3064/J-BR/2015

Eingelangt am 12.03.2015
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DRINGLICHE ANFRAGE

 

der Bundesrätin Monika Mühlwerth

und weiterer Bundesräte

an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

 

betreffend Beharrung auf gescheiterten sozialistischen „Bildungsphantasien“ auf Kosten der Zukunft unserer Kinder

 

Österreich hat das teuerste Bildungssystem, seine Schüler sind aber nur Mittelmaß“, das ist laut Rechnungshof das Ergebnis der gescheiterten sozialistischen Bildungspolitik.

Das bereits im Jänner 2014 amtlich dokumentierte Scheitern der neuen Mittelschule (Lehrpersonalaufwand pro Schüler ist um 53% höher als bei der AHS-Unterstufe, die Testergebnisse aber wesentlich schlechter) ist nun auch im Evaluationsbericht der NMS bestätigt worden.

Die ohne diesen Evaluierungsbericht abzuwarten, überhastet mit 1. September 2012 ins Regelschulwesen überführte NMS, hat keine signifikante Verbesserung sondern teils Verschlechterungen gebracht, obwohl der Lehrpersonalaufwand pro Schüler um knapp 10% gegenüber der „alten“ Hauptschule gestiegen ist.

Die Autoren der Evaluation, die zwei Monate unter Verschluss gehalten und nun Anfang März 2015 veröffentlicht wurde, kommen zu folgender Bewertung:

„Die Erreichung der pädagogischen Ziele kann an den untersuchten ersten beiden Generationen der NMS nicht in dem erwarteten Ausmaß festgestellt werden.

Der Beitrag der NMS in gesellschaftlicher Hinsicht, insbesondere zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit, ist nach den bisher vorliegenden Daten eher gering. Dies liegt auch daran, dass beim Eintritt in die NMS wesentliche Weichenstellungen bereits getroffen wurden bzw. prägende Einflüsse auf das Vorwissen und das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler bereits stattgefunden haben und nicht mehr grundlegend modifiziert werden können.“

Statt über bestmögliche Bildung in Kindergarten und Volksschule zu reden, dreht sich die politische Debatte seit vielen Jahren fast ausschließlich um die gemeinsame Schule für alle Zehn- bis 14-Jährigen.

Bereits nach Bekanntwerden der ersten Testergebnisse der NMS im Jänner 2014 meinte die Bildungssprecherin der ÖVP, Brigitte Jank: „Daher muss man sich schon fragen, ob die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden“.

Der „Entsandte“ der Grünen im Salzburger Landesschulrat, Bildungsexperte Günter Haider, forderte bereits vor einem Jahr den sofortigen Stopp: „Unsere Kinder sind ja keine Versuchskaninchen. Wenn man schon weiß, dass eine bestimmte Schulform kein Erfolg ist oder keinen Erfolg bringt, ist es aus meiner Sicht ethisch nicht vertretbar, diese Schulen und Schüler quasi alle umzuwandeln, ob sie wollen oder nicht. Jetzt gehört ein Stopp her.“ Nun setzte er in einem Kronen-Zeitungs-Interview nach: „Der Bericht über die Neue Mittelschule habe mit den Märchen über Spitzenleistungen aufgeräumt, doch das werde von der Unterrichtsministerin einfach nicht zur Kenntnis genommen. Das Ministerium befinde sich in einem traurigen Zustand, betroffene Lehrer, Schüler und Eltern werden gezielt angeschwindelt – dafür würden seit Jahren millionenteure PR-Agenturen beschäftigt.

Der Klubobmann der ÖVP, Reinhold Lopatka, hatte im Sommer 2014 auch endlich Zweifel, ob der Ausbau der Neuen Mittelschule der richtige Schritt war. Gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten stellt er auch einen Stopp der Umstellung in den Raum: „Im Ernstfall muss man auch den Mut haben, das rückgängig zu machen“, sagt er. Als Entscheidungsgrundlage soll der Anfang nächsten Jahres erwartete Evaluierungsbericht über die Neue Mittelschule dienen.

Nach vorliegen der Evaluierung meinte er nun gegenüber der Kronen Zeitung: „Warum soll man krampfhaft etwas weiterführen, wenn die Ziele nicht erreicht werden“.

Die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) kritisierte das Modell der Neuen Mittelschule bereits im Juli 2014: "Ich glaube, dass man das Konzept der NMS überdenken muss. Ich bezweifle, ob das so sinnvoll ist. Da herrscht dringend Handlungsbedarf".

