3019/J-BR/2014

Eingelangt am 24.07.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätlnnen Efgani Dönmez, Heidi Reiter; Gerald Zelina an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Verantwortung und Rolle des Finanzminister und des Rechnungshofpräsidenten

BEGRÜNDUNG

Die Hypo-Katastrophe, der Salzburger Finanzskandal, das Linzer Derivatgeschäfte- Debakel und die Probleme des Landes Tirol mit seiner Hypo sowie die suboptimalen Finanzveranlagungen des Landes Niederösterreich haben auf erschreckende Weise die Unzulänglichkeiten des Finanzinformationsrechts und der Finanzinformationspraxis für die öffentliche Hand offenbart. Finanzminister und Rechnungshofpräsident weigern sich anhaltend, durchgreifende, in ihrer Rechtsmacht stehende Änderungen vorzunehmen und für ihre Einhaltung zu sorgen. Sie schieben Verantwortungen und Handlungspflichten, die sie selbst treffen (was ohne „geradezu archivarischen Fleiß“ aus der Verfassung abzuleiten ist), auf die Länder und Gemeinden ab. Das Unionsrecht, das Verfassungsrecht, das Bundes –und das Landesrecht sind für beide offenbar vernachlässigbare Größen. Dieser Zustand ist untragbar.

Die unterfertigenden Bundesrätlnnen stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Welche Maßnahmen haben Sie und Ihre VorgängerInnen zur Durchführung der Fiskal-Rahmenrichtlinie 2011/85/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 8. November 2011 gesetzt? Um eine aussagekräftige und übersichtliche Darstellung wird ersucht!

2.    Im § 16 Absatz 1 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 steht: Absatz 1: „Das Bundesministerium für Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Rechnungshof Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Gebietskörperschaften insoweit regeln, als dies zur Vereinheitlichung erforderlich ist. Das Bundesministerium für Finanzen ist berechtigt, sich die Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Gebietskörperschaften vorlegen zu lassen und Auskünfte über deren Finanzwirtschaft einzuholen." Warum wird im Bundesrechnungsabschluss, an dessen Zustandekommen Sie maßgeblich mitwirken, nicht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich Form und Gliederung sowohl des Bundesvoranschlages als auch des Bundesrechnungsabschlusses die Bestimmungen für alle Gebietskörperschaften einheitlich, also nicht nur für Länder und Gemeinden, sondern gleich auch für den Bund in einer Verordnung geregelt werden könnten?

3.    Warum kommt das F-VG 1948 in dem vom Rechnungshof verfassten Bundesrechnungsabschluss nicht einmal im Abkürzungsverzeichnis vor?

4.    Die auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 F-VG 1948 ergangene Verordnung ist die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 1997 (VRV), die für Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände gilt. Warum werden Form und Gliederung von Bundesvoranschlag und Bundesrechnungsabschluss nicht auch gleich in der der VRV geregelt?

5.    Warum wird mit dem Verzicht darauf, auch Form und Gliederung von Bundesvoranschlag und Bundesrechnungsabschluss in der VRV zu regeln, auf eine Chance verzichtet, die Voranschläge und Rechnungsabschlüsse aller Gebietskörperschaften möglichst einheitlich bzw. sinnvoll aufeinander abgestimmt zu regeln?

6.    Warum wird mit dem Verzicht darauf, Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse aller Gebietskörperschaften einheitlich bzw. sinnvoll aufeinander abgestimmt in einer einzigen Verordnung zu regeln, darauf verzichtet für den Gesamtstaat und dessen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union, insbesondere deren Statistikbehörde, die konzernmäßige und in der Folge natürlich auch die fiskalpolitische Konsolidierung zu erleichtern?

7.    Warum wird mit dem Verzicht darauf, Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse aller Gebietskörperschaften einheitlich bzw. sinnvoll aufeinander abgestimmt in einer einzigen Verordnung zu regeln, die Chance vergeben, auf zeitgemäße, ausreichende und situationselastisch angemessen rasche Art und Weise auf die schwierigen Herausforderungen der dynamisch-komplexen Finanz- und Wirtschaftswelt des 21. Jahrhunderts zu reagieren?

