3061/J-BR/2015

Eingelangt am 05.02.2015
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Gottfried Kneifel

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend der geplanten Schritte zur Modernisierung des Denkmalschutzes in Folge der Ratifizierung der europäischen Übereinkommen von Valetta und Faro durch die Republik Österreich

Mit Beschluss des Nationalrates vom 20.11.2014 und des Bundesrates vom 18.12.2014 hat die Republik Österreich die Ratifikation der Übereinkommen von Valetta (Europäische Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes (revidiert); 100/BNR, XXV. GP) und Faro (Rahmenübereinkommen des Europarates über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft; 101/BNR, XXV. GP) beschlossen.

Diese Übereinkommen beinhalten Verpflichtungen für die Umsetzung wesentlicher Schritte zur Verbesserungen des sowie zur Verstärkung der Bürgerbeteiligung im Bereich des (archäologischen) Denkmalschutzes. Wie eine jüngere repräsentative Umfrage der Universitäten Wien und Bangor (Karl et al. 2014, Archäologische Interessen der österreichischen Bevölkerung. Bericht und Analyse einer Umfrage, November 2013 - Jänner 2014. Bangor Studies in Archaeology, Report No. 8) gezeigt hat, besteht auch tatsächlich ein ausgeprägtes Interesse der österreichischen Bevölkerung an der Erhaltung und der Bürgerbeteiligung bei Schutz, Erhaltung, Untersuchung, Interpretation und öffentlicher Präsentation des archäologischen Erbes.

Wie dem Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Legislaturperiode 2013­2018 (Seite 48) entnommen werden kann, beabsichtigt die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode auch eine Modernisierung des Denkmalschutzes durch eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes. Diese erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass im archäologischen Denkmalschutz in Österreich schon seit langem zahlreiche gravierende Probleme bestehen, die dringlich einer Lösung bedürften, dringend angebracht.

Diese Probleme bestehen insbesondere in Bezug auf

         die Frage des Fund- und Befunddokumentationseigentums bei nach dem Verursacherprinzip finanzierten archäologischen Ausgrabungen;

         die teilweise unzureichende Einbindung des archäologischen Denkmalschutzes in Planungsprozesse im Sinne einer präventiven archäologischen Denkmalpflege;

         die nachhaltige Erhaltung, Lagerung und wissenschaftliche Auswertung von archäologischen Funden und Befunddokumentationen (die meisten archäologischen Archive Österreichs sind derzeit überfüllt);


         die Möglichkeit für an freiwilliger Bürgerbeteiligung im archäologischen Kulturgüterschutz interessierte Österreicher/innen, sich innerhalb der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen gemeinnützig in den Denkmalschutzprozess einzubringen;

sowie in geringerem Maß auch in anderen Bereichen des archäologischen Denkmalschutzes.

Obgleich der archäologische Kulturgüterbestand in Hinblick auf seine Vielfalt und Bedeutung dem Bestand in vergleichbaren europäischen Staaten um nichts nachsteht, erscheinen die gesetzlichen Schutzbestimmungen für diesen bedeutenden Bestand an archäologischen Denkmalen im internationalen Vergleich oft veraltet und für moderne Umstände unzureichend. Die Ratifikation der Übereinkommen von Valetta und Faro bietet daher einen geeigneten Anlass, über eine grundlegende Modernisierung des archäologischen Denkmalschutzes in Österreich nachzudenken und eine den gegenwärtigen Bedingungen angepasste Neuregelung einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen in Angriff zu nehmen.

 

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgende

Anfrage

1)      Wie sieht der Zeitplan für die im Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Legislaturperiode 2013-2018 (Seite 48) vorgesehene Novellierung des Denkmalschutzgesetzes aus?

2)       Falls es noch keinen Zeitplan dafür gibt, wann ist mit einem solchen zu rechnen?

3)      Welche Schritte zur Umsetzung der vorgesehenen Novellierung des Denkmalschutzgesetzes wurden von Ihrem Ministerium bereits umgesetzt bzw. in Angriff genommen?