Neben dem Scheitern des zentralen sozialistischen Bildungsprojektes der letzten Jahre, gab es im Unterrichtsministerium eine geradezu beispiellose Pleiten-, Pech- und Pannenserie:

Ende Februar 2014 wurde bekannt, dass kurz nach Amtsantritt der neuen Ministerin, am 18. Dezember 2013, das Ministerium von einem Datenleck beim bifie informiert wurde, aber keine Handlungen gesetzt wurden. Ergebnis war, dass mehr als 400.000 Testergebnisse und Daten von 37.000 Lehrern unverschlüsselt und ungeschützt und für jeden Internetbenutzer einsehbar auf einem rumänischen Server gelegen sind.

Daraufhin wurde die Teilnahme an den PISA-Testungen 2015 abgesagt und trotz heftiger Kritik von allen Seiten darauf beharrt. Es dauerte drei Monate, bis im Unterrichtsministerium wieder ein Umdenken stattgefunden hat und Ende Mai 2014 eine Teilnahme am PISA-Test 2015 verkündet wurde.

Wolfgang Türtscher, Obmann der ÖAAB-Lehrer Vorarlberg, sprach bereits damals davon, dass die sich seit Jahren in Einführung befindliche „Standardisierte kompetenzorientierte Reifeprüfung“ – trotz intensiver Bemühungen und Mehrarbeit der damit befassten Lehrer – eine Geschichte von „Pleiten, Pech und Pannen“ ist, die das Unterrichtsministerium und das BIFIE (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens) zu verantworten hat.

Bei der Zentralmatura 2014 gab es Probleme bei den Englisch- und Französisch-Arbeiten: Statt 60 Prozent wie bei den bisherigen Probeläufen mussten in Englisch für eine positive Note 63 Prozent der Punkte erreicht werden, in Französisch mehr als 62 Prozent.

In Mathematik musste die Matura an fünf Wiener AHS wegen fehlender Beispiele unterbrochen werden.

Und bei der Deutsch-Matura stand ein Text zur Auswahl, der nationalsozialistisches Gedankengut vertritt.

Die Wiener SPÖ-Stadtschulratspräsidentin meinte dazu, dass mit dieser Vorgehensweise das System der Zentralmatura „zu Grabe getragen“ werde.

Beim mitverantwortlichen BIFIE wurden die Direktoren abgesetzt und eine BIFIE-Reform bis Ende 2014 angekündigt. Eine Reform die noch immer aussteht.

Trotz massiver Verunsicherung der Schüler, aber auch der Lehrer wurden Vorbereitungsstunden  gekürzt. Um dann als Kompromiss anzubieten, dass einige Tage unmittelbar vor der schriftlichen Matura für die Vorbereitung – der Wochen später stattfindenden mündlichen Matura – genützt werde können.

An manchen Schulstandorten wurde der Zeitpunkt der mündlichen Matura so gewählt, dass sie auf den gleichen Tag wie die Aufnahmeprüfung an den medizinischen Universitäten gefallen wäre. Als „Lösung“ – nach heftigen Interventionen – wurde angeboten, dass die betroffenen Schüler drei(!) Tage früher maturieren könnten.

Eine ähnliche Fehlplanung gibt es mit den Stellungsterminen. Etliche Schüler haben für den Zeitpunkt der Maturaprüfung einen Einberufungsbefehl zur Stellung erhalten.

Die vorwissenschaftliche Arbeit (vwa), die auch der Regierungspartner als überaus problematisch sieht („Als überaus problematisch sehe ich aber das geplante dritte Element, die 'vorwissenschaftliche Arbeit', an. Schon der Begriff ist ganz unglücklich, vor allem aber fehlt jegliche Voraussetzung, wie sie an der Universität erst ein Proseminar schafft. Von der bald grassierenden Themennot einmal abgesehen, werden sich Tauschbörsen im Internet bilden, 'copy and paste' feiern Triumphe.“, formulierte der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im August 2012 in einem Standard-Gastkommentar), war die nächste Baustelle:

Im Zusammenhang mit der VWA war nicht einmal klar, wie viel die Maturanten genau schreiben müssen: Verlangt werden nämlich laut 'Reifeprüfungsverordnung' 40.000 bis 60.000 Zeichen inklusive Leerzeichen und exklusive Vorwort, Inhalts-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis. Bei den Fußnoten gab es hingegen widersprüchliche Informationen aus dem Ministerium.
Auf der Seite www.ahs-vwa.at stand in der Rubrik 'FAQ' bis Anfang 2015 zur Frage der Fußnoten gar nichts, seit Jänner gibt es die Frage 'Sind Fußnoten bei der Ermittlung der Textlänge zu berücksichtigen?' mit der Antwort 'Quellenangaben sind wie das Literaturverzeichnis zu behandeln, also nicht mitzuzählen' und seit dem letzten Unterrichtsausschuss Ende Jänner 2015 ist die Antwort ergänzt worden um den Zusatz, dass die Fußnoten, sofern es sich um Erläuterungen handelt, in die 40.000 bis 60.000 Zeichen schon eingerechnet werden dürfen. Im Ausschuss meinte Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek zu www.ahs-vwa.at lapidar, es interessiert sie nicht, was auf einer privaten Homepage steht – nicht wissend, dass der Betreiber dieser Seite das BMBF, Abteilung L I/3, selbst ist.

Hat der angehende Maturant dann genügend oder auch nicht genügend geschrieben, wurde er auf Grund technischer Probleme stunden- und nächtelang gehindert, seine Arbeit rechtzeitig elektronisch abzugeben. 'Upps, das hätte nicht passieren sollen ...' meldete der Server, auf den die Arbeit hinaufgeladen werden sollte, tagelang zurück. Nicht einmal die Lehrer konnten darauf zugreifen.

Pannen gab es auch beim Probelauf für die Englisch-Zentralmatura Anfang März. So sind unter anderem auch bereits zuvor veröffentlichte Aufgaben verwendet worden. Im Vorfeld musste außerdem eine „missverständlich interpretierbare“ Angabe ergänzt werden.

Neben einer ganzen Sektion im Ministerium und dem millionenteuren BIFIE wird nun auch noch ein externes Projektmanagement beauftragt, damit ein Projekt, das jahrelang vorbereitet wurde, ein Jahr verschoben wurde und das in vielen europäischen Ländern funktioniert, ohne weitere Pleiten, Pech und Pannen über die Bühne geht. Ginge es nach der Wiener Stadtschulratspräsidentin, so könnte die Zentralmatura „im Bildungsministerium bewerkstelligt werden“. Von der Performance des BIFIE hält sie nicht viel.

Doris Vetterman zieht zu dieser Serie in der Kronen Zeitung am 9.3.2015 folgendes Resümee: „Die eine oder andere Panne? Die Liste der peinlichen Fauxpas bei der Zentralmatura sprengt mittlerweile ja jede Dimension.“

Ex-SPÖ Finanzminister Hannes Androsch attestiert in der Krone-Zeitung am 10.3., dass die Pannenserie bei der Zentralmatura eine „Meisterleistung in Sachen Missmanagement“ sei und fordert die Auflösung des BIFIE.

 

Das Ö1-Journal meldet am 10.Oktober 2014: „Das Unterrichtsministerium kämpft mit massiven Geldproblemen. Es gibt Schwierigkeiten, die Miete für die Schulgebäude zu bezahlen. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hofft daher auf eine Stundung von 100 Millionen Euro an Miete bei der Bundesimmobiliengesellschaft

 

In einem Brief an Finanzminister Hans-Jörg Schelling fordern Sie im Februar 2015 eine Aufstockung des Unterrichtsbudgets um 200 Millionen Euro, obwohl Sie die vereinbarten Einsparungen von 300 Millionen Euro laut Finanzministerium noch nicht umgesetzt haben.

Doris Vetterman befürchtet in der Kronen Zeitung vom 9.3.2015, dass Sie im Regen stehen gelassen werden: „Bei dieser massiven Realitätsverweigerung

Verwundert es auch nicht mehr, dass die Ministerin das Gefühl hat, dass alle hinter ihr stehen. Tatsächlich jedoch hat Kanzler Werner Faymann Heinisch-Hosek in der Frage der Verländerung der Lehrer bereits overruled. Und so wiederholt

sich offenbar, was Faymann bereits an Heinisch-Hoseks Vorgängerin Claudia Schmied erprobt hat, nämlich sie im Regen stehen lassen.“

 

Angesichts des gescheiteten sozialistischen Bildungsprojekts „Neue Mittelschule“ und der schier endlosen Pleiten-, Pech- und Pannenserie stellen die unterzeichneten Bundesräte gemäß §61(3) GO-BR an die Bundesministerin für Bildung und Frauen nachstehende

 

Anfrage

 

1.     Was waren die Ziele bei der Einführung der Neuen Mittelschule?

2.     Welche dieser Ziele wurden nicht erreicht, und wie begründen Sie das?

3.     Sind Sie in Bezug auf die NMS der gleichen Meinung wie Klubobmann Lopatka, dass man diese nicht krampfhaft weiterführen soll, wenn die Ziele nicht erreicht werden?

