3082/J-BR/2015
Eingelangt am 02.07.2015
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elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Dringliche Anfrage
der Bundesräte Brückl, Mühlwerth, Herbert
an die Bundesministerin für Inneres
betreffend Grenzkontrollen
Die Tatsache, dass die Aufgabe der Grenzkontrollen im Zuge des Schengen-Abkommens zu einer gravierenden Erschwernis bei der Ergreifung von Straftätern und der Eindämmung des grenzüberschreitenden Kriminaltourismus, aber auch der Verhinderung illegaler Einreise führt, ist nicht neu, sie wurde allerdings bis vor kurzem von den Verantwortlichen stets als in Kauf zu nehmender ,Preis der Reisefreiheitʻ verharmlost.
Seit dem G7-Gipfel im bayrischen Elmau wurde aber in erschreckender Deutlichkeit klar, daß die Warnungen vor der entstandenen Sicherheitslücke keine paranoiden Vorstellungen von Oppositionspolitikern sondern bittere Realität sind:
Nach Angaben der deutschen Behörden wurden im Zuge der lange angekündigten und auf nur rund zwei Wochen befristeten (also eigentlich auch von Kriminellen leicht umgehbaren) Grenzkontrollen erschreckend viele Gesetzesverstöße aufgedeckt:
So schreibt etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
Insgesamt, teilte die Bundespolizei mit, seien bundesweit mehr als 360.000 Personen überprüft worden. In 23 7 Fällen wurden Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt, in 151 Fällen Urkundendelikte, 29 mal ein Verstoß gegen das Asylverfahrensgesetz. Die Kontrollen führten also dazu, dass nicht nur die G-7- Zusammenkunft unmittelbar betreffende Tatbestände oder Gefahren festgestellt wurden, sondern auch andere. 692 Personen wurden nach Angabe der Bundespolizei nach der Grenzkontrolle zurückgewiesen, 3517 wurden vorläufig festgenommen und 77 in Gewahrsam genommen.
Ein besonders alarmierend hoher Anteil entfallt dabei auf die bayrische - also auch österreichische Grenze, weswegen Bayern, insbesondere Ministerpräsident Seehofer und Innenminister Herrmann inzwischen intensiv über dauerhafte Maßnahmen zur Unterbindung illegaler Einreise nachdenkt:
In einem ersten Schritt will Bayern die Innenministerkonferenz, die in zwei Wochen in Mainz tagt, mit den Ergebnissen der zeitweiligen Grenzkontrollen befassen. In München wird auch auf die Zahlen aus anderen Bundesländern verwiesen; so meldet die Bundespolizei von den Grenzen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, dass es dort in den vergangenen vierzehn Tagen bei der Überprüfung von 34.500 Personen 5050 „Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“ gegeben habe, darunter seien 44 „Fahndungstreffer “ gewesen.
Besonders bezeichnend für die Situation ist auch, dass die wenigen Tage der Grenzkontrollen schon zu spürbaren Problemen in Italien führten, weil die Schlepperbanden die Asylwerber nicht wie gewohnt nach Deutschland weiterschicken konnten und diese daher in Italien festsaßen, so schreiben etwa die Salzburger Nachrichten:
Ähnlich kritisch die Lage in Mailand: Mindestens 200 Flüchtlinge hatten dort unter prekären Bedingungen im Hauptbahnhof Unterschlupf gesucht, bevor sie nächtens hinausgeworfen wurden, ohne dass ihnen eine alternative Unterkunft angeboten wurde. „Die Lage ist wirklich kompliziert“, sagt der Mailänder Stadtrat für Soziales, Pierfrancesco Majorino. Wohl gelang es der Stadt, für 1100 Menschen eine Unterkunft für Freitagnacht zu arrangieren. Doch einige Dutzend hätten das Angebot abgelehnt, berichtete Majorino — aus Sorge, sie würden erkennungsdienstlich mit Fingerabdrücken erfasst und müssten dann in Italien Asyl beantragen.
Was auch gleich aufzeigt, welch große Routine bei der Umgehung der Vorschriften, insbesondere von Dublin III besteht.