4)       Beabsichtigen Sie, den archäologischen Denkmalschutz wie bisher weiter hauptsächlich im Denkmalschutzgesetz zu regeln oder planen Sie eine separate gesetzliche Regelung des archäologischen Kulturgüterschutzes (wie zuletzt im Vorfeld der Novellierung des DMSG im Jahr 1978 angedacht, aber später wieder verworfen; siehe DMSG RV 1990, 1275 der Beilagen XVII. GP, Seite 9)?

5)       Bereits derzeit findet der archäologische Kulturgüterschutz Berücksichtigung in Planungsvorhaben nach dem UVPG, wodurch allerdings keineswegs alle Planungsvorhaben abgedeckt sind. Es gibt daher zahlreiche Planungsvorhaben, in denen der archäologische Kulturgüterschutz entgegen der aus Art. 3 Abs. i lit. a, 3 Abs. ii und 5 Abs. i und ii des Übereinkommens von Valetta erwachsenden Verpflichtungen nur unzureichend oder überhaupt keine Berücksichtigung findet. Welche konkreten gesetzlichen Regelungen planen Sie, die sicherstellen, dass alle von Planungsvorhaben betroffenen archäologischen Kulturgüter in den Planungsprozessen ausreichende Berücksichtigung finden?

6)      Falls noch keine konkreten Maßnahmen geplant sind, beabsichtigen Sie, in dieser Legislaturperiode solche zu entwickeln; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?

7)       Im Bundesdenkmalamt sind derzeit 15 archäologische Fachkräfte beschäftigt. In Anbetracht der durchschnittlichen Flächenneuverbauung von derzeit ca. 22,4 ha pro Tag (Umweltbundesamt 2013. Zehnter Umweltkontrollbericht. Wien: Umweltbundesamt, Seite 247) ist dies sicherlich nicht ausreichend, um alle Planungsvorhaben fachlich adäquat begleiten und überwachen zu können. Welche konkreten Schritte planen Sie, die sicherstellen, dass ausreichende archäologische Expertise zur Verfügung steht, um alle Planungsvorhaben ausreichend fachlich begleiten und überwachen zu können?

8)      Falls noch keine konkreten Schritte geplant sind, dies sicherzustellen, beabsichtigen Sie in dieser Legislaturperiode solche Schritte zu planen und umzusetzen; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?


9)           Die archäologischen Bestimmungen des DMSG, insbesondere der derzeitigen §§ 8 und 11 DMSG, gehen in ihrer Struktur auf die Erstfassung des DMSG aus dem Jahr 1923 zurück und sind seitdem - trotz der „archäologischenʺ Novelle des DMSG im Jahr 1990 - grundsätzlich strukturell unverändert geblieben. Im Jahr 1923 bestanden mit den damals verfügbaren archäologischen Methoden nur zwei Möglichkeiten, die Präsenz noch nicht entdeckter archäologischer Hinterlassenschaften festzustellen; nämlich durch ihre geplante Entdeckung bei systematischen archäologischen Ausgrabungen oder ihre ungeplante („zufällige") Entdeckung bei anderen Erdarbeiten. Seit 1923 und selbst seit 1990 haben sich jedoch die archäologischen Methoden, insbesondere zerstörungsfreie Prospektionsmethoden wie Luftbildauswertung, geomagnetische und Bodenradarmessungen etc. massiv verbessert; ja es kann im Bereich der zerstörungsfreien archäologischen Vorerkundung berechtigter Weise von einer wissenschaftlichen Revolution gesprochen werden, in der österreichische Institutionen - z.B. das an der Universität Wien angesiedelte Luftbildarchiv, die ZAMG, oder auch das LBI ArchPro - in vielerlei Hinsicht weltführend sind. Welche konkreten gesetzlichen Regelungen planen Sie, um diese zerstörungsfreien Prospektionsmaßnahmen im Sinne einer präventiven archäologischen Denkmalpflege in Planungsprozesse einzubeziehen und damit gleichzeitig für eine verbesserte Erhaltung archäologischer Hinterlassenschaften in situ (wie in Art. 4 Abs. ii des Übereinkommens von Valetta vorgesehen), eine verbesserte Planbarkeit ihrer Erhaltung durch Dokumentation wo Erhaltung in situ nicht möglich ist und eine verbesserte wirtschaftliche Planungssicherheit im Bereich der Bauplanung zu sorgen?

