2892/J-BR/2012

Eingelangt am 31.05.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der BundesrätInnen Juliane Lugsteiner

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen

In jüngerer Zeit wurde zu Recht und vermehrt kritisiert, dass nach der geltenden
Strafprozessordnung (StPO) ein zu Unrecht Beschuldigter trotz eines gerichtlichen
Freispruches die Kosten seines Rechtsanwaltes zum weitaus gr
ößeren Teil selbst zu
tragen habe, w
ährend im Zivilprozess die Partei, die den Prozess zur Gänze gewinnt,
den Ersatz der gesamten ihr im Verfahren entstandenen Kosten zugesprochen
erh
ält.

Es ist evident, dass die nach § 393a StPO vorgesehenen Höchstbeiträge für den
Ersatz von Verteidigungskosten in keinem Verh
ältnis zum aufgelaufenen
Vertretungsaufwand stehen und sehr oft die tats
ächlichen Kosten einer Verteidigung
bei weitem nicht abdecken.

Es ist außerordentlich ungerecht, dass ein Unschuldiger, der letztlich auch
rechtskr
äftig als unschuldig vom Gericht ausgewiesen wird, neben den
außerordentlich großen Nachteilen und den seelischen Verletzungen, die ein
Strafprozess ohnehin schon – in aller Regel – mit sich bringt, zus
ätzlich noch einen
ganz erheblichen finanziellen Nachteil hinnehmen muss, der in manchen Fällen
ruin
ös ausfallen kann.

Ein besonders drastisches Beispiel der jüngeren Zeit war der sog.
Tierschützerprozess“ in Wiener Neustadt, in dem es auch nach dem Urteil der
Fachwelt zu au
ßerordentlich fragwürdigen Anklageehebungen gekommen ist,
schlie
ßlich aber nach einer sehr langen und auf aufwändigen Prozessführung, nach
langen Zeitr
äumen der Untersuchungshaft letztlich das Erstgericht alle Angeklagten
frei gesprochen hat.

Nach Abschluss dieses Verfahrens in Wiener Neustadt belaufen sich die
Verteidigungskosten pro Beschuldigtem/Beschuldigter bzw.
Angeklagtem/Angeklagter auf ca. 400.000 Euro.

Nach geltender Rechtslage bekommt derzeit ein zu Unrecht Beschuldigter im Fall
eines Freispruches pauschal maximal 5.000 Euro nach einem
Geschworenenverfahren, maximal 2.500 Euro nach einem Schöffenverfahren,
maximal 1.250 Euro nach einem Einzelrichterverfahren und maximal 500 Euro
Verteidigerkosten nach einem Freispruch vor dem Bezirksgericht zur
ück.

Selbst diese Beträge werden nur dann in voller Höhe ausbezahlt, wenn das
Verfahren
über zwei Instanzen gegangen ist.

Zur Frage Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen“ hat der Abgeordnete
zum Nationalrat Mag. Johann Maier eine einschl
ägige Petition (XXIV. G.P. – NR Nr.
149/Pet.) dem Nationalrat
überreicht (Einreicher Dr. Martin Balluch), wobei u.a. das
Justizministerium und das Bundesministerium f
ür Finanzen dazu Stellung genommen
haben.

Das Bundesministerium für Justiz führt mit Schreiben vom 17. Mai 2012 dazu aus,
dass die Forderung nach vollständigem Ersatz der Verteidigungskosten bei
rechtskr
äftigem Freispruch sachlich durchaus begründet erscheint, der damit
ausgel
öste finanzielle Mehrbedarf.... aber aus dem Justizbudget nicht annähernd
gedeckt werden.... kann.“

Und weiter heißt es dortselbst:

Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz ist daher der einzig gangbare Weg, die
Höchstbeträge des § 393a StPO spürbar zu erhöhen und damit den Gerichten bei
der Entscheidung
über die Höhe des Zuspruches einen höheren Ermessenspielraum
einzuräumen. Die Justiz wird dazu mit der Österreichischen Rechtsanwaltskammer
in Verhandlung treten ...“

Das Bundesministerium für Finanzen nahm am 3. April 2012 wie folgt zu dieser
Petition Stellung:

Da die in der Petition aufgeworfene Fragestellung justizpolitischer Natur ist und
somit den Zust
ändigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz anspricht, kann
von Seiten des Bundesministeriums für Finanzen lediglich der haushaltsrelevante
Aspekt releviert werden: Durch den vollen Ersatz der Verteidigungskosten w
ürde es
zu wesentlich höheren Ausgaben im Justizressort kommen. Eine Erhöhung der
Ausgaben ohne Bedeckung w
ürde den vereinbarten Konsolidierungspfad
konterkarieren und m
üsste daher durch Umschichtungen im Budget des
Bundesministeriums f
ür Justiz bedeckt werden.“

Da die gegenwärtige Rechtslage im Gegenstand ein außerordentliches Unrecht
darstellt, das es zu beheben gilt, stellen die unterzeichneten Bundesr
ätInnen daher
an die Bundesministerin für Justiz die nachstehende

Anfrage:

1.         Halten Sie es mit dem Gerechtigkeitsprinzip für vereinbar, dass Sie eine
sachlich durchaus begründete“ Forderung damit ablehnen, dass der damit
ausgelöste finanzielle Wertbedarf aus dem Justizbudget nicht annähernd
gedeckt werden kann?

2.         Wäre es nicht vielmehr gerecht, dass nicht der unschuldig Verfolgte, sondern
der Verursacher der zu Unrecht erhobenen Anklage – der Staat – f
ür den Ersatz
der Verteidigungskosten beim rechtskr
äftigen Freispruch aufkommt?

3.         Sehen Sie eine Möglichkeit, wie es im Schreiben des Bundesministeriums für
Finanzen angesprochen wird, durch Umschichtungen im Budget des
Bundesministeriums für Justiz zu einer sachlich gerechtfertigten Lösung zu
kommen?

4.         Sind Sie bereits, wie im obgenannten Schreiben des BMJ angekündigt, mit der
Österreichischen Rechtsanwaltskammer in Verhandlung getreten, um über die
spürbare Erhöhung der Höchstbeträge des § 393a StPO zu verhandeln und
wenn ja, welche Ergebnisse haben die Verhandlungen gebracht?

5.         Welche weiteren Schritte gedenken Sie zu setzen, um die unerträgliche
Situation des absolut unbefriedigenden Ersatzes von Verteidigungskosten bei
Freispr
üchen substantiell zu verbessern?