4.     Ist die Ansage, dass die sechs Zusatzstunden für die NMS künftig beliebig „ausgegeben“ werden können, ein Eingeständnis, dass das Konzept „NMS“ nicht funktioniert?

5.     Wieso bekommen AHS-Unterstufen keine sechs zusätzlichen Einheiten, die sie frei vergeben können?

6.     Bleiben Sie, trotzt der klaren Bewertung der Evaluation, dass eine Gesamtschule keinen Einfluss auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit hat, bei dem Ziel, gut funktionierende AHS-Unterstufen in eine schlecht funktionierende Gesamtschule zu integrieren?

7.     Werden Sie weiterhin, wie es der Bildungsexperte Günter Haider formulierte, Lehrer, Schüler und Eltern gezielt über das Desaster NMS fehlinformieren?

8.     Planen Sie in diesem Zusammenhang weitere millionenschwere PR-Maßnahmen?

9.     In einem Interview gegenüber der Gratiszeitung Österreich träumten Sie 2013 davon, die Zahl der AHS, die als „Neue Mittelschule“ firmieren, solle „vervielfacht werden“. Wollen Sie nach wie vor gut funktionierende Unterstufen-AHS in das gescheiterte NMS-Modell überführen?

10.  Welche Geldmittel wurden für die Bewerbung der nun gescheiterten Neuen Mittelschule seit Ihrem Amtsantritt aufgewendet?

11.  Wann wird die für Ende 2014 angekündigte BIFIE-Reform stattfinden?

12.  Werden Sie das BIFIE, so wie es auch Ihr Parteikollege Androsch fordert, auflösen?

13.  Würden Sie es Ihren Kinder zumuten, sich auf Grund mangelnder Organisation der Politik unmittelbar vor einer wichtigen Prüfung (schriftliche Matura) sich bereits auf eine Prüfung, die Wochen später stattfindet (mündliche Matura), vorbereiten zu müssen?

14.  Halten Sie es für ausreichend, dass es zwischen der mündlichen Matura und der Aufnahmeprüfung an einer Universität, also zwischen zwei entscheidenden Prüfungen eines jungen Menschen, nur drei Tage Abstand gibt?

15.  Werden vorwissenschaftliche Arbeiten, die auf Grund missverständlicher Angaben die geforderten 40.000 Zeichen nicht erreichen, negativ beurteilt?

16.  Können Sie ausschließen, dass Aufgabenstellungen für die standardisierte kompetenzorientierte Reifeprüfung vorab bekannt werden?

17.  Welche Maßnahmen haben bzw. werden Sie ergreifen, um weitere Pannen bei der Zentralmatura auszuschließen?

18.  Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um auch das von Ihrem Parteikollegen Androsch attestierte „Missmanagement“ abzustellen?

19.  Wurde die externe Projektmanagementaufgabe für die Zentralmatura ausgeschrieben?

20.  Wenn nein, warum nicht?

21.  Wer wurde mit diesem Projektmanagement beauftragt?

22.  Wie hoch sind dafür die Kosten angesetzt?

23.  Wie lange wird dieses externe Projektmanagement tätig sein?

24.  Wer hat bis dato diese Aufgabe erfüllt?

25.  Wieso kann das Bildungsministerium die Zentralmatura nicht bewerkstelligen, so wie es die Wiener Stadtschulratspräsidentin anregte?

26.  Ziehen Sie es in Betracht, falls die Evaluierung der Zentralmatura ähnlich schlecht wie jene der NMS ausfällt, diese wieder abzuschaffen?

27.  Verfolgen Sie das gleiche bildungspolitische Ziel wie die vormalige Bildungssprecherin der SPÖ, Laura Rudas, die Matura gänzlich abzuschaffen?

28.  Wie stellen Sie sicher, dass das Ministerium die bis 2016 gestundeten Mieten dann tatsächlich bezahlen kann?

29.  Was unternehmen Sie, wenn Sie vom Finanzministerium die geforderten 200 Millionen Euro nicht bekommen?

30.  Welche mit dem Finanzministerium vereinbarten Einsparungen in der Größenordnung von 300 Millionen Euro haben Sie noch nicht umgesetzt?

31.  Haben Sie die erforderliche Unterstützung Ihrer Regierungskollegen und insbesondere die des Bundeskanzlers, um notwendige Reformen umzusetzen?

In formeller Hinsicht wird gemäß §61(3) GO-BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln und der Erstunterzeichnerin Gelegenheit zur Begründung zu geben.