2877/J-BR/2012

Eingelangt am 02.02.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Dr. Brunner, Mayer, Michalke

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend der Situation der Zollabfertigung an der österreichischen EU- Außengrenze zur Schweiz und Liechtenstein

Die Grenzen zur Schweiz und nach Liechtenstein sind die einzig verbliebenen EU- Außengrenzen Österreichs. Nach dem Beitritt dieser beiden Staaten zum Schengener Abkommen sind zwar die Personenkontrollen, nicht aber die Zollkontrollen weggefallen. Derzeit werden die Zollkontrollen sowohl von Mitarbeitern der Finanzverwaltung als auch von ermächtigten Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des LPK wahrgenommen.

Der Güterverkehr im Unteren Rheintal, insbesondere auch der Transitverkehr, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die angestiegene Verkehrsbelastung findet in den automatischen Zählstellen ihren Niederschlag und hat ihr Ursachen u.a. in der Ende 2003 ausgelaufenen Transitregelung mit der EU (Ökopunktemodell) sowie in der Osterweiterung. Im Jahre 2003 verkehrten werktags durchschnittlich rund 720 Lkw, im Jahr 2010 ca. 1.180 Lkw über den Grenzübergang Lustenau-Au. Das bedeutet seit 2003 eine Verkehrszunahme von 64%. Insgesamt fuhren auf der L 203 an einem Werktag im Jahr 2003 rund 2.000 Lkw und im Jahr 2010 rund 2.720 Lkw durch das Orts- und Siedlungsgebiet von Lustenau. 55% davon sind Lkw aus dem gesamten EU-Raum wie beispielsweise Deutschland, Italien aber auch aus den EU- Süd-Oststaaten, die innergemeinschaftliche Einfuhrabfertigungen in Vorarlberg abwickeln.

Die zweispurige Landesstraße L 203 verläuft teilweise durch dicht besiedeltes Wohngebiet. Der oben beschriebene enorme Verkehrsanstieg führt in Lustenau aber auch in anderen Gemeinden des Unteren Rheintals zu enormen Verkehrsbelastungen und täglichen Staus. An Werktagen bildet sich praktisch von den frühen Morgenstunden an bis in den Nachmittag hinein eine stehende, mehrere Kilometer lange Schlange von Lkw, die auf die Abfertigung beim Zollamt Lustenau/Au warten. Dazwischen schlängelt sich der Reiseverkehr und der örtliche Ziel- und Quellverkehr durch. Die L 203 wird damit über mehrere Stunden am Tag fast unpassierbar und eine Verlagerung auf niederrangige Straßen und die Belastung weiterer Bevölkerungskreise ist die Folge.


Aufgrund dieser Situation haben sich bereits mehrere Bürgerinitiativen gebildet, die vehement eine Entlastung einfordern. Seit über 10 Jahren ist die Vorarlberger Landesregierung daher bemüht, Maßnahmen zur Entlastung dieser Ortsgebiete zu entwickeln.  Eine dieser Maßnahmen war die Verlagerung der österreichischen Ausfuhr- bzw. schweizerischen Einfuhrsendungen, die bis dahin an den Grenzübergängen in Lustenau-Au bzw. Höchst-St. Margrethen abgefertigt wurden, zum neuen Gemeinschaftszollamt am Güterbahnhof Wolfurt. Dieses Projekt des Landes Vorarlberg, der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg, der Zolldirektion Schaffhausen und der Wirtschaftskammer Vorarlberg verfehlte seine Wirkung nicht und es konnte seit seiner Verwirklichung im April 2003 kurzfristig eine Entschärfung der Stausituation bei gleichzeitiger Erhöhung der Verkehrssicherheit und Beschleunigung der Grenzabfertigung erreicht werden.

