2965/J-BR/2014

Eingelangt am 26.02.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

der Bundesrätin Monika Mühlwerth

und weiterer Bundesräte

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Abschaffung der Schulnoten, andere sozialistische „Bildungs­phantasien“ und das Datensicherheitsdesaster im bifie

§18 Schulunterrichtsgesetz normiert in Abs. 2: „Für die Beurteilung der Leistun­gen der Schüler sind folgende Beurteilungsstufen (Noten) zu verwenden: Sehr gut (1), Gut (2), Befriedigend (3), Genügend (4), Nicht genügend (5). In der Volksschule und der Sonderschule sowie an der Neuen Mittelschule kann das Klassenforum oder das Schulforum beschließen, dass der Beurteilung der Leis­tungen durch Noten eine schriftliche Erläuterung hinzuzufügen ist.“

§ 14 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24. Juni 1974 über die Leistungsbeurteilung in Pflichtschulen sowie mittleren und höheren Schulen (Leistungsbeurteilungsverordnung) detailliert die Beurteilung:

„§ 14. (1) Für die Beurteilung der Leistungen der Schüler bestehen folgende Be­urteilungsstufen (Noten):

Sehr gut (1),

Gut (2),

Befriedigend (3),

Genügend (4),

Nicht genügend(5).

(2)     Mit „Sehr gut“ sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in weit über das Wesentliche hinausgehendem Ausmaß erfüllt und, wo dies möglich ist, deut­liche Eigenständigkeit beziehungsweise die Fähigkeit zur selbständigen Anwen­dung seines Wissens und Könnens auf für ihn neuartige Aufgaben zeigt.

(3)   Mit „Gut“ sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maß­gabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der An­wendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in über das Wesentliche hinausgehendem Ausmaß erfüllt und, wo dies möglich ist, merkliche Ansätze zur Eigenständigkeit beziehungsweise bei entsprechender Anleitung die Fähigkeit zur Anwendung seines Wissens und Könnens auf für ihn neuartige Aufgaben zeigt.


(4)    Mit „Befriedigend“ sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den wesentlichen Bereichen zur Gänze erfüllt; dabei werden Mängel in der Durchfüh­rung durch merkliche Ansätze zur Eigenständigkeit ausgeglichen.

(5)   Mit „Genügend“ sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den we­sentlichen Bereichen überwiegend erfüllt.

(6)    Mit „Nicht genügend“ sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler nicht einmal alle Erfordernisse für die Beurteilung mit „Genügend“ (Abs. 5) erfüllt.“

Nun geistert wieder einmal ein Vorschlag aus der bildungspolitischen Mottenkiste durch die Medien.

APA vom 25.2.2014:

„Geht es nach Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), sollen Eltern und Lehrer jeder Volksschulklasse ab dem kommenden Schuljahr darüber ent­scheiden können, ob sie bis zur dritten Klasse auf Ziffernnoten verzichten. Die entsprechende Gesetzesänderung soll bis Sommer fix sein, hieß es am Dienstag aus dem Ministerium. Derzeit ist der komplette Notenverzicht nur im Schulver- such möglich.“

Kurz nach ihrem Amtsantritt im Dezember 2013 sprach die neue Unterrichtsmi­nisterin gegenüber der Zeitung Österreich überhaupt eine „gefährliche Drohung“ für das österreichische Bildungssystem aus:

       Die Zahl der AHS, die als „Neue Mittelschule“ firmieren, soll laut Ministerin „vervielfacht werden“.

       Bis 2018 Schule ohne Noten und ohne Schultasche.

       Die Noten sollen abgeschafft und von einer „verbalen Beurteilung“ abge­löst werden, die die Schulen selbst entwickeln und entscheiden.

       Im Laufe ihrer Amtszeit soll es keine Hausaufgaben mehr geben. Kinder sollen Ganztagsschulen sogar „ohne Schultasche“ besuchen.

      Auch das Sitzenbleiben und die Nachprüfungen will Heinisch-Hosek ab­schaffen.

