2813/J-BR/2011

Eingelangt am 08.04.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

Der BundesrätInnen Kickert, Kerschbaum, Dönmez
an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Ungleichbehandlungen von eingetragenen PartnerInnen und
EhegattInnen

Das Gesetz über die Eingetragene PartnerInnenschaft (EPG) ist seit 01.01.2010 in
Kraft und bietet homosexuellen Paaren in
Österreich erstmals die Möglichkeit, ihre
Partnerlnnenschaften rechtlich zu institutionalisieren. Im ersten Jahr seit Bestehen
des Instituts der Eingetragenen PartnerInnenschaft (EP) gingen 450 M
ännerpaare
und 255 Frauenpaare eine Verpartnerung ein. Im Vergleich zum Eherecht f
ür
heterosexuelle Paare gibt es allerdings wesentliche Ungleichbehandlungen, die f
ür
schwule und lesbische Paare durch das EPG und den damit verbundenen
Anpassungen in anderen Gesetzen vorgesehen sind. Diese betreffen erstens die
Weigerung der
österreichischen GesetzgeberInnen, homosexuelle
Partnerlnnenschaften, in denen Kinder leben, als Familien anzuerkennen. Laut
Entscheidungen des Europ
äischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der
Sache Schalk & Kopf und P.B. & J.S. (2010) ist jedoch klar, dass auch
gleichgeschlechtliche Paare
Familie sind. Zweitens gibt es im EPG mit viel Mühe
k
ünstlich konstruierte symbolische Unterschiede zwischen EP und Ehe. Drittens
finden sich Bestimmungen im EPG, die im Vergleich zum Eherecht als weniger strikt
einzustufen sind. Diesen Ungleichbehandlungen ist gemein, dass sie der
Hierarchisierung von EP und Ehe dienen und die EP als minderwertiges
Rechtsinstitut erscheinen lassen. Zahlreiche JuristInnen, wie etwa Ass.-Prof. Dr.
Barbara Beclin vom Institut f
ür Zivilrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Universit
ät Wien, sehen zumindest die unterschiedlichen „äußerlichen
Vorschriften
des EPG als gleichheitswidrig an, da sie keine inhaltlichen Ziele
verfolgen, sondern blo
ß darauf abzielen, die EP von der Ehe ab- und auszugrenzen
(Juridicum Online, 12.03.2010). Die österreichischen GesetzgeberInnen agieren
folglich nicht nur ungeachtet gesellschaftlicher Realit
äten, sondern ignorieren
au
ßerdem die Fachmeinung von ExpertInnen sowie zahlreiche wissenschaftliche
Studien, die die Ungleichbehandlung homosexueller Paare in einer EP gegen
über
heterosexuellen Paaren in einer Ehe als absolut ungerechtfertigt qualifizieren. In
Rechtsvorschriften wie dem Pensionskassengesetz (PKG) und dem
Familienlastenausgleichsgesetz (FamLAG) werden Personen, die in Eingetragener
PartnerInnenschaft leben anders behandelt, als Personen die in einer Ehe leben.


Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE:

 

1.Für eingetragene PartnerInnen sind keine Witwen- bzw. Witwerpensionen aus
betrieblichen Pensionskassen vorgesehen (§ 5 Z. 2 lit. b
Pensionskassengesetz wird im § 43 EPG nicht angeführt). Auf welchen
objektiven Merkmalen beruht dieser Unterschied zur Regelung f
ür
EhegattInnen und wie kann er sachlich gerechtfertigt werden?

2.Falls keine ausreichende sachliche Rechtfertigung vorliegt, halten Sie es für
sinnvoll, dass Ihr Ressort eine entsprechende nicht-diskriminierende, dem
verfassungsmäßig verankerten Gleichheitsgrundsatz entsprechende
Regelung ausarbeitet?

3.Wenn ja, wie würden diese Änderungen aussehen?

4.Wenn nein, warum nicht?

5.Bei der Familienbeihilfe und bei anderen Leistungen aus dem

Familienlastenausgleichsfonds ist eine Anrechnung des Einkommens der
eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners im Gegensatz zu
Einkommen von EhepartnerInnen und LebensgefährtInnen nicht vorgesehen,
sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil (§§ 5, 6, 9a, 35, 38f, 46a
Familienlastenausgleichsgesetz). Auf welchen objektiven Merkmalen beruht
dieser Unterschied und wie kann er sachlich gerechtfertigt werden?

6.Falls keine ausreichende sachliche Rechtfertigung vorliegt, halten Sie es für
sinnvoll, dass Ihr Ressort eine entsprechende Regelung ausarbeitet?

7.Wenn ja, wie würden diese Änderungen aussehen?

8.Wenn nein, warum nicht?

9.Laut Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) in der Sache Schalk & Kopf und P.B. & J.S. (2010) sind auch
gleichgeschlechtliche Paare
Familie. Wie beurteilen Sie vor diesem
Hintergrund das FamLAG?