3139/J-BR/2016
Eingelangt am 31.03.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
der BundesrätInnen Ewa Dziedzic, Heidi Reiter; Nicole Schreyer; David Stögmüller, Gerald Zelina
an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend bundeseinheitliche Bedarfsorientierte Mindestsicherung
BEGRÜNDUNG
Gestern präsentierte die Schwarz-Blaue Landesregierung in Oberösterreich ihre Kürzungspläne bei der Mindestsicherung für anerkannte AsylwerberInnen und subsidiär Schutzberechtigte. Sie sollen künftig nur mehr 365 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 – also in Summe 520 – statt wie bisher 914 Euro an Mindestsicherung erhalten.
Wenn man davon ausgeht, dass die „Mindestsicherung“ bislang sicherstellen sollte, dass Menschen das „Mindeste“ für ihre soziale Absicherung erhalten, so bedeutet eine beinahe Halbierung dieses Betrages, dass die „Mindest“sicherung dieser Menschen nicht mehr gewährleistet ist.
Fakt ist, dass eine unzureichende Existenzsicherung nicht nur mehr soziale Probleme und damit weniger „Sicherheit“ bedeutet, sondern dass ein seit gestern vorliegendes, für die Bundesregierung erstelltes Gutachten bestätigt, dass diverse Kürzungspläne auch rechtlich nicht haltbar sind:
Die Statusrichtlinie der EU fordert in Bezug auf Sozialhilfe
und medizinische Versorgung bei Flüchtlingen die Gleichbehandlung im
Verhältnis zu Staatsbürgern, in Bezug auf den Zugang zu Wohnraum und
die Freizügigkeit im Aufnahmeland jene im Verhältnis zu
Drittstaatsangehörigen.
Aus dem aktuellen Sozialbarometer der Volkshilfe geht hervor, dass 72% aller befragten ÖsterreicherInnen die Mindestsicherung als wichtigen Schritt für die Armutsbekämpfung betrachten. 55% sprechen sich für eine Gleichbehandlung der BMS-Bezüge unabhängig vom Aufenthaltsstatus aus. Der Österreichische Gewerkschaftsbund verwies in einer gestern beschlossenen Resolution darauf, dass die aktuelle Flüchtlingssituation nicht zum Vorwand für einen schleichenden Sozialabbau genommen werden darf. Der ÖGB-Vorstand hat sich dabei klar gegen Kürzungen oder Deckelungen im Bereich der Mindestsicherung und für bundesweit einheitliche Leistungshöhen ausgesprochen.
Die Ziele aus der Bund-Länder-Vereinbarung 2006 einheitliche Mindeststandards in allen Bundesländern im praktischen, alltäglichen Vollzug, sowie die vereinbarten harmonisierten landesgesetzlichen Regelungen in der Sozialhilfe zu schaffen, wurden nicht nur nicht erreicht, sondern werden aktuell seitens einzelner Bundesländer untergraben. Weder existiert eine bundeseinheitliche soziale Absicherung für Menschen in Problemlagen, noch wurden bundesweit einheitliche Vorgehensweisen und Standards etabliert.
Darüber hinaus wird den Betroffenen kein rechtliches Mittel geboten, die Ihnen auf Grund der 15a- Vereinbarung an sich zustehenden Unterstützungsformen vor den Gerichten einzufordern. Auf diese Weise wirkt das Heimatsrechtgesetz von 1863 bis heute faktisch weiter: Die Menschen sind der willkürlichen Zuweisung von Almosen ausgeliefert und haben kein Mittel in der Hand, Ihre Ansprüche durchzusetzen.
Aufgrund der aktuellen Vorkommnisse erscheint es uns dringend geboten, dass der Bund zur Verbesserung der Lage der Betroffenen und zur Erreichung der selbst gewählten Ziele von seinem in Art. 12 B-VG festgelegten Recht auf Erlass eines Grundsatzgesetzes zur Mindestsicherung Gebrauch macht.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
DRINGLICHE ANFRAGE
1. Wie beurteilen Sie – vor dem Hintergrund des aktuellen Rechtsgutachtens von Univ. Prof. Rebhahn - die Pläne der schwarz-blauen oberösterreichischen Landesregierung, die Mindestsicherung für anerkannte AsylwerberInnen und subsidiär Schutzberechtigte drastisch zu kürzen?
2. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die offenkundig rechtswidrige Kürzung der Mindestsicherung zu verhindern?
3. Ist von Seiten des BMASK bzw. der Bundesregierung beabsichtigt, offenkundig gegen das europäische Recht verstoßende Regelungen betreffend subsidiär Schutzberechtigte in verschiedenen Bundesländern vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen?
4. Welche sonstigen Maßnahmen sind geplant, um rechtskonforme und einheitliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern zu erreichen?
5. In welchem Ausmaß erfasst die Mindestsicherung in den jeweiligen Bundesländern die Gruppe armutsgefährdeter Menschen?
6. Welche Änderungen sind in der gerade in Verhandlung befindlichen Vereinbarung nach Art. 15a B-VG angedacht, um die Non-Take-Up-Raten betroffener Menschen zu senken?
7. Ist beabsichtigt, die in Verhandlung befindliche Vereinbarung nach Art. 15a B-VG in Zukunft mit Sanktionen für den Fall der Nichtumsetzung zu versehen?
8. In welcher Weise soll in Zukunft Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind, ein Rechtsanspruch auf Beratung und Betreuung eingeräumt werden?
9. In welcher Weise soll der unabdingbare Anspruch auf Beratung und Betreuung in Problemlagen für Betroffene rechtlich durchsetzbar sein?
10. Ist daran gedacht, bestimmte Elemente der Hilfe in besonderen Lebenslagen (etwa hinsichtlich der Ausstattung mit unabdingbaren Hilfsmitteln, Warmwasserbereitung und Heizung) mit einem Rechtsanspruch zu versehen? Wenn nein, warum nicht?
11. In welcher Weise soll in Zukunft Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind, ein Rechtsanspruch auf Ausbildung und Qualifikation eingeräumt werden?
12. In welcher Weise soll der unabdingbare Anspruch auf Ausbildung und Qualifikation in Problemlagen für Betroffene rechtlich durchsetzbar sein?
13. Welche Angebote zur beruflichen und sozialen Inklusion von Menschen im Mindestsicherungsbezug bieten die Bundesländer an? Wir ersuchen um Darstellung nach Bundesländern und Zielgruppen (darunter jedenfalls auch die Menschen mit Behinderung, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Kinder, Menschen mit Betreuungsverpflichtungen).
14. Warum verzichtet der Bund auf das ihm nach Art. 12 B-VG zustehende Recht auf Grundsatzgesetzgebung hinsichtlich des Armenwesens?
15. Halten Sie die Wortwahl „Armenwesen“ in Art. 12 B-VG für zeitgemäß? Entspricht sie aus Sicht des BMASK den rechtlichen Erfordernissen einer Politik zur Verhinderung von Armut und sozialer Ausgrenzung im 21. Jahrhundert?
16. In wie weit wird in der Vereinbarung nach 15a B-VG der Notwendigkeit Rechnung getragen, Menschen mit Bedarf nach Unterstützung bei der sozialen und beruflichen Inklusion auf diesem Weg dauerhaft und nachhaltig zu begleiten?
17. In wie weit wird die geplante Neufassung der Vereinbarung nach Art. 15a B-VG betreffend die Mindestsicherung Regelungen enthalten, die die Erlangung eines beruflich einsetzbaren Ausbildungsabschlusses gegenüber der schnellstmöglichen beruflichen Eingliederung in den Niedrigstlohnsektor verpflichtend Vorrang einräumen?
18. Der Mindestsicherungsrichtsatz in Österreich liegt bei lediglich 72% der von der Statistik Austria erhobenen Armutsgefährdungsschwelle. Auf welche Weise wird die Differenz ausgeglichen, um verfestigte Armut zu verhindern?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 61 GO-BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.