Einen ähnlichen Vorstoß gab es auch schon 2004 vom ehemaligen SPÖ- Vorsitzenden und nunmehrigen Berater des kasachischen Präsidenten, Alfred Gusenbauer. Dieser forderte, bis zum Ende der Hauptschule bzw. AHS- Unterstufe das Sitzenbleiben abzuschaffen und in der Volksschule die Kinder statt mit Ziffernnoten nur verbal zu beurteilen. In einer dazu durchgeführten Um­frage des Linzer Meinungsforschungsinstituts Spectra sprachen sich 73 Prozent für ein Beibehalten der Noten in der Volksschule aus, bei den Hauptschulen bzw. der AHS waren es sogar 87 Prozent. Ein ähnliches Bild ergab sich beim Sit­zenbleiben: Für eine Klassenwiederholung bei mehreren Fünfern plädierten 72 Prozent (Volksschulen) bzw. 84 Prozent (Hauptschulen/AHS).

Auch bei unserem Nachbarn Deutschland wird immer wieder die Diskussion um Schulnoten angezogen. Olaf Koller, Professor am Psychologischen Institut der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, hat den Forschungsstand zur Notenvergabe deshalb für den „Klett-Themendienst Schule Wissen Bildung“ wie folgt zusammengefasst:

„Hinsichtlich der Funktionen von Noten können gesellschaftliche und pädagogi­sche unterschieden werden. Zu den gesellschaftlichen Funktionen gehören:

       Die Berechtigungsfunktion: Noten dokumentieren und legitimieren gegen­über befugten Dritten (z. B. der Schulaufsicht) das erzieherische Handeln der Lehrer.

       Die Allokations- bzw. Selektionsfunktion: Die Vergabe von (Abschluss- )Noten gestattet es, Ausbildungs- und Arbeitsplätze oder Zugangsberech­tigungen nach Leistung zu vergeben, immer verbunden mit der Annahme, dass unterschiedliche Noten auch unterschiedliche Leistungsniveaus ab­bilden. Zur Selektionsfunktion kann auch gezählt werden, dass schlechte Noten zur Klassenwiederholung führen.

       Die Kontrollfunktion: Noten/Zeugnisse machen die Einhaltung der Schul­pflicht sowie die Effekte schulpolitischer, organisatorischer und pädagogi­scher Maßnahmen transparent.

Zu den pädagogischen Funktionen zählen:

       Die Feedback-Funktion: Noten liefern Verhaltens- und Leistungsrückmel­dungen und bieten so Informationen für Erziehungshilfen (z. B. elterliches Unterstützungsverhalten bei schwachen Noten). Zusätzlich machen sie Schüler mit Leistungsvergleichen und Normen vertraut und helfen, ein rea­listisches Selbstbild eigener Stärken und Schwächen aufzubauen.

       Die Anreizfunktion: Gute Noten sollen motivieren, in Zukunft noch mehr zu leisten.“

Neben den sozialistischen „Notenabschaffungsphantasien“ stellt auch die Dro­hung, dass die inzwischen - amtlich dokumentiert - gescheiterte Neue Mittel­schule ausgebaut werden soll. Im Report vom 11. 2. 2014 meinte Bundesministe­rin Heinisch-Hosek mit Bezug auf die NMS sogar „Die Bundesregierung hat 2012 gemeinsam beschlossen, dass diese Schulform ein gute ist…“

Auch wenn die Regierung beschlossen hat, dass die NMS gut zu sein hat, spre­chen die Fakten eine andere Sprache: Ende Jänner 2014 wurden die Ergebnisse der Bildungsstandardtests aus dem Jahre 2013, bei denen auch flächendeckend die NMS abgetestet wurden, präsentiert.

Die NMS schneidet in allen Bundesländern, ausgenommen in Wien, schlechter ab als die Hauptschule (HS), wie dem Bundesergebnisbericht des bifie zu ent­nehmen ist. Die größten Diskrepanzen zwischen der NMS und HS besteht in den Bundesländern Salzburg und Vorarlberg, wo die NMS durchschnittlich um 6,2% (Vbg.) bzw. 7,9% (Sbg.) hinter der HS liegt.

