2835/J-BR/2011

Eingelangt am 21.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der BundesrätInnen Jennifer Kickert, Elisabeth Kerschbaum; Efgani Dönmez

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend der Causa Michail Golowatow

BEGRÜNDUNG

In der Causa um den kurzerhand festgenommenen ehemaligen russischen KGB- Offizier Michail Golowatow betont die Bundesministerin für Justiz, dass sich Österreich gesetzeskonform verhalten habe. Das sich Österreich im Rahmen der Gesetze bewegt, sollte vorausgesetzt werden können und bedarf eigentlich keiner besonderen Betonung. Dass man Michail Golowatow ohne Bruch der Gesetze freilassen konnte, bedarf darüber hinaus auch keiner besonderen juristischen Anstrengungen.

Der europäische Haftbefehl wurde eingeführt, um eine bessere Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen. Für die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle anderer Mitgliedstaaten gelten aber, wenn die diesen Haftbefehlen zu Grunde liegenden Taten zumindest teilweise vor dem 7. August 2002 begangen worden sind, weiterhin die viel weicheren Regelungen im Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz. Da die Erstürmung des Fernsehturms in Vilnius am 13. Jänner 1991 stattfand, hatten die österreichischen Behörden einen sehr breiten rechtlichen Interpretationsspielraum bei der Frage, inwieweit man seinem europäischen Partner entgegenkommen würde. Man entschied sich dafür, Litauen überhaupt nicht entgegenzukommen und Michail Golowatow schnellstmöglich wieder los zu werden.

Nicht nur für den Menschrechtsexperten Manfred Nowak bleibt eine schiefe Optik" (ZIB 2 Interview vom 18.7.2011). Auch die europäische Kommissarin für Justiz Viviane Reding meint:


Rechtlich gesehen ist diese Frage völlig eindeutig", sagte Reding. Aber wir dürfen die politische Dimension nicht vergessen", mahnte die Kommissarin. Ich habe alle Justizminister daran erinnert, dass sie dazu verpflichtet sind, ehrlich und offen zusammenzuarbeiten."

Und die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite meint:

"Die österreichische Staatsanwalt gab der litauischen Seite jedoch nur wenige Stunden, um eine zusätzliche Erklärung zu dem Europäischen Haftbefehl abzugeben. Diese extrem enge Interpretation kann nicht als normal beschrieben werden. Die österreichische Staatsanwalt demonstrierte damit einen ungewöhnlichen Unwillen."

Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE

1.             Warum wurde Michail Golowatow von den österreichischen Behörden festgenommen?

2.      Wann wurde Michail Golowatow festgenommen?

3.      Wann hat das Justizministerium von der Festnahme Michail Golowatows erfahren?

4.      Von wem wurde das Justizministerium von der Festnahme Michail Golowatows informiert?

5.      Wann wurde die StA Korneuburg/die OStA Wien von der Festnahme Michail Golowatows informiert?

6.      Wurde der Kontakt mit den litauischen Behörden über Ihr Ministerium oder über das BMeiA abgewickelt.

7.      Wann wurden die litauischen Behörden von der Festnahme Michail Golowatows informiert?

8.      Inwiefern war der von den litauischen Behörden ausgestellte Haftbefehl mangelhaft, sodass es zu einer Enthaftung kommen musste?

9.   Wie viele Nachbesserungsaufträge" wurden von der zuständigen Staatsanwaltschaft an die zuständigen litauischen Behörden gestellt?


10.     Wann (Uhrzeit) wurden diese Nachbesserungsaufträge" gestellt?

11.     Was war der Inhalt der Nachbesserungsaufträge"?

12.     Welche Fristen (Tag/Uhrzeit) wurden den litauischen Behörden für die Erfüllung der Nachbesserungsaufträge" gestellt?

13.     War die Einhaltung dieser Fristen angesichts der erforderlichen Behördenläufe und Übersetzungen sowohl in Österreich als auch in Litauen überhaupt plausibel, oder war tatsächlich die Nichteinhaltbarkeit der Fristen politisches Ziel?

14.  Welche Zeitdauer wurde für die jeweils notwendigen Schritte (Übermittlung an das Justizministerium in Litauen - Übersetzung - Übermittlung an die Staatsanwaltschaft - Bearbeitung - Übermittlung an das Justizministerium -Übersetzung der Ergebnisse - Retournierung an das BMJ in Österreich - Weiterleitung an die StA Korneuburg) bei Berechnung der Fristen angesetzt?

15.   Wurden die Nachbesserungsaufträge" von den litauischen Behörden beantwortet?

16.   Wenn ja, wurden diese in litauischer Sprache beantwortet?

17.   Wenn ja, hat man versucht, diese in Österreich übersetzen zu lassen?

18.   Wann wurden die Nachbesserungsaufträge" von den litauischen Behörden ggf beantwortet?

19.   Wann wurde die Anklage aus Litauen an das BMJ übermittelt?

20.   Wurde diese Anklage auf Deutsch übersetzt und wann lag das Ergebnis vor?

21. Gab es von Seiten der österreichischen Behörden amtswegige Ermittlungen in der Causa um Michail Golowatow?

22.   Wurde Michail Golowatow von der zuständigen Staatsanwaltschaft einvernommen?

23. Wurde er dabei konsularisch vertreten?

24.   Hat es Gespräche zwischen russischen Organen und österreichischen Behörden zwischen der Festnahme und der Freilassung von Michail Golowatow gegeben?

25. Wenn ja, was wurde besprochen/vereinbart?


26.   Sind Berichte zutreffend, wonach es etwa um Mitternacht in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2011 eine inhaltlich eindeutige telefonische Intervention seitens der Botschaft der russischen Föderation in Wien beim Journaldienst Außenministeriums gegeben hat?

27.   Wann wurden Beamte des BMJ erstmals von dieser Intervention informiert?

28.   Ist es zutreffend, dass führende Beamte des BMJ noch mitten in der Nacht telefonisch verständigt wurden?

29.   Hat es im Zuge der Causa Michail Golowatow Gespräche zwischen dem BMeiA und dem BMJ oder den involvierten Strafverfolgungsbehörden gegeben?

30.   Wenn ja, wann haben diese Gespräche stattgefunden und was wurde besprochen/vereinbart?

31.   Wann wurde entschieden, dass die Verhängung der Auslieferungshaft über Michail Golowatow durch die StA Korneuburg nicht beantragt werden soll?

32.   Wer hat diese Entscheidung getroffen?

33.   Aufgrund welcher Unterlagen kamen die Justizbehörden zu dem Ergebnis, dass ein für die Verhängung der Auslieferungshaft ausreichender Tatverdacht nicht vorliege?

34.   War die Enthaftung von Michail Golowatow mit Auflagen verbunden?

35.   Warum wurde die 48 Stunden-Frist zur Festhaltung nicht voll ausgeschöpft und somit den litauischen Behörden die Möglichkeit genommen, ihre Schilderungen zu konkretisieren?

36.   Ist Ihnen die Rechtsprechung des OGH (zB 15 Os 134/94 vom 22.09.1994) bekannt, wonach bei einem schlüssigen ausländischen Haftbefehl eine strenge Verdachtsprüfung wie etwa im Falle der Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft (in einem österreichischen Strafverfahren) nicht anzustellen ist?

37.   Wenn nein, warum nicht?

38.   Wenn ja, warum hat man trotzdem auf eine strenge Verdachtsprüfung bestanden?