Auch in Tirol mussten angesichts der geschlossenen bayrischen Grenze zahlreiche Notunterkünfte, etwa am Bahnhof von Kufstein, errichtet werden.
Während Bayern inzwischen als Sofortreaktion die Schleierfahndung intensiviert hat und eben weitere Maßnahmen plant, hat Frankreich ebenfalls bei Ventimiglia Grenzkontrollen durchgeführt, ebenfalls mit dem Erfolg, erhebliche Zahlen von illegalen Grenzübertritten zu verhindern.
Ungarn hat gleich überhaupt angekündigt, Dublin III aussetzen und einen Grenzzaun zu Serbien errichten zu wollen, inzwischen wurde manches relativiert, aber Abschiebungen dorthin sind aus Österreich jedenfalls gestoppt.
Dieser Tage hat auch Dänemark beschlossen, Grenzkontrollen einzuführen.
All diese Vorgänge bedeuten letztlich, dass Österreich aufgrund seiner zentralen Lage und seiner offenen Grenzen zum Tummelplatz Krimineller und im Fall, dass der Transit der Asylanten in die gewünschten Nordeuropäischen Ländern nicht mehr funktioniert, zum Ziel der Schlepperbanden bzw. unfreiwillig der Geschleppten wird.
Dennoch hält die österreichischen Bundesregierung in EU-Musterschülermanier an den offenen Grenzen gemäß Schengen-Abkommen fest, obwohl längst klar ist, daß man hierzulande mit den Konsequenzen nicht zu Rande kommt: Zur seit Jahren zu beobachtenden, ständig steigenden Kriminalität vor allem in den östlichen Landesteilen kommen jetzt ganz offensichtlich nicht zu bewältigende Asylantenströme. Der Streit um die Unterbringung der von kriminellen Schlepperbanden ins Land gebrachten Menschen hat mittlerweile zu einer veritablen Regierungskrise geführt.
Ganz im Gegensatz dazu haben die Bundesländer bzw. Landeshauptleute aller Couleurs schon seit langer Zeit die Wiedereinführung zumindest temporärer Grenzkontrollen gefordert, eine Forderung, die auf Bundesebene bedauerlicherweise nur von der FPÖ geteilt wird.
,,Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) hat sich am Freitag für die Einführung temporärer Grenzkontrollen ausgesprochen. (...) “
Die Presse online, 12.09.2014
,,In der Debatte über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen wegen der Zunahme an Asylwerbern kann sich der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP ) ,,punktuelle Kontrollen da oder dort“ vorstellen. (...) “
ORF Tirol, 17.09.2014
„Auch Landeshauptmann Pühringer für Grenzkontrollen (...)“
SN online, 17.09.2014
,,Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) schließt sich in der Frage der Grenzkontrollen seinen Kollegen Josef Pühringer und Günther Platter an. (...) “
SN online, 18.09.2014
"Ich glaube, dass es an der Zeit ist, ein Konzept zu erarbeiten, mit dem man Grenzkontrollen wieder einführt und zwar im Bedarfsfall von einem Tag auf den anderen": Mit diesen Worten schlug gestern Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll so wie zuvor sein burgenländischer Amtskollege Niessl Sicherheitsalarm.
Krone, 16.09.2014
,,Peter Kaiser, immerhin Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, ließ dem KURIER durch seinen Sprecher ausrichten, er könne sich Grenzkontrollen grundsätzlich vorstellen (...)“
Kurier online 17.09.2014
„Landeshauptmann-Stellvertreter Siegfried Schrittwieser. ,,Sollte die Union weiter nur zögerlich agieren, bin ich ebenfalls für zeitlich befristete Grenzkontrollen. " (...)“
Kurier online 17.09.2014
„Grenzkontrollen: Wallner dafür, wenn Sicherheitslage es erfordert (...) “
Vorarlberg online, 18.9.2014
Nur Wiens rot-grüne Landesregierung ist nicht an Grenzkontrollen interessiert - aber abgesehen vom politischen Willen fehlt Wien ja auch eine Staatsgrenze.