8.    Werden Sie Initiativen ergreifen, um die unnötige Zersplitterung des Haushaltsrechts in der Republik zu beenden?

9.    Wie sehen diese Initiativen im Detail aus?

10.  Werden alle Gebietskörperschaften auf einmal von diesen Initiativen erfasst sein? Wenn ja, in welcher Form, welche wesentlichen Änderungen wird es also zum bisherigen Zustand geben?

11. Wann werden diese Initiativen voraussichtlich detailliert ausgeführt und in Rechtskraft erwachsen?

12.  Die VRV entbehrt hinsichtlich der Gemeindeverbände der verfassungsrechtlichen Deckung, weil Gemeindeverbände nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) keine Gebietskörperschaften sind. Warum wurde der Umstand, dass die VRV hinsichtlich der Gemeindeverbände der verfassungsrechtlichen Deckung entbehrt, nicht schon längst repariert?

13. Werden Sie die Reparatur der mangelnden verfassungsrechtlichen Deckung der VRV im Hinblick auf Gemeindeverbände in absehbarer Zeit anstreben? Wann? Welches Inkrafttretensdatum ist für diese Reparaturarbeit am F-VG 1948 absehbar?

14. Werden Sie diese Gelegenheit einer längst überfälligen Reparaturarbeit dazu nützen, die verfassungsrechtliche Ermächtigung für die VRV im § 16 Abs. 1 F- VG 1948 zu erweitern, damit es künftig unstrittig ist, dass in der VRV nicht nur Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse aller Gebietskörperschaften geregelt werden können, sondern selbstverständlich auch die wesentlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung sowie alle weiteren wesentlichen Vorschriften für eine moderne Staatsverrechnung?

15. Warum wurde hinsichtlich der überfälligen Lösungen für die HerausforderungenSpekulationsverbot und Spekulationstransparenz beim ohnehin bisher gescheiterten Lösungsversuch auf Bundesebene der verfehlte Ansatz gewählt, die Grundlage für beides in einem neuen § 17 F-VG 1948 zu schaffen, obwohl das in doppelter Hinsicht rechtssystematisch der falsche Ort dafür ist - zum einen, weil ein Spekulationsverbot als Einnahmenerzielungsverbot einheitlich für alle Gebietskörperschaften im § 8 F-VG  1948 zu regeln wäre und die Spekulationstransparenz andererseits auf verfassungsrechtlicher Ebene in erster Linie über den bestehenden § 16 Abs. 1 F-VG 1948 allenfalls noch klarstellend abzusichern wäre?

16. Dem Erfordernis der transparenten Darstellung von risikoaversen und risikoaffinen Finanzgeschäften könnten Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, schon auf Grund der geltenden Rechtslage durch die angemessene Ausnützung Ihrer Verordnungsmacht für die VRV im Einvernehmen mit dem Rechnungshof Genüge tun? Warum haben das Ihre VorgängerInnen nicht getan? Warum tun Sie es nicht?

17.  Warum drohen Sie im Regierungsprogramm damit, die Rechtsquellen für ein einheitliches Haushaltsrecht und Rechnungswesen aller Gebietskörperschaften zu splitten - durch den Hinweis auf völlig unnötige 15a-Vereinbarungen zu diesem Thema?

18.  Warum drohen Sie im Regierungsprogramm damit, die Rechtsquellen für ein einheitliches Spekulationsverbotsrecht zu splitten - durch den Hinweis auf völlig unnötige 15a-Vereinbarungen zu diesem Thema?