Eindeutiger „Sieger“ dieser Tests waren die AHS-Unterstufen in allen Bundeslän­dern, die in jedem Bundesland um mindestens 100 Punkte besser abschnitten als die NMS. In Prozent ausgedrückt, hat die AHS-Unterstufe je nach Bundesland um 17-25% besser abgeschnitten; die schlechtesten AHS-Schüler sind besser als der Durchschnitt der NMS und vielerorts sind die besten NMS-Schüler schlechter als der AHS-Durchschnitt.

Für dieses Ideologie-Prestige-Projekt der Bundesregierung Faymann I und II wurden und werden Millionen Euro ausgeben. Nicht nur, dass laut Rechnungshof der Lehrpersonalaufwand pro Schüler bei durchschnittlich 7.200 Euro/Jahr liegt und somit um 53% höher ist, als für AHS-Unterstufen-Schüler (4.700 Euro) bzw. um 9% höher als für Hauptschüler (6.600 Euro), wurde für dieses Projekt auch um mehrfache Euro-Millionenbeträge mit höchst dubiosen Inhalten geworben.

 

Bundesergebnisbericht des bifie, Seite 86: Englischkompetenz in den Bundesländern ge­trennt nach Schulart. (www.bifie.at/system/files/dl/01_BiSt- UE_E8_2013_Bundesergebnisbericht.pdf, 14. Feb. 2014)

 

„Daher muss man sich schon fragen, ob die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden“, so die Bildungssprecherin der ÖVP, Brigitte Jank, im Report am 11.2.2014. Der „Entsandte“ der Grünen im Salzburger Landesschulrat, Bil­dungsexperte Günther Haider, forderte, ebenfalls in dieser Sendung den sofortigen Stopp:

„Unsere Kinder sind ja keine Versuchskaninchen. Wenn man schon weiß, dass eine bestimmte Schulform kein Erfolg ist oder keinen Erfolg bringt ist es aus meiner Sicht ethisch nicht vertretbar, diese Schulen und Schüler quasi alle umzuwandeln, ob sie wollen oder nicht. Jetzt gehört ein Stopp her.

Die nächste Drohung gegen den österreichischen Bildungsstandort kommt von der ‑ nun mehr ehemaligen ‑ SPÖ-Bildungssprecherin Laura Rudas, die „einiges Ausprobieren“ will und das am Rücken der österreichischen Schüler: Sie fordert überhaupt die Abschaffung der Matura. Möglicherwei­se um ihren Parteiobmann künftig die Diskussion zu ersparen, ob er diese tatsächlich abgelegt hat.

Neben dem bildungspolitischen Desaster, das von Claudia Schmied hin­terlassen wurde und von Heinisch-Hosek nahtlos fortgesetzt wird, offen­bart sich nun auch ein Datensicherheitsdesaster. Es wurde gestern be­kannt, dass kurz nach Amtsantritt der neuen Ministerin, am 8. Dezember, das Ministerium von einem Datenleck beim bifie informiert wurde, aber keine Handlungen gesetzt wurden. Jetzt sind mehr als 400.000 Tester­gebnisse und Daten von 37.000 Lehrern unverschlüsselt und ungeschützt und für jeden Internetbenutzer einsehbar auf einem rumänischen Server aufgetaucht.

Die verantwortliche Bundesministerin Heinisch-Hosek fordert nun lücken­lose Aufklärung und meinte, wenn Konsequenzen gezogen werde müss­ten, würden diese auch gezogen. Datenschutz ist Chefsache und somit müssen Konsequenzen auch diese(n) betreffen.

Die Unterzeichneten Bundesräte stellen daher gemäß §61(3) GO-BR an die Bun­desministerin für Unterricht, Kunst und Kultur nachstehende

Anfrage

1.      Ist die angekündigte Abschaffung der Schulnoten in den Klassen 1-3 der Volksschule bereits mit Ihrem Regierungspartner ÖVP vereinbart?

