtigung über Videokonferenzen abgelegt.

Die Studierenden können jederzeit über E-Mail, Fax und Telefon mit ihren Professorinnen und Professoren sowie mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Kontakt treten. Die Studierenden richteten im Internet mehrere Chatrooms ein, wo sie sich unabhängig von der Universität untereinander austauschen.

Das Wohn- oder Arbeitszimmer, wo immer in Österreich oder auf der Welt es sich befindet, ist die Universität. Die Studierenden benötigen einen DVD-tauglichen Computer und einen Anschluss an das Internet. Offline bearbeiten sie das Studienmaterial, online nehmen sie an den elektronischen Lehrveranstaltungen teil. An den während des Semesters wöchentlich stattfindenden elektronischen Lehrveranstaltungen können sie über das Internet zum Zeitpunkt der Übertragungen


live“ mitwirken. Die Lehrveranstaltung verbleibt ab dem Zeitpunkt ihrer Abhaltung zwei Wochen im Internet, so dass die Studierenden auch an den elektronischen Lehrveranstaltungen zu jeder ihnen genehmen Zeit teilnehmen können. Stundenpläne, Semester- und Ferieneinteilungen haben so für die Studierenden keine Bedeutung.

Wer bereits berufstätig ist, kann seinen Beruf so viel leichter mit dem Studium vereinbaren. Aber auch Hausfrauen und Hausmännern, die sich der Kindererziehung widmen, steht die Universität offen. Benachteiligten und behinderten Personen, denen ein "Präsenzstudium" nicht oder nur schwer möglich war, kommt die Flexibilität des Multimedia-Studiums entgegen. Berufstätige können das Studium auch als Weiterbildung von ihrem Arbeitsplatz aus nutzen.

10. Schaffung einer studienplatzbezogenen Finanzierung der Lehre an Universitäten

Angesichts steigender Studierendenzahlen, wird von vielen Kommentatoren und Politikern, so auch vom Wissenschaftsminister, behauptet, man könne diesem Zustrom nur mit Zugangsbeschränkungen und der Wiedereinführung der Studiengebühren Herr werden. Das ist falsch, aber es müssen natürlich Maßnahmen gesetzt werden, um diese zweifellos für manche Universitäten und einige Studienrichtungen prekäre Situation zu entschärfen.

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte sind davon überzeugt, dass dem verstärkten Zustrom von Studierwilligen nicht mit dem von der Regierung bevorzugten Mittel der Zugangsbeschränkungen reagiert werden sollte, sondern unter anderem auch mit einer studienplatzbezogenen Finanzierung der Studierenden und Lehrenden an den österreichischen Universitäten Rechnung getragen werden muss. Um das allgemeine politische Bildungsziel von 300.000 Studienplätzen dauerhaft zu sichern und um auch im internationalen Vergleich mithalten zu können, muss für die seit Jahren bekannten Steigerungen Vorsorge getroffen werden.

11. Erstellung einer Gesamtsanierungs- und Neubauplanung inklusive einer Zeit- und Kostenplanung auf Basis einer Evaluierung des Raumangebotes an Österreichischen Universitäten

An praktisch allen österreichischen Universitäten wird über Raumnot geklagt. Vielfach stammen die Gebäude aus dem vorigen Jahrhundert. Die technische Ausrüstung ist für die Erfordernisse der modernen Lehr- und Lernmittel oftmals unzureichend oder auf Grund der Gegebenheiten nur mit großem Aufwand herstellbar.

Es ist daher dringend notwendig, einen Gesamtsanierungs- und Neubauplan für die österreichischen Universitäten zu erstellen. Dieser Plan hat eine Zeit- und Kostenplanung zu enthalten, welche im Zusammenwirken mit der jeweiligen Universität erstellt werden. Ziel ist das allgemeine politische Bildungsziel, 300.000


Studierenden ab 2015 dauerhaft Plätze zu sichern, um auch im internationalen Vergleich mithalten zu können. Basis dieser Planung muss eine Evaluierung der derzeitigen Raumauslastung unter Bedachtnahme auf Entlastungsmöglichkeiten durch organisatorische Maßnahmen sein, die mittelfristig anzustrebenden 300.000 Studienplätze sind ebenfalls zu berücksichtigen. Die Qualität der Ausbildung an Österreichs Universitäten könnte durch diese Maßnahme einen enormen Anschub finden und somit gesteigert werden.