19.  In der so genannten Heiligenbluter Vereinbarung von 1974 hat sich der Finanzminister verpflichtet, die VRV immer nur im Vollkonsens mit den Ländern und Gemeinden zu ändern. Durch diese Vereinbarung können sich der Finanzminister und der Rechnungshofpräsident immer auf die Länder und Gemeinden ausreden, wenn es darum geht, für alle Gebietskörperschaften im Sinne der Erhaltung der finanziellen Staatssicherheit ausreichende, aussagekräftige und zuverlässige Information aus den staatlichen Rechenwerken zur Verfügung zu stellen. Werden Sie sich von der Bindung an die Heiligenbluter Vereinbarung, gemeinsam mit dem Rechnungshofpräsidenten, der genau so wenig wie sie an diese gebunden ist, verabschieden, um angemessen rasches und durchgreifendes Reagieren auf nationale und internationale Herausforderungen zu gewährleisten? Wenn ja, wann werden Sie die Heiligenbluter Vereinbarung in das Archiv der österreichischen Finanzverfassungsrechtsgeschichte befördern? Wenn nein, warum werden bzw. wollen Sie das nicht tun?

20.  Warum haben Sie und Ihre AmtsvorgängerInnen, gemeinsam mit dem gegenwärtigen und den vergangenen Rechnungshofpräsidenten sich überhaupt so lange an diese Vereinbarung gehalten, obwohl der EU-Beitritt Österreichs, die Stabilitäts- und Wachstumspakte und allerallerallerspätestens der Finanz-Supergau in Kärnten genügend Anlässe geboten haben, die Heiligenbluter Vereinbarung zu archivieren, womit Sie auch ohne Vollkonsens, gemeinsam mit dem Herrn Rechnungshofpräsidenten die VRV schon längst angemessen modernisieren hätten können?

21.  Der Rechnungshof ist sowohl nach der Bundes-Verfassung (B-VG) als auch nach dem Rechnungshofgesetz (RHG) dazu verpflichtet, die „Gebarung“ von Rechtsträgern zu prüfen. Anzunehmen ist, dass Rechnungshofprüfer wohl schon in ihrer Grundausbildung lernen, dass der Rechnungshof unbestritten Vollziehungsakte prüfen darf. Der Rechts- und Interventionswissenschaftler Michael Bernt erklärt dazu, dass es schon auf der Grundlage des Wortlautes des B-VG und des RHG, die von „Gebarung“ und nicht von „Stellen“ sprechen, klar sein muss, dass - Bernt nennt es „Verbindungsprinzip“ und hält es für zwingend und unabdingbar für die Überprüfungs- und Empfehlungs- wie auch Beratungstätigkeit des Rechnungshofs - das bedeutet, dass bei der Überprüfung eines Rechtsträger (z.B. eines Landes) selbstverständlich auch Vollziehungsakte eines anderen Rechtsträgers in die Gebarungsüberprüfung mit einzubeziehen sind, wenn sie für die Gebarung des primär zu überprüfenden Rechtsträgers von grundlegender Bedeutung sind. Genau das ist bei der VRV der Fall: Sie ist ein Vollziehungsakt des Bundesministers für Finanzen, der für die Gebarung von Ländern und Gemeinden von grundlegender Bedeutung ist. Halten Sie es vor dem Hintergrund dieses auch dem Hausverstand zugänglichen Umstandes für richtig und tragbar, dass der Rechnungshof bezüglich eines Vollziehungsakts, eben der VRV, Prüfungshandlungen am Ort der Erzeugung dieses Vollziehungsakts, dem Bundesministerium für Finanzen, bei Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, unterlässt?

22.  Halten Sie es für richtig und tragbar, dass der Rechnungshof bezüglich eines Vollziehungsakts, eben der VRV, die korrekte Adressierung - nämlich an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister - der wegen der erkannten Defizite notwendigen Empfehlungen unterlässt?

23.  Werden Sie aus den eben genannten Gründen den Herrn Rechnungshofpräsidenten dazu einladen, Vorsorge dafür zu treffen, dass der Vollziehungsakt VRV auf seine Tauglichkeit zur Gewährleistung ausreichender, aussagekräftiger und zuverlässiger Information für die Erhaltung der finanziellen Staatssicherheit in Zukunft am Ort seiner Erzeugung, nämlich im Bundesministerium für Finanzen, geprüft wird?

24.  Werden Sie aus den eben genannten Gründen den Herrn Rechnungshofpräsidenten dazu einladen, Vorsorge dafür zu treffen, dass Empfehlungen hinsichtlich des Vollziehungsakts VRV in Zukunft richtig, nämlich an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, adressiert werden?