10)          Falls sich noch keine solche Regelungen in Planung befinden, beabsichtigen Sie, in dieser

Legislaturperiode solche zu entwickeln; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?

11)          Derzeit bestehen in Folge der Bestimmungen der §§ 398-401 ABGB in Verbindung mit § 10 DMSG und § 17 Abs. 4 UVPG oft nur schwer zu lösende Probleme in Hinblick auf das Eigentum an archäologischen Funden. Folge davon ist, dass bedeutende archäologische Funde, die rein zufällig durch Privatpersonen oder bei privat finanzierten archäologischen Ausgrabungen gefunden werden, öffentlichen archäologischen Archiven nicht einverleibt werden können; während gleichzeitig diese öffentlichen Archive bereits derzeit oft nicht über ausreichende Kapazitäten für den bereits derzeit gegebenen Fundanfall verfügen. Welche konkreten gesetzlichen und administrativen Maßnahmen planen Sie, die sicherstellen, dass wissenschaftlich bedeutende archäologische Fundmaterialien in öffentliches Eigentum übergeführt und in öffentliche archäologische Archive aufgenommen und langfristig erhalten werden können?

12)          Falls noch keine solchen Maßnahmen in Planung sind, beabsichtigen Sie, in dieser Legislaturperiode solche zu entwickeln; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?

13)          Aus den gleichen Gründen und in Verbindung mit geistigen Eigentums- und Nutzungsrechtsregelungen bestehen teilweise gravierende Probleme in Bezug auf die wissenschaftliche Auswertung und Möglichkeit zur wissenschaftlichen Weiternutzung von archäologischen Dokumentationen, die von zufälligen Findern archäologischer Hinterlassenschaften oder im Rahmen von privat finanzierten archäologischen Ausgrabungen erzeugt wurden. Die derzeit gem. § 8 DMSG bestehende Fundmeldepflicht von Zufallsfunden und gem. § 11 Abs. 4 und 6 DMSG bestehenden Berichtspflichten über die Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen an das BDA sind für die weitere wissenschaftliche Verwertbarkeit archäologischer Dokumentationen nicht ausreichend, vor allem da deren Gebrauch durch außeramtliche Dritte von den Nutzungseigentümern dieser Dokumentationen untersagt werden kann. Welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen planen Sie, die eine ausreichende wissenschaftliche Dokumentation archäologischer Hinterlassenschaften und ausreichende wissenschaftliche Weiterverwertbarkeit von archäologischen Dokumentationen sicherstellen?


14)          Falls noch keine solchen Maßnahmen in Planung sind, beabsichtigen Sie, in dieser Legislaturperiode solche zu entwickeln; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?

15)          Art. 9 Abs. i des Übereinkommens von Valetta verpflichtet Vertragsparteien, bildungspolitische Maßnahmen mit dem Ziel durchzuführen, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für den Wert des archäologischen Erbes zum Verständnis der Vergangenheit sowie für die Gefahren, die dieses Erbe bedrohen, zu wecken und weiterzuentwickeln. Eine besondere Bedrohung dieses Erbes stellen dabei unautorisierte Grabungen dar, die in Österreich weiterhin viel zu häufig vorkommen. Welche konkreten bildungspolitischen Maßnahmen planen Sie, um die genannte Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit zu fördern?

16)          Falls noch keine solchen bildungspolitischen Maßnahmen geplant sind, beabsichtigen Sie in dieser Legislaturperiode solche zu entwickeln; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?