An manchen Universitäten in der EU sind anstelle von Semester, Trimester als Studienzeitmaß im Einsatz. Diese Einteilung ermöglicht eine bessere Lehrraumnutzung bei beschränkter Platzverfügbarkeit.

Da die Hörsäle und Seminarräume bis zu fünf Monate pro Jahr ungenutzt leer stehen, ist zu prüfen, ob dieser Weg auch für Österreichs Universitäten gangbar und zielführend ist.

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte sind der Auffassung, dass dem verstärkten Zustrom von Studierwilligen nicht mit dem von der Regierung bevorzugten Mittel der Zugangsbeschränkungen reagiert werden sollte, sondern unter anderem auch mit einer Offensive bei Sanierung und Neubau von Universitätsgebäuden Rechnung getragen werden muss. Auch die Qualität der Ausbildung an Österreichs Universitäten könnte durch diese Maßnahme enorm gesteigert werden.

12. Evaluierung des Bologna-Prozesses

Das BMWF hat auf seiner Homepage zum Bologna-Prozess unter anderem folgendes veröffentlicht:

Mit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung im Mai 1999 durch die Regierungsvertreter/-innen von 29 europäischen Ländern wurde einer der grundlegenden Reformprozesse in der Geschichte des europäischen Hochschulwesens - der Bologna-Prozess - eingeleitet.

Das wesentliche und außergewöhnliche Element dieses Prozesses besteht darin, dass es sich um eine freiwillige Annäherung der Hochschulsysteme Europas handelt und nicht um ein verbindliches Vertragswerk.

Dadurch bleibt es den einzelnen Staaten überlassen, die Verwirklichung des visionär angedachten europäischen Raumes für höhere Bildung auf die nationalen Gegebenheiten abzustimmen, anstatt sie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu beschränken. Der internationale Trend bewegt sich in Richtung "Konkurrenz um Studierende"; in diesem Kontext wird nur eine glaubhaft europäische Universität bestehen können.

Die Bologna-Erklärung hebt sich von anderen unverbindlich bleibenden Erklärungen durch die Definition klarer Ziele und einen vorgegebenen Zeitrahmen ab. Der Grad der Zielerreichung  wird  durch   eine  regelmäßige  Bestandsaufnahme  überprüft,


wodurch ein positiver Rechtfertigungsdruck, der die nationale Umsetzung beschleunigt, entsteht.

Aus österreichischer Sicht hat der Bologna-Prozess wesentlich dazu beigetragen, die Europäisierung und Internationalisierung des tertiären Bildungssektors voranzutreiben. Österreichische Universitäten, Fachhochschulen und Akademien stehen in Konkurrenz zu anderen europäischen Anbietern, dies wird sich in Zukunft noch verstärken. Eine ausschließlich nationale Sicht ist überholt; es geht um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Bildungseinrichtungen in Europa.

Es geht aber auch um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen gegenüber dem amerikanischen und dem asiatischen Raum. Es ist deutlich geworden, dass Europa sowohl als Studienraum als auch als Forschungsraum nicht die Attraktivität besitzt, die wünschenswert wäre.

Einen zentralen Stellenwert nehmen die Bemühungen um die Beseitigung von Mobilitätshindernissen für Studierende, Lehrende und Forschende ein. Dies muß neben intensiven Bemühungen für den outgoing-Bereich eine ebensolche Anstrengung für den incoming-Bereich bedeuten. Die österreichischen Hochschulen profitieren mindestens ebenso vom Aufenthalt ausländischer Studierender, Lehrender und Forschender in Österreich wie vom Input jener, die Erfahrungen im Ausland sammeln.

Die größte Herausforderung ist wohl darin zu sehen, die Kluft zwischen den bereits bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten und den realen Gegebenheiten zu verringern. Österreich hat auf gesetzlicher Ebene rasch reagiert: Mit der Novelle 1999 zum Universitäts-Studiengesetz, dem Universitätsgesetz 2002, dem Fachhochschul-Studiengesetz 2002 und dem Hochschulgesetz 2005 wurde die Rechtsgrundlage für die Einführung von Bachelor- und Masterstudien, die Anwendung des ECTS, des Diplomzusatzes (Diploma Supplement), die Einrichtung von gemeinsamen Studienprogrammen verschiedener Universitäten/joint degree-Programmen und aufgewerteten PhD-ähnlichen Doktorats-Programmen geschaffen.