25.  Sie haben - wie Ihre AmtsvorgängerInnen - die Möglichkeit, gemäß § 16 Abs. 1 2. Satz F-VG 1948, sich die Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Gebietskörperschaften vorlegen zu lassen und Auskünfte zu deren Finanzwirtschaft einzuholen. Können Sie für die Zeit seit dem EU-Beitritt Österreichs angeben, in welchen Fällen und mit welchem Erfolg im Sinne einer Änderung des Finanzinformationsverhaltens der Gebietskörperschaften dies der Fall war? Um die besondere Berücksichtigung der Themen „einheitliche Finanzschuldendarstellung“, „Haftungen“, „risikoaverse und risikoaffine Finanzgeschäfte“ und „nicht fällige Verwaltungsschulden“ wird dabei gebeten! Um eine nach Jahren gegliederte, aussagekräftige Übersicht wird ebenfalls ersucht!

26.  Die VRV sieht seit 40 Jahren vor, dass die Länder und Gemeinden ihre Haftungen ziffernmäßig in bestimmter Weise anzugeben haben. Ihre Vorgängerbestimmung hat diese Verpflichtung auch schon enthalten, sie war seit dem Rechnungsjahr 1950 rechtsverbindlich! Weder Sie, Herr Bundesminister, noch der Herr Rechnungshofpräsident, und auch nicht Ihre jeweiligen VorgängerInnen im Amt haben offenbar die Länder und Gemeinden deutlich und nachhaltig genug auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Das hat dazu geführt, dass diese Bestimmung sowohl von Ländern als auch Gemeinden teilweise Jahrzehnte lang, in brisanten Fällen bis in die jüngste Vergangenheit oder sogar Gegenwart herein, nicht eingehalten wurde. Können Sie uns erklären, warum sowohl die FinanzministerInnen als auch die Rechnungshofpräsidenten der Republik auch hinsichtlich der Haftungen für die Hypothekenbanken der Länder und die Sparkassen der Gemeinden Jahrzehnte lang so gut wie tatenlos diesem Fehlverhalten zugesehen haben?

27.  Der Finanzminister hat im Einvernehmen mit dem Rechnungshofpräsidenten seit 66 Jahren die Rechtsmacht, autoritativ festzulegen, was „nicht fällige Verwaltungsschulden“ sind und daraus abgeleitet auch ihre einheitliche Darstellung durch alle Gebietskörperschaften zu gewährleisten. Warum verzichten Sie, gemeinsam mit dem Rechnungshofpräsidenten, darauf, autoritativ festzulegen, was „nicht fällige Verwaltungsschulden“ sind und wie sie darzustellen sind, um einen Finanzinformationsstand für Gegenwart und Zukunft zu gewährleisten, der unter anderem dazu beitragen könnte, „Budgetlöcher“ rechtzeitig zu identifizieren und entsprechend zu reagieren?


28.  Das vom Rechts- und Interventionswissenschaftler Michael Bernt als verpflichtendes Prüfungs- und Empfehlungsprinzip formulierte und vorgeschlagene Verbindungsprinzip bleibt somit in einem wesentlichen Bereich der Kernkompetenz des Rechnungshofs, dem Haushaltsrecht und Rechnungswesen von Ländern und Gemeinden, völlig unberücksichtigt. Dafür trägt der Rechnungshofpräsident die Verantwortung. Er ignoriert es nachweisbar, obwohl sowohl der Gehalt als auch der zwingende Charakter des Verbindungsprinzips als Prüfungs- und Empfehlungsprinzip auch dem Herrn Rechnungshofpräsidenten wohl bekannt sein müssen bzw. durch die wissenschaftliche Arbeit von Bernt bekannt gemacht wurden. Das Verbindungsprinzip besagt nicht nur, dass die VRV im Finanzministerium zu prüfen und die Empfehlungen zur VRV an den Finanzminister zu richten sind; es besagt auch, dass bei einer Gemeindeprüfung die Gemeindeaufsicht in die Prüfungs- und Empfehlungstätigkeit als geprüfte Stelle und Empfehlungsadressat mit einzubeziehen ist, wenn haushaltsrechtliche Fehlleistungen der Gemeinde auch schon durch die Gemeindeaufsicht zu beanstanden gewesen wären. Werden Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, den Rechnungshofpräsidenten, der für die mangelnde Berücksichtigung des Verbindungsprinzips in der Prüfungs- und Empfehlungstätigkeit des Rechnungshofs die Verantwortung trägt, dazu ermuntern, das Verbindungsprinzip in Zukunft als verpflichtendes Prüfungs­und Empfehlungsprinzip, vor allem im Kernkompetenzbereich Haushaltsrecht und Finanzstatistik für alle Gebietskörperschaften, aber auch für die mit ihnen zusammenhängenden sonstigen Körperschaften und öffentlichen Unternehmen, zu berücksichtigen? Wenn ja, warum haben Sie und Ihre VorgängerInnen das nicht schon längst getan? Wenn nein, warum werden Sie es nicht tun?

