2840/J-BR/2011

Eingelangt am 22.09.2011
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ANFRAGE

 

 

des Bundesrates Mag. Reinhard Pisec

und weitere Bundesräte

an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend Vereinbarung über eine Weiterführung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Stabilitätspakt 2011)

 

 

Im Österreichischen Stabilitätspakt 2011 (StP) sollte durch ein koordiniertes Zusammenwirken der Haushalte von Bund, Länder und Gemeinden der Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig gestärkt und der Wohlstand gesichert werden, indem sich alle Gebietskörperschaften verpflichten, nach einem vorgeschriebenen Plan ihre Budgets zu sanieren. Allerdings verbergen sich hinter diesem Stabilitätspakt große Ungenauigkeiten und keine tatsächlichen Zielvorgaben.

 

Die Defizitquoten im Stabilitätspakt 2011 sind nicht nachvollziehbar, entsprechen auch nicht den Maastricht-Kriterien und tragen keinesfalls zur Entschärfung der Staatswirtschaftskrise bei.

 

Die Gesamtverschuldung steigt im Rahmen des StP kontinuierlich weiter. Von 72,3% im Jahr 2010 auf 75,4% 2012[1]. Da BIP-Prognosen sehr oft fehlerhaft sind, kann auch die Gesamtverschuldung wesentlich höher sein. Der StP täuscht eine Sanierung des Haushaltes vor, denn er basiert auf risikobehafteten Prognosen und konkrete Einsparungszahlen werden bewusst nicht angeführt.

 

 

Der im StP angeführte Einsparungserfolg ist mit den Prozentsätzen nicht nachvollziehbar, weil BIP-Wachstum und Inflation für die Jahre 2011 bis 2014 unbekannte Größen darstellen. Das Haushaltdefizit wird im StP mit dem nominellen BIP in Verhältnis gesetzt und nicht mit dem realen. Ein Stabilitätspakt der auf einer Hochinflationspolitik Erfolge ausweist, ist kein Stabilitäts- sondern ein Inflationspakt. Dass Österreich mit einer aktuellen Inflationsrate (Juli 2011 im Jahresabstand) von 3,8% die dritthöchste Rate im Euro-Raum aufweist[2], lässt die Befürchtung aufkommen, dass dies der Weg ist, wo die Regierung hofft, ihre selbst ernannten aber noch immer viel zu schlechten Haushaltsergebnisse zu erreichen.

Das Budgetdefizit 2010 betrug EUR 13,1 Mrd., bei einem absolutem BIP von EUR 284 Mrd.[3] Sollte sich das BIP nicht so entwickeln wie prognostiziert, und bis 2014 ist keine seine seriöse Prognose möglich, wird das gesamte Konzept verzerrt. Die EUROSTAT-Prognose für BIP 2011 beträgt EUR 295,7 Mrd.[4], das entspricht einer nominellen Steigerung von 4,1%. Bei der jetzigen Inflation von 3,8% ergibt sich de facto ohnehin schon ein Null-Wachstum!

 

Der gegenständliche Pakt sieht ein „ausgeklügeltes“ Sanktionssystem vor. Es erhebt sich die Frage, aus welchen Mitteln diese Sanktionen finanziert werden sollen.

Artikel 12 Abs 5 des StP sieht vor, dass das Schlichtungsgremium aus zwei vom Bundesministerium für Finanzen und zwei von den Ländern nominierten Mitgliedern besteht, wenn vom Bund oder von einem Land vereinbarte Stabilitätsbeiträge nicht erbracht oder Haftungsobergrenzen überschritten werden. Der Bund bzw. die Länder kontrollieren sich somit zu 50 % selbst.

 

Es fehlt eine Regelung, welche Konsequenzen eintreten, wenn sich das Schlichtungsgremium nicht einvernehmlich entscheiden kann, sodass diese Regelung ein „zahnloser“ Tiger ist.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für Finanzen folgende

 


ANFRAGE

 

 

1.            Auf welchen BIP- Annahmen basiert die Defizitquote (Neuverschuldung) der           Jahre 2011 bis 2014?

 

2.            Weshalb geben sie keine absoluten Defizitzahlen (Neuverschuldung) als      Beurteilungskriterium zusätzlich an?

 

3.            Wie sieht die Defizitquote (Neuverschuldung) für Bund und Länder in            absoluten Zahlen von 2011 bis 2014 aus?

 

4.            Wie kann die Zielvorgabe für die Defizitquote (Neuverschuldung) als Prozentsatz festgelegt werden, wenn die BIP-Prognosen bis zum Jahresende    ständig revidiert werden?

 

5.         Warum wurde nicht vorgesehen, dass derjenige, der den Stabilitätspakt nicht              

einhält, KEINE Sitze im Schlichtungsgremium erhält, sondern bloß Beobachterstellung?

 

6.         Warum wurden für den Fall, dass der Bund den Stabilitätspakt verletzt, das                  

Schlichtungsgremium nicht mit zwei von den Gemeinden und zwei von den Ländern nominierten Mitgliedern besetzt (Wahrung der Objektivität)?

 

7.         Führt die gegenständliche Regelung nicht dazu, dass derjenige, der den                      

Stabilitätspakt nicht einhält, auch den Sanktionsmechanismus behindern bzw. schlussendlich verhindern kann?

 

8.         Was passiert, wenn die vorgesehene Einvernehmlichkeit nicht erreicht wird?



[1] http://wko.at/statistik/eu/europa-verschuldung.pdf

[2] http://epp.eurostat.ec.europa.eu

[3] http://wko.at/statistik/prognose/bip.pdf

[4] http://epp.eurostat.ec.europa.eu