Es bestehen berechtigte Zweifel an der Erfüllung der oa. Erwartungen hinsichtlich Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Steigerung der nationalen und internationalen Mobilität der Studierenden. Daher sehen wir eine Evaluierung und wenn notwendig, teilweise Aussetzung des Bologna-Prozesses, als unabdingbar an. Die Überantwortung der Umsetzung in die Autonomie der Universitäten scheint uns ein gangbarer Weg zu sein.


In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung daher folgende

DRINGLICHE ANFRAGE

1)  Werden Sie an der forschungsgeleiteten Lehre als Prinzip durchgängig an allen Universitäten, in allen Studienrichtungen und in allen Studienabschnitten festhalten?

2)           Wie   stehen   Sie   zur  Abschaffung   aller  Zugangsbeschränkungen   sowie überlangen   Studieneingangsphasen   für   österreichische   Studierende   bis 2012?

3)           Wie   sehen    Sie   die   Notwendigkeit   einer   Oberstufenreform,    um   die Reifeprüfung   wieder   auf  einen   Qualitätsstandard   zu   heben,   der  den Maturanten die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Absolvierung eines Universitätsstudiums gibt?

4)           Werden  Sie die  Universitäten  beauftragen, jährlich eine  Evaluierung der Tätigkeit         des         Universitätsmanagements         mittels         Kunden“= Studierendenbefragung durchzuführen?

5)           Was tun Sie, um das Ziel der Erreichung von 2% des BIP für den tertiären Bildungssektor bis zum Jahr 2015 zu gewährleisten?

6)           Werden   Sie  sich  dafür einsetzen,  dass  die   Bundesregierung  bis  2012 zusätzlich eine Milliarde Euro für Infrastruktur, Lehre und Forschung an den österreichischen   Universitäten   mit   sichtbaren   Verbesserungen   für   die Studierenden zur Verfügung stellt?

7)           Werden Sie alle notwendigen Maßnahmen setzen, damit bis 2015 das Ziel, 300.000 Studienplätze zu schaffen, erreicht werden kann?

8)           Werden Sie die notwendigen Maßnahmen fordern und unterstützen, damit in den Jahren 2010 bis 2015 jährlich 500 zusätzliche Stellen für Lehrpersonal (also gesamt 3.000 Stellen) an Österreichs Universitäten geschaffen werden können?

9)           Werden Sie eine Erhebung an sämtlichen österreichischen Universitäten über die Nebentätigkeiten des Lehrpersonals vornehmen  und dem Nationalrat einen Bericht bis Juni 2010 vorlegen?

10)   Sind  Sie bereit,  Nebentätigkeiten des Lehrpersonals an österreichischen Universitäten,   die   zu    Lasten   der   Lehrtätigkeit   bzw.    Betreuung   der Studierenden gehen, befristet auszusetzen?

11) Sind Sie bereit, mit den österreichischen Universitäten in Verhandlung zur Adaptierung   der   Leistungsvereinbarungen   zu   treten   mit  dem  Ziel,   den         Studierenden an allen Universitäten Österreichs die Möglichkeit des Online-     Studiums zu eröffnen?


12)Werden Sie die Universitäten beauftragen, bis 28.02.2010 die Kosten pro Studienplatz an Österreichs Universitäten festzustellen und auf Basis der festgestellten       und       nachgewiesenen                                                                                       Studienplatzkosten      eine studienplatzbezogene   Finanzierung   der   Lehre   an   den   österreichischen Universitäten umzusetzen?

13)Werden Sie die Erstellung einer Gesamtsanierungs- und Neubauplanung inklusive einer Zeit- und Kostenplanung für Österreichs Universitäten auf der Basis einer Raumbedarfsuntersuchung, die aus einer Evaluierung der derzeitigen Raumauslastung sowie einer Überprüfung der Möglichkeit der Umstellung von Semesterteilung des Studienjahrs auf Trimesterteilung und den mittelfristig anzustrebenden 300.000 Studienplätzen besteht, veranlassen

14) Sind Sie bereit, eine Evaluierung der Implementierung des Bologna-Prozesses unverzüglich in die Wege zu leiten und darüber dem Nationalrat Bericht zu erstatten?