29.  § 92 Abs. 9 Bankwesengesetz (BWG) lautet: Die einbringenden Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken, die Pfandbriefstelle der österreichischen Landes­Hypothekenbanken und Genossenschaften haften, sofern sie bestehen bleiben, mit ihrem gesamten Vermögen für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaft im Falle von deren Zahlungsunfähigkeit; mehrere Einbringende haften zur ungeteilten Hand. Wie aus dem Rechnungshofbericht zur Salzburger Landes-Hypothekenbank im Jahre 2004 und aus dem Rechnungshofbericht zum Kärntner Zukunftsfonds im Jahre 2013 hervorgeht, geht der Rechnungshof der Republik - irrigerweise, nämlich (laut Experten) in Verkennung der Unionsbeihilfenrechtswidrigkeit dieser Bestimmung des Bankwesengesetzes - davon aus, dass die Kärntner Landesholding auch für jene Schulden einstehen muss, welche die „Austrian Anadi Bank“ (Rechtsnachfolgerin der „österreichischen Hypo“) jetzt und in Zukunft macht. Welche Reichweite hat der § 92 Abs. 9 BWG Ihrer Rechtsansicht nach?


30.  Ist die Kärntner Landesholding und damit (jetzt noch) der Zukunftsfonds, dem Haftungszugriff der gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger der „Austrian Anadi Bank“ im Falle deren Konkurses ausgesetzt? Mit welcher Begründung schließen Sie das - entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut - aus?

31.  Werden Sie Initiativen zur ersatzlosen Aufhebung des § 92 Abs. 9 BWG setzen, weil er dem Unionsbeihilfenrecht und natürlich auch Wortlaut und Geist der Mont-Grasser-Vereinbarung von 2003 für ein Auslaufregime zu den Hypohaftungen der Länder und den Sparkassenhaftungen der Gemeinden widerspricht? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

