2913/J-BR

Eingelangt am 09.08.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätlnnen Efgani Dönmez, Elisabeth Kerschbaum; Marco Schreuder an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Auseinanderreißen der Familie K. durch Abschiebung

BEGRÜNDUNG

Die armenische Familie K., wohnhaft in Hallein, ist seit sechs Jahren in Österreich. Das Asylverfahren dauerte mehrere Jahre und wurde erst Ende 2011 endgültig negativ beschieden. Die gesamte Familie spricht mittlerweile sehr gut Deutsch, ist Teil der Gesellschaft geworden, die Kinder sind Musterschüler. Die Mutter ist ausgebildete Lehrerin, der Vater hätte Arbeit in Aussicht. Die Ablehnung eines Bleiberechts März 2012 durch die Bezirkshauptmannschaft Hallein war für die Familie und ihre Freunde daher ein Schock.

Der noch größere Schock folgte, als in den frühen Morgenstunden am 6. August 2012 über zehn Polizistlnnen und weitere BeamtInnen vor dem Haus der Familie K. auftauchten, um die Familienabschiebung vorzunehmen. Obwohl nur die Mutter mit ihrem jüngsten Sohn zu dieser Zeit daheim war, Vater und die die zwei Söhne waren gerade außer Haus, nahm die Polizei kurzerhand den achtjährigen Sohn, Tigram, und setzte ihn ohne Wissen der Mutter in das Polizeiauto. Die Mutter, Rosanna K., suchte laut Anwesenden zuerst panisch eine halbe Stunde lang nach ihrem Sohn, bis man ihr mitteilte, dass dieser bereits im Polizeiwagen säße. Ebenfalls laut Anwesenden hat die Mutter, die bereits in psychischer Behandlung ist Zeichen von extremem Schock gezeigt, hyperventiliert und blaue Lippen bekommen. Der Amtsarzt hätte jedoch untersagt, dass für sie ein Krankenwagen gerufen wurde. Als der Sohn auf die Toilette musste wurde dies nur unter einer drei Mann starken Polizeieskorte und mit offener Tür gestattet - wegen angeblicher Fluchtgefahr (im WC befand sich nicht einmal ein Fenster). Der Mutter wurde lediglich gestattet einen halben Plastiksack an Habseligkeiten mitzunehmen. Sie wurde von der Polizei aufgefordert, ihren Mann anzurufen und ihr verboten am Handy Armenisch zu sprechen.

Zum Zeitpunkt der Abschiebung gibt es widersprüchliche Auskünfte der Behörden - es ist unklar, ob Mutter und Sohn noch in der darauffolgenden Nacht von 6. auf 7. August, am Nachmittag des 7. August oder am Abend des 7. August abgeschoben wurden. Ohne mit ihrem Rechtsbeistand sprechen zu dürfen wurde die Abschiebung in aller Eile durchgezogen. Frau K. sagte, die Polizei habe sie letztendlich mit Drohungen sie würden ihr sonst ihr verbliebenes Geld und Handy einfach wegnehmen, zum Einstieg in den Flieger genötigt.

Die Familie wurde damit sehenden Auges von den Behörden auseinandergerissen. Die psychisch labile Mutter und der jüngste Sohn schlagen sich nun in Armenien, dem Land vor dem sie Schutz gesucht hatten, durch, während der Vater und seine zwei Söhne sich nicht mehr trauen in ihr Haus zurückzukehren.

 

 

Die unterfertigenden Bundesrätlnnen stellen daher folgende

ANFRAGE

1)    Nach dem öffentlichen Skandal um die Abschiebung und das Auseinanderreißen der Familie Komani 2010 wurde vom Innenministerium bekannt gegeben, dass man ab nun nur mehr “familienfreundliche“ Abschiebungen vornehmen wolle. Inwiefern war diese getrennte Abschiebung der Mutter und ihres jüngsten Sohnes „familienfreundlich“?

2)    Hat es eine Änderung der oben genannten offiziellen Linie gegeben? Falls ja, weshalb und wie wird diese - gerade angesichts des Rechts auf Familienleben und der gesetzlichen Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls - gerechtfertigt?

3)    Wie wurde die Ablehnung des Bleiberechtsantrags der Familie K. von der Bezirkshauptmannschaft Hallein, bzw. durch das Innenministerium, begründet?

4)    Weshalb liegt laut BH Hallein trotz sechsjährigem Aufenthalt, besten Deutschkenntnissen der gesamten Familie, Integration und Arbeitsaussichten, keine hinreichende Integration vor?

5)    Wie verhältnismäßig ist ein Großeinsatz mit über 10 Polizistlnnen und BeamtInnen der BH Hallein wenn es um die Abschiebung einer Familie mit kleinen Kindern geht?

6)    Weshalb wurde die Abschiebung nicht aufgeschoben, als man feststellte, dass der Großteil der Familie außer Haus war?

7)    Gibt es Weisungen des Innenministeriums, wie bei geplanten Abschiebungen, bei denen nur ein Teil der abzuschiebenden Familie da ist, vorzugehen ist? Falls ja, bitte um Beifügung. Falls nein, weshalb nicht?

8)    Wie lange dauerte der Einsatz zur Inschubhaftnahme der Familie K.?

9)    Weshalb wurde Frau K. trotz Anzeichen von Schock - wie blauen Lippen - die Versorgung durch Sanitäter bei der Inschubhaftnahme verweigert?

10) Entspricht es der üblichen Vorgehensweise der Polizei bzw. des Innenministeriums als Oberbehörde, Kinder ohne Wissen ihrer Eltern mitzunehmen und außer deren Sichtweite erst mal in Polizeiwägen zu setzen? Wie lange dauerte es, bis der Mutter mitgeteilt wurde, wo ihr Sohn ist?

11) Wurde die Mutter von Polizistlnnen bei der Inschubhaftnahme aufgefordert, ihren Mann anzurufen, und ihr von ihnen verboten Telefonate auf Armenisch zu führen?

12) Laut Angaben von Frau K. wurden ihr in Polizeigewahrsam ihr Handy und ihr Geld abgenommen - ohne eine Erklärung was damit weiter geschähe. Hat sie diese wieder ausgehändigt bekommen und wenn ja, wann?

13) Laut Angaben von Frau K. wurden das abgenommene Handy und das Geld dazu benutzt, um sie mit der Drohung, diese würden ihr sonst weggenommen zum Einsteigen in den Flieger zu bringen. Stimmt das?

14) Die Rechtsanwältin versuchte mehrmals nach der Inschubhaftnahme Auskunft hinsichtlich des Abschiebetermins zu bekommen. Zuerst bekam Sie keine Auskunft. Letztendlich wurde ihr von der BH Hallein mitgeteilt, die Abschiebung fände am 7.8.2012 um 22h statt. Tatsächlich gab es unterschiedliche Aussagen aus der Bezirkshauptmannschaft und dem Innenministerium darüber, wann abgeschoben wurde. Wann fand die Abschiebung tatsächlich statt und was werden Sie tun, um in Zukunft derartigen unlauteren Umgang mit ParteienvertreterInnen zu unterbinden?

15) Trotz eindeutiger Empfehlung des Menschenrechtsbeirats „von Abschiebungen Abstand zu nehmen, die zur Trennung von Familienmitgliedern führen“ hat das Innenministerium nun offensichtlich wieder sehenden Auges mit dem Zerreißen von Familien bei Abschiebungen begonnen. Weshalb?

16) Werden Sie Schritte setzen, um dieses Vorgehen ein für alle Mal abzustellen? Wenn ja, welche und wann?