2.      Ab welchem Schuljahr wird den Schülern in den ersten drei Klassen der Volksschule die Möglichkeit genommen, ihre Leistung an Hand von ziffern­mäßigen Noten nachvollziehbar einzuordnen?

3.      Wird es eine Möglichkeit geben, ähnlich wie bei aktuellen Schulversuchen, dass Erziehungsberechtigte eine ziffernmäßige Notenbeurteilung für ihre Schulkinder verlangen können?

4.      Ist die Abschaffung aller Schulnoten, wie im Österreich-Interview im Dezem­ber angekündigt, bereits mit Ihrem Regierungspartner ÖVP vereinbart?

5.      Wenn ja, wann wird dieses Vorhaben umgesetzt?

6.      Wenn nein, wollen Sie dieses Vorhaben, das Sie bis 2018 umsetzen wollen. in der nächsten Gesetzgebungsperiode gegebenenfalls mit anderen Parteien umsetzen?

7.      Wie viele Schulen wollen Sie 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 in Neue Mit­telschulen umwandeln und damit auch gute Schulen nach unten nivellieren?

8.      Wie viele Schüler werden künftig (2014, 2015, 2016, 2017 und 2018) in eine Neue Mittelschule gehen müssen?

9.      Wie werden die Mehrkosten (It. RH 2.500 Euro/Schüler und Jahr gegenüber der AHS) finanziert?

10.   Ist die Abschaffung der Matura bereits mit Ihrem Regierungspartner ÖVP vereinbart?

11.   Wenn ja, wann wird dieses Vorhaben umgesetzt?

12.   Wenn nein, wollen Sie dieses Vorhaben in der nächsten Gesetzgebungsperi­oder mit anderen Parteien umsetzen?

13.   Sollen Ihrer Meinung nach mit dem Wegfall der Matura für den Zugang in den tertiären Bildungsbereich separate Aufnahmeprüfungen eingeführt werden?

14.   Wenn nein, soll dann jeder, der seine Schulzeit absolviert hat ‑ ohne Noten und Sitzbleiben ‑ studieren können?

15.   Welche Maßnahmen haben Sie auf den Hinweis vom 8. Dezember 2013, dass es im bifie ein Datenleck gibt, gesetzt?

16.   Wieso wurden die Öffentlichkeit oder zumindest die betroffenen Personen nicht von Ihnen bereits im Dezember darüber informiert, dass sensible perso­nenbezogene Daten des bifie datenschutzrechtlich gefährdet sind?

17.   Ist es der neue Stil der Bundesregierung ‑ wie zB. auch im Fall der Hypo- Alpe-Adria -, „information hiding“ zu betreiben?

18.   Können Sie es ausschließen, dass weitere Daten des bifie ‑ wie zB. Fragen der Zentralmatura - öffentlich abrufbar im Internet landen?

19.   Wenn ja, wie begründen Sie das?

20.   Wenn nein, wird die Organisation der Zentralmatura jemand anderem über­tragen oder können Sie sich vorstellen, die Zentralmatura noch einmal zu verschieben?

21.   Welche Firmen sind im Umfeld des bifie tätig?

22.   Welche dieser Firmen ist für die Datensicherheit zuständig?

23.   Wie hoch war das Auftragsvolumen für diese Firmen, aufgegliedert nach Fir­ma und Jahr seit 2008?

24.   Gab es für die einzelnen Leistungen eine Ausschreibung?

25.   Wenn nein, für welche Leistungen gab es keine Ausschreibung und warum nicht?

26.   Sind Firmen, die für das bifie tätig sind, auch für Ihr Ministerium tätig?

27.   Wenn ja, welche Firmen sind das, wie hoch war das Auftragsvolumen für die­se Firmen, aufgegliedert nach Firma und Jahr seit 2008?

In formeller Hinsicht wird gemäß §61(3) GO-BR verlangt, diese Anfrage vor Ein­gang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln und der Erstunterzeichnerin Gelegenheit zur Begründung zu geben.

 

Wien, am 26.2.2014