3128/J-BR/2016
Eingelangt am 08.03.2016
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ANFRAGE
der Bundesrätin Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend rechtliche Benachteiligung von Kindern in getrennten Regenbogenfamilien
Die
gesellschaftliche Realität im Jahr 2016 spiegelt - neben dem
traditionellen Familienmodell mit Vater und Mutter - auch andere Formen von
Familienvielfalt wieder: Alleinerziehende, Patchwork Familien und
Regenbogenfamilien.1
In Österreich wurde 2010 das Institut der Eingetragenen Partnerschaft (EP)
eingeführt, seit 2013 gibt es die Möglichkeit der Stiefkindadoption
und seit 1.1.2016 ist die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare
möglich. Dies sind wichtige Schritte im Abbau von rechtlichen
Diskriminierungen gegenüber Lesben und Schwulen und ihren Kindern.
Weiterhin im Nachteil befinden sich allerdings jene Kinder von gleichgeschlechtlichen
Paaren, die sich noch vor Inkrafttreten dieser Regelung (August 2013) getrennt
haben. Konkrete Fallbeispiele helfen das Problem zu veranschaulichen:
1.
Ein Frauenpaar in einer
langjährigen stabilen Beziehung entwickelt den Wunsch nach einem
gemeinsamen Kind. 2009 erfolgt die Insemination im Ausland, 2010 kommt das Kind
zur Welt. Fortan führen die beiden Frauen ein völlig
gleichberechtigtes Familienleben als Eltern des Kindes. Die Lebensgemeinschaft
geht leider im Frühjahr 2013 in die Brüche. Die Beziehung zum Kind
besteht dennoch in gleicher Intensität weiter wie bisher.
Der „Co-Mutter“ ist es trotz aufrechter Eltern-Kind-Beziehung
verwehrt, diese Beziehung und damit das Kind auch rechtlich abzusichern.
Die Elternschaft nach § 144 ABGB ist trotz Insemination nicht
möglich. Das geht nur, wenn das Kind nach dem 1.1.2015 geboren wurde.
Für die Stiefkindadoption, die bei Trennung der Frauen noch nicht
zulässig war, müssen gem. § 197 Abs 4 ABGB eine
Lebensgemeinschaft oder eine EP vorliegen. Da die Frauen mittlerweile getrennt
sind, ist die Stiefkindadoption nicht mehr möglich. Die Fremdkindadoption
scheidet aufgrund der aktuellen Rechtslage ebenfalls aus.
2. Ein Männerpaar in einer langjährigen Beziehung erfüllt sich
den gemeinsamen Kinderwunsch durch eine Auslandsadoption im Jahr 2005. Das
Adoptivkind ist 5 Monate alt, als es zu ihnen kommt. Die Adoption konnte
aufgrund der damals geltenden Rechtslage nur von einem Partner alleine
durchgeführt werden. Dennoch nehmen beide Männer ihre Elternrolle von
Anfang an gemeinsam und gleichberechtigt wahr. Die Beziehung geht 2011 in die
Brüche. Die Beziehung des „Co-Vaters“ zum Kind besteht dennoch
in gleicher Intensität wie bisher weiter. Auch in diesem Fall ist es dem
„Co-Vater“, trotz der weiterhin bestehenden, sehr engen Eltern-
Kind –Beziehung zum Wahlsohn nicht möglich, diese auch rechtlich abzusichern.
Im Jahr 2005 war die gemeinsame Fremdkindadoption nicht zulässig. Aber
auch aktuell sieht die Rechtslage dies – selbst unter
Berücksichtigung der VfGH-Entscheidung aus 2014 - nicht vor. Dies vor
allem, weil das Paar mittlerweile getrennt ist.
Die unterfertigende Bundesrätin stellt daher folgende
1) Welche gesetzlichen Maßnahmen
sind geplant, um diesen „Altfällen“ (medizinisch
unterstützte Fortpflanzung im Ausland und Geburt des Kindes vor dem
1.1.2015) die automatische Elternschaft oder die Möglichkeit zur
Anerkennung der Elternschaft zu öffnen?
2) Welche gesetzlichen Maßnahmen sind geplant, damit auch mittlerweile
getrennten Lebensgefährt_innen/ eingetragenen Partner_innen die
Stiefkindadoption ermöglicht wird?
3) Ist eine Öffnung der Fremdkind- bzw. Sukzessivadoption auch für
mittlerweile getrennte Paare (Lebensgemeinschaft, eingetragene Partnerschaft),
z.B. durch Änderung des § 197 Abs 3 und Abs 4 ABGB geplant?
4) Ist eine Öffnung der Fremdkindadoption auch für
Lebensgemeinschaften geplant?
1 Als Regenbogenfamilie definieren sich Familien, in welchen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* versteht. Es gibt keine seriösen Zahlen darüber, wie viele Kinder in Österreich in Regenbogenfamilien aufwachsen, weil dies in keiner Statistik aufscheint.