2798/J-BR/2011

Eingelangt am 01.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Bundesrates Mag. Reinhard Pisec                                                                            

und weitere Bundesräte

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Verfahrensdauer in Zivilrechtssachen

Schon seit Jahren entnimmt man den Medien, dass eine exorbitante Überbelastung der Justiz zu einer überlangen Verfahrensdauer in Zivilrechtssachen führt. Dieser Umstand beruht nicht zuletzt darauf, dass zu wenig Richter vorhanden sind und die Schreibabteilungen mit der Arbeit hinterherhinken (bei Protokollsabschriften kommt es schon mal zu mehrmonatigen Wartezeiten, bis diese zugestellt werden). In diesem Zusammenhang sollte man hier insbesondere an die finanzschwächeren KMU's denken, bei denen es in vielen Fällen oftmals ums nackte finanzielle Überleben geht. Eine weitere Erschwerung der Rechtsfindung für KMU's wurde durch das Budgetbegleitgesetz 2009 eingeführt, wonach juristischen Personen der Zugang zur Verfahrenshilfe verwehrt wurde.

Es hat zwar auf internationaler Ebene bzw. auf EU-Ebene Verbesserungen dahingehend gegeben, dass durch die Einführung des europäischen Mahnverfahrens eine erleichterte grenzüberschreitende Forderungseintreibung ermöglicht wurde, dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die innerstaatlichen Verfahren eine Dauer aufweisen, die im internationalen Vergleich - insbesondere mit unserem Nachbarn Deutschland - doppelt so lang ist.

Deutschland hat diesbezüglich im vergangenen Jahr einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet und bereits vorgestellt, welcher zum Beispiel für jedes Jahr der Verzögerung eines Verfahrens eine Entschädigung des Betroffenen von 1.200,00 vorsieht.

So heißt es auf der Homepage des Bundeministeriums für Justiz in Deutschland[1]:


Bürgerinnen und Bürger werden zukünftig vor zu langsam arbeitenden Gerichten und Staatsanwaltschaften geschützt. Ein vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf sieht erstmals die Möglichkeit vor, in derartigen Fällen eine sogenannte "Verzögerungsrüge" zu erheben und gegebenenfalls Entschädigung zu verlangen."

Diesbezüglich sind nachstehende Zahlen auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz in Deutschland veröffentlicht (Statistik für das Jahr 2008)[2]

 

 „Bei den Zivilgerichten dauern Verfahren in der Eingangsinstanz (bundes)durchschnittlich zwar nur 4,5 Monate (Amtsgerichte) bzw. 8,1 Monate (Landgerichte). Die durchschnittliche Verfahrensdauer in den Ländern zeigt aber deutliche Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten. Bei den Amtsgerichten liegt die Spannweite zwischen 3,7 und 5,5 Monaten, bei den Landgerichten zwischen 5,9 und 9,9 Monaten. 12,5 % der Prozesse vor den Landgerichten dauern im Übrigen mehr als 12 Monate und 6,3 % mehr als 24 Monate."

Dem steht eine Studie der österreichischen durchschnittlichen Verfahrensdauer aus dem Jahr 2008 gegenüber, veröffentlicht auf der Homepage des Bundeministeriums für Justiz in Österreich[3],[4], wonach bundesweit ein Verfahren bei den Bezirksgerichten 8,6 Monate (Amtsgericht Deutschland 4,5), bei den Landesgericht 16,8 Monate (Landesgericht Deutschland 8,1), bei den Arbeits- und Sozialgerichten 8,8 Monate (Arbeitsgericht Deutschland 3,0) dauert.

Die durchschnittliche Dauer der im Jahr 2008 streitig" erledigten Zivilverfahren hat bei den Bezirksgerichten 8,5 Monate und bei den Landesgerichten 16,8 Monate betragen. Die Hälfte der insgesamt 59.221 streitigen Zivilverfahren bei den Bezirksgerichten hat kürzer als sechs Monate gedauert. Lediglich 1,75 Prozent der streitigen Verfahren dauerte länger als drei Jahre. Wenn auch jedes länger anhängige Verfahren schmerzt, weisen die österreichischen Gerichte im internationalen Vergleich bei der Verfahrensdauer grundsätzlich gute Werte auf."[5]

Demgemäß wurden die streitigen" Zivilverfahren in Deutschland statistisch gesehen nahezu doppelt so schnell zum Abschluss gebracht wie in Österreich.

Wirtschaftlich betrachtet trifft die überlangelange Verfahrensdauer vor allem finanzschwächere Unternehmen, die es sich nicht leisten können, ewige Zeiten auf ihr Geld zu warten. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wäre es ein notweniger Beitrag der Justiz, Verfahren schneller abzuwickeln.

Obwohl unsere Nachbarn bei der Urteilsfindung im streitigen Zivilverfahren ungleich schneller als Österreich sind, haben diese - wie oben dargestellt - sich entschlossen, ein Gesetz   zu   entwerfen,   welches    zu   einer   weiteren   Beschleunigung   der

Entscheidungsfindung führen soll[6].

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Bundesräte an die Bundeministerin für Justiz folgende

ANFRAGE

1.                                      Was gedenken Sie zu unternehmen, um eine Verfahrensbeschleunigung und somit eine Entlastung der Wirtschaft herbeizuführen?

2.                  Inwiefern hängt die überlange Verfahrensdauer vor österreichischen Zivilgerichten mit fehlenden Richterposten, unterbesetzten Schreibabteilungen und der gleichen zusammen?

3.                  Ist es nicht ein Schritt in die falsche Richtung, die Gerichtspraxis von derzeit 9 auf 5 Monate zu kürzen, da die Gerichtspraktikanten in dem Moment das Gericht verlassen (müssen), wenn diese eingearbeitet sind und somit eine Arbeitserleichterung für die Richter darstellen würden?

4.                  Wie hoch ist der durch Verfahrensverzögerungen bei Gericht verursachte volkswirtschaftliche Schaden?

5.                  Ist es für sie vorstellbar, dass sich international tätige Unternehmen wegen der in Österreich langen Verfahrensdauer und der daraus resultierenden langen Rechtsunsicherheit und hohen Kosten, gegen Österreich bei der Standortwahl entscheiden?

6.                  Sind ihnen Fälle bekannt wonach sich internationale Unternehmen aufgrund der langen Verfahrensdauer und der dadurch entstehenden Rechtsunsicherheit gegen einen Österreich-Standort entschieden hätten?



[1]http://www.bmj.bund.de/enid/Rechtspflege/Rechtsschutz_bei_ueberlanger_Verfahrensdauer_1ot.html;

 

[2] http://anwaltverein.de/downloads/Anwaltstag/DAT-201O/Anlage-PM-
2.pdf?PHPSESSID=9b5683d943f5813d 11 b2ce8db28e 1 f3d;

 

[3] http://www.justiz.gv.at/internet/html/default/8ab4a8a422985de30122a93207ad63cc.de html;jsessionid=988456CEDFBEAFE47

BEEFA3404877DA3;

 

[4] http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2009/berichte/teilberichte/bund/bund_2009_12/bund_2009_. 12_5 pdf.

 

[5] http://www.justiz.gv.at/intefnet/html/default/8ab4a8a422985de30122a93207ad63cc.de. html;jsessionid=988456CEDFBEAFE47

BEEFA3404877DA3;

 

[6] http://www.bmj.bund.de/enid/22d425df1d16d7e7c84da58baee38f90,0/Rechtspflege/Rechtsschutz_bei_ueberlanger_Verfa hrensdauer_1ot.html.