32.  Das Salzburger Landesrechnungsgesetz vom Jahr 1930 enthält die Artikel 18 und 20, die Folgendes besagen - Artikel 18, Abs. 1: Die Landesregierung verfasst für das abgelaufene Haushaltsjahr den Rechnungsabschluss und legt ihn binnen 6 Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres dem Rechnungshöfe zur Überprüfung vor. Abs. 2: Abweichungen vom Haushaltsplane sind zu begründen. - Artikel 20: Die Landesregierung verfasst über das abgelaufene Haushaltsjahr den Rechnungsabschluss und legt ihn im folgenden Jahre nach Überprüfung durch den Rechnungshof dem Landtage zur Genehmigung vor. Der Rechnungshof geht in seinem Bericht zur finanziellen Lage Salzburgs - irrigerweise, weil sowohl im klaren Widerspruch zur Wortlautinterpretation als auch zur historischen Interpretation des Willens des Landesgesetzgebers - davon aus, dass in diesen Bestimmungen der Salzburger Landesrechnungshof angesprochen sei. Diese Rechtsauffassung des Rechnungshofs, die von seinem Präsidenten zu verantworten ist, ist selbst für den höchst wahrscheinlich nicht zutreffenden Fall, dass sie richtig sein sollte, sehr problematisch für den Rechnungshof. Es muss dann nämlich die Frage gestellt werden, warum der Rechnungshof der Republik die dann ja bereits seit 1993 zwingenden Berichte des Salzburger Landesrechnungshofs über den Salzburger Landesrechnungsabschluss nicht vermisst hat. Der Landesrechnungshofdirektor des Landes Salzburg wurde seitens der Vertreterin des Rechnungshofs auch in der Landtagssitzung, in der Landeshauptfrau-Stellvertreter Mag. David Brenner dem Landtag seinen ersten Bericht zur sogenannten „Salzburger Finanzaffäre“ gegeben hat, nicht daran erinnert oder darauf hingewiesen. Schließlich hat der Rechnungshof auch selbst in seinem Bericht nicht darauf hingewiesen, obwohl eine daraus abzuleitende Bemerkung naheliegend war - dass nämlich die Malversationen der Monika Rathgeber und die Führungs- und Kontrolldefizite in ihrem Umfeld eher hätten entdeckt werden können, wenn der Landesrechnungshof seit 1993 verpflichtend den Rechnungsabschluss des Landes Salzburg geprüft hätte. Werden Sie den Rechnungshofpräsidenten dazu auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass der Rechnungshof seiner Verpflichtung zur alljährlichen Prüfung des Rechnungsabschlusses des Landes Salzburg zumindest ab jetzt nachkommen wird? Wenn ja, wann werden Sie diese Aufforderung an den Herrn Rechnungshofpräsidenten richten? Wenn nein, warum werden Sie dies nicht tun?

33.  ln den Finanzkatastrophen und -debakeln der letzten Jahre haben sich die Landesrechnungshöfe nicht wirklich ausgezeichnet bewährt. Der Artikel 127 Abs. 5 B-VG lautete bis zur B-VG-Novelle 1948 wie folgt: Der Rechnungshof hat die Rechnungsabschlüsse auf Grund Einsichtnahme an Ort und Stelle in die Bücher und sonstigen mit der Gebarung im Zusammenhang stehenden Belege zu überprüfen und das Ergebnis der Überprüfung der Landesregierung mitzuteilen. Die Landesregierung legt den Bericht über das Ergebnis der Überprüfung dem Landtage zugleich mit dem Landesrechnungsabschluß vor. Werden Sie Initiativen für eine wesentlich verbesserte Kontrollarchitektur in Österreich ergreifen? Wenn ja, wann und in welche Richtung? Wenn nein, warum nicht?

34.  Der Bericht des Rechnungshofs zur Hypo Alpe Adria Bank hat in seinem Lead beinahe den Charakter eines Jubelberichts, auf die nicht einsehbaren Risiken des Balkangeschäfts wird in einem lapidaren Fünfzeiler am Ende des Leads verwiesen, selbst an diese Feststellung wird nicht die Empfehlung an das Land Kärnten abgeleitet, auf Haftungserklärungen für diese Engagements zu verzichten, weil die Haftungsrisiken völlig unwägbar seien - eine solche Empfehlung findet man in diesem Bericht nicht! Der Rechnungshof hat die horrend angestiegenen Haftungen des Landes Kärnten auch nach 2003 lange Zeit nicht geprüft, obwohl das auf Landesseite jedenfalls möglich gewesen wäre. Selbst in seinem Bericht über die Haushaltsstruktur Kärntens im Jahr 2009 erwähnt der Rechnungshof die Hypohaftungen des Landes Kärnten mit keinem Wort. Wenige Monate später hätten diese Haftungen ohne gesamtstaatliche Solidaritätsleistung jede Haushaltsstruktur in Kärnten zerstört! Haben Sie den Eindruck, dass der Rechnungshof unter seiner gegenwärtigen Führung mit der Lage in Kärnten angemessen umgegangen ist? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

35.  Werden Sie dafür eintreten, dass die Rolle des Rechnungshofs unter seiner gegenwärtigen Führung im Rahmen der Beurteilung des Gesamtgeschehens um die Hypo Alpe Adria Bank in die Untersuchungstätigkeit der Griss- Kommission einbezogen wird? Wenn ja, wann werden Sie das anregen? Wenn nein, warum werden Sie das nicht tun?