Angesichts dieser dramatischen Situation stellen die unterzeichneten Bundesräte an die Bundesministerin für Inneres folgende
Anfrage
1. Wo und mit welchem genauen Auftrag wurden die von Österreich im Zuge des G7 Gipfels abgestellten Polizisten eingesetzt?
2. Welche Kosten entstanden dabei im Detail?
3. Wieviele Gesetzesverstöße wurden im Zusammenhang mit diesem Einsatz anlässlich des G7 Gipfels bzw. infolge der Grenzkontrollen in Österreich wegen jeweils welcher Delikte festgestellt?
4. Wie viele Personen wurden in diesem Zusammenhang in Österreich festgenommen, wieviele davon wurden zuvor per Haftbefehl gesucht?
5. Wie viele Asylwerber wurden in der Zeit der Grenzkontrollen durchschnittlich pro Tag registriert?
6. Wie viele Asylwerber wurden in der Woche zuvor pro Tag durchschnittlich registriert?
7. Wie viele Fremde, die 2015 in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, waren im EU-weiten Fingerabdrucksystem für Asylwerber EURODAC noch nicht registriert?
8. Wie viele Asylwerber, die heuer nachweislich aus Italien nach Österreich gekommen sind, waren im EU-weiten Fingerabdrucksystem für Asylwerber EURODAC nicht registriert?
9. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem G7 Einsatz bezüglich der Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden?
10. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Erkenntnissen sowohl der eigenen als auch der deutschen Behörden für die künftige Vorgangsweise bei Grenzkontrollen?
11. Welche Initiativen haben Sie ergriffen, um die insbesondere im Fall Italien offenkundig gewordene Praxis, die offene Grenze dazu zu nützen, um Asylwerber entgegen den Bestimmungen von Dublin III in andere Länder weiterreisen zu lassen, abzustellen?
12. Welche Maßnahmen planen Sie, um dem entgegenzuwirken?
13. Wie wird die von Ihnen zuletzt angekündigte intensivere Zusammenarbeit bei der Kontrolle der Schengen-Außengrenze mit Ungarn konkret aussehen?
14. Welche personellen Ressourcen werden dafür erforderlich sein
15. Welche finanziellen Ressourcen werden dafür erforderlich sein
16. Planen Sie ähnliche Zusammenarbeit auch mit anderen in Betracht kommenden Ländern, wenn ja, mit welchen und in jeweils welchem Umfang?
17. Warum haben Sie, obwohl andere Länder von Frankreich bis Dänemark Grenzkontrollen offenbar ,Schengen-konform' einführen, solche bis heute abgelehnt, obwohl klar ist, dass Österreich aufgrund seiner zentralen Lage besonders stark von illegalen Grenzübertritten betroffen ist?
18. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung Ungarns, das Dublin III-Abkommens ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen aufgrund Ihrer jüngst geführten Gespräche?
19. Welche Auswirkungen hat Ihre Entscheidung, keine Asylwerber mehr nach Ungarn abzuschieben?
20. Warum haben Sie den Wünschen aller Bundesländer mit Ausnahme Wiens, zumindest temporäre Grenzkontrollen einzuführen, nicht entsprochen, obwohl Sie selbst schon damit drohen?
21. Welche der in der Begründung angeführten Landespolitiker haben sich bei Ihnen konkret für die Einführung von Grenzkontrollen eingesetzt?
22. Welche Maßnahmen planen Sie insbesondere für die Kontrolle der oberösterreichischen Grenzen, zumal der wahlkämpfende Landeshauptmann Pühringer zuletzt wiederholt analog der langjährigen FPÖ Forderung entsprechende Grenzkontrollen gefordert hat?
23. Welche Informationen liegen Ihnen über Maßnahmen hinsichtlich geplanter Änderungen der Vorgangsweise bei Grenzkontrollen in jeweils welchem unserer Nachbarländer vor?
24. Sind Sie bereit, in Anbetracht der offenkundig gewordenen Missstände und zahlreichen Forderungen aus nahezu allen Bundesländern wirksame temporäre Grenzkontrollen einzurichten, um so den Schutz der Österreicher vor grenzüberschreitender Kriminalität zu verbessern?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß §61 GO-BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.