2980/J-BR/2014
Eingelangt am 26.03.2014
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möglich.
Anfrage
des Bundesrates Herbert
an die Bundesministerin für Inneres
betreffend Cobra-Einsatz bei Wilderer-Blutbad in Annaberg/NÖ
Der Polizeieinsatz am 17. Sept. 2013 in 3223 Annaberg, Bezirk Lilienfeld, der mit der höchsten Opferzahl von 4 toten Einsatzkräften, als unfassbare Tragödie in die österreichische Polizeigeschichte eingegangen ist, wirft Monate später noch immer wichtige Fragen auf, die es dringend zu beantworten gilt.
Die Geschehnisse vom 16. – 18. September 2013 müssen als zwei unterschiedliche polizeiliche Einsatzlagen gesehen und auch als solche bewertet werden. Eine seriöse Evaluierung der tragischen Ereignisse muss sich daher auch mit beiden Einsatzlagen gesondert befassen.
Einsatzlage 1: Vorpasshaltung in 3223 Annaberg bei Mariazell und Umgebung
Hier handelte es sich um einen geplanten Polizeieinsatz im freien Gelände und bewaldeten Gebiet, um einen Wilderer, der seit Jahren Hirsche tötet, köpft und die Kadaver zurücklässt, auf frischer Tat zu betreten.
Im Jahre 2012 wurde entschieden, dass das EKO-Cobra den Einsatz übernimmt und ein Einsatzkonzept wurde erstellt. Dieses sah einen Kräftebedarf von 1/12 Cobra-Beamten vor, wobei ein Präzisionsschützen-Team mit eingebunden war. Weiters waren 4 zivile Einsatzfahrzeuge, davon 2 gepanzerte Limousinen vorgesehen.
Im September 2012 wurde dieses Einsatzkonzept auch umgesetzt. Vom 1.-15. Oktober 2012 wurde dann auf 10 Mann reduziert.
Im Jahre 2013 kamen nur mehr 3 Cobra-Beamte ohne gepanzertes Einsatzfahrzeug zum Einsatz. Die restlichen Beamten setzten sich aus Kräften unterschiedlicher Organisationseinheiten der Regulärstruktur zusammen.
Einsatzlage 2: Täterlage in 3390 Melk Großpriel, Anwesen des Mörders Alois Huber
Dabei handelte es sich um eine Täterlage, bei dem sich der mordverdächtige Alois Huber in seinem Haus verschanzte und stundenlang gezielte Schüsse gegen Polizeikräfte abgegeben hatte. Er beschoss dabei auch Cobra-Beamte in einem zivilen Einsatzfahrzeug, die nur aufgrund der Panzerung des Fahrzeuges unverletzt blieben. Die Erstürmung des Objektes durch das EKO-Cobra dauerte mehrere Stunden. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten im Haus (mehrgeschossig, verwinkelt, blinde Türe und Schutzbunker) waren die Cobra-Beamten einer außerordentlich hohen physischen und psychischen Belastung ausgesetzt.
Bei Betrachtung der medialen Berichterstattung, beginnend vormittags am 17. Sept. 2013, fiel auf, dass es dem Innenressort offenbar wichtig war, nicht zu viel über die Vorkommnisse aber auch über die Hintergründe der Ereignisse preiszugeben. Da bei der ersten als auch den folgenden Pressekonferenzen lediglich ein rechtskundiger Beamter zu den Vorfällen Stellung genommen hatte, war für Insider klar, dass an dem Fall auf Polizeiseite nicht alles einwandfrei gelaufen sein dürfte.
Da viele Beamte, insbesondere die des EKO-Cobra, über die folgenden Stellungnahmen des Innenressorts irritiert waren, wurden zahlreiche Medien anonym über die tatsächlichen Vorkommnisse informiert. Dabei wurde bekannt, dass nicht 13, sondern lediglich 3 Cobra-Beamte ohne gepanzertem Fahrzeug im Einsatz waren. Und, dass die Kräftereduzierung ohne Veränderung der Ausgangslage vorgenommen wurde. Kritisiert wurde auch, dass es keine Nachtsichtgeräte, Nachtsichtbrillen oder nachtsichttaugliche Visiereinrichtungen für Polizeiwaffen gegeben habe.
Das EKO-Cobra ist dafür bekannt, dass Einsatzlagen in einem konzeptiven Vorgehen bewältigt werden. Diese Konzepte sind den Kräften der Regulärstruktur nicht geläufig und können sie daher auch nicht im Verband mit Cobra-Kräften anwenden. Es war daher die Zusammensetzung der Einsatzkräfte im Jahre 2013 im Zielgebiet Annaberg für die Lagebewältigung, gemäß dem Einsatzkonzept der Cobra-Taktiker, nicht machbar. Das atypische Verhalten des Täters hat die Überforderung der Kräfte der Regulärstruktur mit aller Deutlichkeit aufgezeigt.
Die Begründung, warum man vom ursprünglichen Einsatzkonzept mit 13 Cobra-Beamten abgegangen ist und einer Vermischung mit Kräften der Regulärstruktur den Vorzug gegeben hat, wird essenzielle für die Beurteilung der Verletzung der Garantenstellung durch Vorgesetzte oder den Dienstellenleiter sein.