36.  Werden Sie dafür eintreten, dass in einem allfällig nach der Griss-Kommission tätig werdenden Untersuchungsausschuss zur Klärung der politischen und rechtlichen Verantwortungen im Gesamtgeschehen um die Hypo Alpe Adria Bank auch die Rolle des Rechnungshofs unter seiner gegenwärtigen Führung in die Untersuchung mit einbezogen wird? Wenn ja, wann werden Sie das anregen? Wenn nein, warum werden Sie das nicht tun?

37.  Die Rolle des Rechnungshofs in seiner Kontrollfunktion wirft zumindest in seiner Tätigkeit betreffend die Länder Kärnten und Salzburg und hinsichtlich der Außerachtlassung eines zwingend anzuwendenden Prüfungs- und Empfehlungsprinzips einige brisante Fragen auf und führt zu einigen dringenden und unabdingbaren Klärungserfordernissen. Werden Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, offenbar vorliegende Kontrolldefizite im österreichischen öffentlichen Finanzkontrollgeschehen, eben auch solche auf höchster Ebene, mit dem Herrn Rechnungshofpräsidenten ausführlich und lösungsorientiert erörtern? Wenn ja, wann und mit welcher Agenda im Detail? Wenn nein, warum nicht?

38.  Der Rechts- und Interventionswissenschaftler Michael Bernt hat bereits in seiner Master Thesis an der Wirtschaftsuniversität Wien (Bernt, Michael/König, Carmen, Staatsinsolvenz, Staatsrating und Staatssteuerung - nationaler und internationaler Handlungsbedarf unter besonderer Berücksichtigung des Beitrags der öffentlichen Finanzkontrolle“ zum Thema „Staatssteuerung“ zusammenfassend festgestellt: Solidaritätsleistungen haben Souveränitätskosten, was bedeutet, dass es auch die Möglichkeit einer bundeskommissarischen Verwaltung für ein Bundesland geben sollte, das mit der Führung seines Haushaltes überfordert ist, weil es nur durch die Bundesgemeinschaft vor einer Insolvenz bewahrt werden kann; das Anspannungsprinzip wäre auch für subnationale Einheiten anzuwenden, wenn durch einen verpflichtenden oder tatsächlichen Bail-Out durch die Bundesgemeinschaft existenzerhaltende Vorleistungen erbracht werden.“ Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, behaupten, gemeinsam mit anderen Vertretern der Bundesregierung, dass dem Bund keine rechtlichen Handhaben zur Verfügung stünden, um das Land Kärnten nachhaltig zu beeinflussen, sich angemessen an der Tragung der Hypolasten zu beteiligen. Dies stimmt nur teilweise, weil § 13 F-VG 1948 die Möglichkeit bietet, einem Land für bestimmte Zuschüsse gewisse Bedingungen aufzuerlegen. Werden Sie diese Möglichkeit gegenüber Kärnten nützen? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?


39.  Werden Sie neuartige Möglichkeiten schaffen, Souveränitätseinschränkungen für subnationale Einheiten (Gebiets- oder auch sonstige Körperschaften) vorzunehmen, wenn diese massiv Solidaritätsleistungen der Bundesgemeinschaft in Anspruch nehmen? Können Sie Vorstellungen für solche Maßnahmen wenigstens skizzieren? Wenn Sie solches nicht für erforderlich halten, warum nicht?

40.  Sie und der Rechnungshofpräsident schieben seit Jahren und Jahrzehnten die Verpflichtung zu durchgreifenden Reformmaßnahmen im Haushaltsrecht und Rechnungswesen auf Länder und Gemeinden ab, obwohl Sie beide selbst vom Unions- und Verfassungsrecht her klaren und längst überfälligen Handlungsbedarf haben und gehabt haben. Werden Sie diesen Handlungsbedarf jetzt endlich wahrnehmen? Wenn ja, wann endlich? Wenn nein, bis wann? Warum nicht schon längst?