17)          Durch Art. 1 Abs. 4, Art. 4 lit. a und c, Art. 5 lit. c und d, Art. 11 lit. b-e und Art. 12 lit. a und c des Übereinkommens von Faro entsteht eine Verpflichtung zur Stärkung der Bürgerbeteiligung am Prozess der Bestimmung, Erforschung, Deutung, des Schutzes, Bewahrung und Darstellung des kulturellen Erbes. § 19 Abs. 1 Z 7 UVPG sieht eine ParteiensteIlung von gem. § 19 Abs. 7 anerkannten Umweltorganisationen vor; wobei bei Umweltverträglichkeitsprüfungen nach dem UVPG sowohl Auswirkungen von geplanten Vorhaben auf die natürliche als auch auf die kulturelle Umwelt (also insbesondere auch auf Kulturgüter) zu berücksichtigen sind. In § 19 Abs. 6 UVPG werden als Umweltorganisationen im Sinne dieses Gesetzes Vereine oder Stiftungen bestimmt, die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz der Umwelt haben. Gem. der Verfassungsbestimmung des § 19 Abs. 7 UVPG entscheidet der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des § 19 Abs. 6 UVPG erfüllt und in welchen Bundesländern diese zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist. Eine ParteiensteIlung für Vereine und Stiftungen, die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz von Kulturgütern haben, wie z.B. der Verein „Initiative Denkmalschutzʺ, scheinen dadurch nicht berücksichtigt zu werden. Auch ist derzeit nicht vorgesehen, dass Sie als Bundesminister für Kultur und damit auch Kulturgüterschutz an der Entscheidung gem. § 19 Abs. 7 UVPG mitwirken, ob eine Kulturgüterschutzorganisation die Kriterien des § 19 Abs. 6 UVPG erfüllt. Damit scheint derzeit keine adäquate Möglichkeit zu einer Bürgerbeteiligung am Kulturgüterschutz in UVP- Verfahren im Sinne der aus dem Übereinkommen von Faro erwachsenden Verpflichtungen gegeben zu sein. Beabsichtigen Sie, auf eine der Berücksichtigung von Naturschutzorganisationen gleichwertige Berücksichtigung von

Kulturgüterschutzorganisationen im UVPG hinzuwirken, um eine effektive Bürgerbeteiligung an UVP-Verfahren auch im Bereich des Kulturgüterschutzes zu ermöglichen?

18)          Falls ja, wann beabsichtigen Sie welche konkrete Schritte zum Erreichen dieses Zieles zu setzen?

19)          Das Übereinkommen von Faro verpflichtet in den genannten Bestimmungen Vertragsparteien ganz allgemein dazu, die Bürgerbeteiligung am Prozess der Bestimmung, Erforschung, Deutung, des Schutzes, Bewahrung und Darstellung des kulturellen Erbes zu stärken. Daran besteht auch tatsächlich, wie in der Begründung zu dieser Anfrage ausgeführt, ein bedeutendes Interesse in der österreichischen Bevölkerung. Derzeit wird eine breite Bürgerbeteiligung an diesem Prozess im Bereich der archäologischen Denkmalpflege allerdings sowohl durch gesetzliche Bestimmungen als auch durch eine unzureichende finanzielle Förderung von fachlich adäquat betreuten Bürgerbeteiligungsprogrammen behindert. In anderen europäischen Ländern - man denke nur z.B. an das Portable Antiquities Scheme in Großbritannien (zuletzt mit kurzer Zusammenfassung des Systems analysiert in Murgia et al. 2014, Archäologisches Korrespondenzblatt 44/3, 353-68) oder das Projekt „Archäologie und Ehrenamt" im benachbarten Bayern (siehe dazu Mayer et al. 2012. Archäologie und Ehrenamt. Denkmalpflege Themen 3/2012, München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) - gibt es hingegen bereits Systeme, die archäologische Bürgerbeteiligung fördern. Welche konkreten Schritte planen Sie, um im Sinne des Art. 11 lit. b des Übereinkommens von Faro rechtliche, finanzielle und berufliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein gemeinsames Vorgehen von Behörden, Fachpersonen, Eigentümern, Investoren, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft im Bereich des archäologischen Kulturgüterschutzes ermöglichen?

20)          Falls noch keine derartigen Schritte geplant sind, beabsichtigen Sie, in dieser

Legislaturperiode solche zu setzen; und falls ja, wann ist mit Planungen dafür zu rechnen?