Denn, was gab den Ausschlag für den Einsatz von 13 Cobra-Beamten im Jahre 2012 und was war für die Reduzierung auf 3 Beamte im Jahre 2013 verantwortlich.
In Cobra-Kreisen wird die Meinung vertreten, dass bei der vollen Stärke der Cobra-Kräfte der Täter vom Gebiet Annaberg nicht weggekommen wäre und somit die Tötungen der beiden Beamten der Sektorstreife Scheibbs zu verhindern gewesen wäre.
Bei der Einsatzlage in Großpriel wurde weiters festgestellt, dass nicht ausreichend Einschubplatten zur Erhöhung der Beschussklasse für die ballistischen Schutzwesten zur Verfügung gestanden haben, worauf diese Platten bei Ablösen der Beamten vor Ort untereinander weitergegeben werden mussten.
Da von den Verantwortlichen der Polizei, gesicherte Informationen über Fehlentscheidungen, weiterhin bestritten werden, liegt es nahe dass ein Organisationsversagen nicht nur möglich erscheint, sondern als sicher anzunehmen ist.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für Inneres nachstehende
Anfrage:
86. Wurde Alois Huber in Hinblick auf sein KFZ (Toyota Hilux) überprüft?
87. Wenn nein, warum nicht?
98. Welche Beschussklasse wäre bei ballistischen Schutzwesten oder der Panzerung bei Fahrzeugen notwendig gewesen, um vor der von A. Huber verwendeten oder besessenen Munition geschützt gewesen zu sein?
99. Waren genügend Schutzwesten mit der benötigten Beschussklasse vor Ort?
100. Waren genügend Schutzplatten für diese Beschussklasse vor Ort?
101. Wenn nein, warum nicht (aus einem anonymen Schreiben geht hervor, dass diese nicht ausreichend vorhanden waren)?
102. Haben ballistische Schutzwesten eine Garantiezeit?
103. Wenn ja, hat die Cobra Schutzwesten in Verwendung, wo diese Garantiezeit bereits überschritten ist?
104. Wenn ja, wie viele Schutzwesten sind das?
105. Wenn nein, warum haben dann einige Cobra-Beamte noch immer alte Gendarmarie-Westen und Helme?
106. Warum musste für die Erstürmung des Anwesens von Alois Huber ein Panzerfahrzeug der WEGA aus Wien angefordert werden?
107. Warum musste das Bundesheer um Assistenz ersucht werden und ebenfalls mit 3 Panzern das EKO-Cobra unterstützen?
108. Besitzt das EKO-Cobra keine solchen Fahrzeuge, um ein gesichertes Vorgehen für die Cobra-Beamten zu garantieren?
109. Warum waren die Sonderfahrzeuge „MARS“ (Rampen-Fahrzeug) der Cobra für den Einsatz unbrauchbar?
110. Wer, wenn nicht die Cobra, muss auch unter möglichem Beschuss ein Objekt erstürmen, wofür wurden diese MARS-Fahrzeuge angeschafft, wenn sie im Anlassfall nicht eingesetzt werden können?
111. Wie viele MARS-Fahrzeuge gibt es in Österreich?
112. Wie viel haben diese Fahrzeuge gekostet?
113. Wer ist für die Anschaffung verantwortlich?
114. Stimmt es, dass einige dieser Fahrzeuge wieder verkauft werden sollen?
115. Stimmt es, dass für Reparaturen ein eigenes Werkzeug erforderlich ist, das aber in Österreich nicht erhältlich ist?
116. Wer übernahm die Einsatzleitung für die Unterstützungskräfte Annaberg unmittelbar nach dem Schusswechsel?
117. Welche Maßnahmen wurden vom Einsatzleiter festgelegt, nachdem der Einsatz eine dramatische Wende genommen hatte?
118. Wer übernahm die Einsatzleitung der Cobra-Kräfte im Bereich Annaberg?
119. Welche Maßnahmen wurden vom Cobra-Einsatzleiter getroffen?
120. Wer übernahm die Einsatzleitung in 3390 Melk Groß Priel?
121. Ab wann, wusste man, dass keine Geisellage vorlag?
122. Warum verstrich so viel Zeit, bis in das Objekt eingedrungen wurde?
123. Wer entschied, dass die Außenmauer eingerissen wurde, um einen gefahrlosen Zugang in das Haus zu schaffen?
124. Ist es richtig, dass insbesondere MR Treibenreif von dieser Vorgehensweise vorerst Abstand nehmen wollte?
125. Wenn ja, ist es richtig, dass MR Treibenreif nach den tragischen Ereignissen in Annaberg wieder das Leben seiner Einsatzkräfte riskieren wollte, indem er diese durch eine – möglicherweise mit Sprengfallen gesicherte - Eingangstüre schicken wollte?
126. Wenn ja, ist dieser Vorgesetze weiter als Direktor für Sondereinheiten tragbar?
127. Wer war Gesamteinsatzleiter?