Auf Grund der oben beschriebenen Verkehrszunahme ist der anfänglich sehr positive und spürbare Effekt mittlerweile verpufft. Seit April 2003 haben die Abfertigungen am österreichisch-schweizerischen Gemeinschaftszollamt Wolfurt um ca. 75% zugenommen und es werden pro Werktag zwischen 250 und 340 Lkw abgefertigt. Mit seinen 55 Abstellplätzen ist der Zollamtsplatz in Wolfurt damit deutlich zu klein und kann seine Entlastungswirkung für die Bodenseegemeinden nur mehr in eingeschränktem Maße erfüllen. Im Gegenteil, das Gebiet rund um das Zollamt Wolfurt ist mittlerweile selbst von massiven Stauerscheinungen betroffen und zahlreiche LKW, die beim Zoll abgefertigt werden, müssen auf innerörtliche Straßen ausweichen und belasten dort die Infrastruktur und den Verkehrsfluss enorm.

Dem Vernehmen nach sei nun seitens des BMI beabsichtigt, die gemäß Verwaltungsübereinkommen an den Grenzübergängen stationierten ermächtigten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes weiter zu reduzieren. Im Jahr 2008 verrichteten noch 181 uniformierte Zollbeamte an den Straßenzollämtern Dienst, die bis zum Jahr 2011 auf 75 Personen abgebaut wurden. Eine weitere Reduktion hätte daher erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit an den Vorarlberger Grenzen. Es wäre mit zusätzlichen Staus in allen Grenzorten zu rechnen und eine sinnvolle Verkehrsauffächerung zwischen den einzelnen Zollämtern an den Vorarlberger Grenzen wäre nicht mehr gewährleistet. Dies würde unweigerlich zu massiven Protesten in der Bevölkerung führen.

Eine weitere Reduktion an kompetenten Zollwachbediensteten verunmöglicht eine Auffächerung auf andere, kleinere Zollämter im Rheintal und führt zu einer weiteren Konzentration in Lustenau/Au, Tisis/Schaanwald und teilweise Höchst/St. Margrethen. Anstatt die verkehrsgeplagte Bevölkerung im Raum Lustenau zu entlasten sind zusätzliche Staus sowie Verzögerungen in der Zollabfertigung vorprogrammiert.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird dies die aufgeheizte Stimmung in der Lustenauer Bevölkerung weiter verschlechtern und Bürgerproteste, wie sie fallweise schon in den letzten Jahren stattfanden, sind zu erwarten. Neben der verkehrsgeplagten Bevölkerung leidet aber auch die Vorarlberger Wirtschaft, für die die Schweiz als wichtiger Handelspartner aber auch Transitland mit immer größerem Aufwand und Zeitverlust erreichbar ist.


Die unterzeichnenden Bundesräte stellen daher die nachstehende

Anfrage:

1.              Ist  Ihnen  die  oben  geschilderte  Situation,   insbesondere  die Personalknappheit an den  Österreichischen Grenzübergängen in  die Schweiz und Liechtenstein bekannt?

2.              Was gedenkt ihr Ministerium gegen die Personalverknappung an diesen Grenzübergängen zu  unternehmen,  damit  die  verkehrsgeplagte Bevölkerung  im  Unteren  Rheintal  keiner  zusätzlichen  Belastung ausgesetzt wird?

3.              Können Sie sich vorstellen, dass als dringende Sofortmaßnahme den Abfertigungsbeamten im Innendienst sowie den Zollwachbediensteten der Finanzverwaltung uneingeschränkt Überstunden genehmigt werden?

4.              Wie  viele Mitarbeiter  sind  in  der  Zollabfertigung in  den einzelnen Bundesländern tätig?

5.              Wie viele Zollabfertigungen werden jährlich pro Bundesland durchgeführt?

6.              Wie sieht die personelle Situation der österreichischen Zollämtern an der Schweizer und Liechtensteiner Grenze nach Abzug der ermächtigten Organe des LPK aus. Werden die Organe der LPK durch  Mitarbeiter der Finanzverwaltung ersetzt?

7.              Welche Maßnahmen  werden am  österreichisch-schweizerischen Grenzzollamt am Güterbahnhof Wolfurt in personeller Hinsicht, bei den Büroräumlichkeiten und Abstellplätzen gesetzt?