3176/J-BR/2016

Eingelangt am 06.10.2016
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DRINGLICHE ANFRAGE

der Bundesräte Jenewein, Herbert, Mühlwerth

und Kollegen

an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend die Schaffung geeigneter Rechtsgrundlagen zur Repatriierung unberechtigt Aufhältiger im Staatsgebiet zum Schutze des sozialen Friedens im Lande und der realen Kapazitätserweiterung für tatsächlich Schutzbedürftige.

Gegen jede Vernunft und wider alle Warnungen öffnete die Bundesregierung unter Federführung des SPÖ-Bundeskanzlers und der ÖVP-Innenministerin vor einem Jahr die Grenzen und ließ fast eine Million Migranten nach Österreich einreisen. Mit dieser Vorgehensweise gefährdete die Bundesregierung nicht nur massiv die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet; die Öffnung der Grenzen, die unkontrollierte Ein- und Durchreise führte auch dazu, dass sich Gewaltexzesse mit eindeutig islamistischem Hintergrund in den vergangenen Monaten massiv häuften. Die diesbezüglichen Warnungen wurden von den verantwortlichen Regierungspolitikern zumeist brüsk zurück gewiesen. Mehrmaliges Interpellieren in den beiden Kammern des Parlaments sowie die darauffolgenden Debatten brachten keine Verbesserung der Situation und zeigten auch keine Einsicht der Verantwortlichen.

Das Bundesministerium für Inneres hat mittlerweile veröffentlicht, dass im Jahr 2015 in Österreich rund 89.000 Anträge auf internationalen Schutz – und damit etwa drei Mal so viele wie im Jahr 2014 – gestellt wurden. Dieser Zuwachs entsprach einer Steigerung von 214%.

Die Auswirkung dieser völlig irrwitzigen „Tür auf Politik“ führt nun ein Jahr später dazu, dass Österreich die Rechnung serviert bekommt. Der ehemalige Bundeskanzler Faymann und die damalige Bundesministerin für Inneres aber haben sich durch ihre Rücktritte der Verantwortung entzogen.

Dass die einschlägigen Warnungen der FPÖ keineswegs reines Donnerwetter waren und einen traurigen sachlichen Hintergrund haben, zeigt sich deutlich an der Begründung der Notverordnung des Bundesministers für Inneres, in der zu lesen steht: „Neben der zusätzlichen außerordentlich hohen Belastung des Staatshaushaltes konnte im Zusammenhang mit den steigenden Zuwanderungsraten auch eine Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage festgestellt werden.“

Die Gesamtkriminalität in Österreich ist im ersten Halbjahr 2016 um + 6,6% gestiegen, in einigen Bezirken sogar eklatant, wie zum Beispiel in Eisenstadt um 31,4%, in Krems-Stadt um 26,8%, in St. Pölten-Land um 28,3%, in Salzburg-Stadt um 20,7%, in Linz um 33,0%. Auch in den Bezirken der Bundeshauptstadt ist ein massiver Anstieg zu verzeichnen gewesen. So etwa in der Leopoldstadt um 17,9%, in Neubau um 17,9%, in Wieden um 20,0%, in Favoriten um 18,1%, in Penzing um 23,0%, etc..

Von Jänner bis Juni 2016 wurden 133.135 Tatverdächtige ermittelt, wovon 53.155

fremde Tatverdächtige waren. Allein in Wien wurden 20.642 fremde Tatverdächtige ermittelt, das sind mehr als 50 % aller in Wien ermittelten Tatverdächtigen (39.887) und mehr fremde Tatverdächtige in Wien, als in irgendeinem anderen Bundesland. Oberösterreich zum Beispiel hatte 19.630 ermittelte Tatverdächtige. Jeder fünfte fremde Tatverdächtige im ersten Halbjahr 2016 war ein Asylwerber.

11.158 tatverdächtige Asylwerber wurden im ersten Halbjahr 2016 ermittelt. Im ganzen Jahr 2015 waren es 14.458. Rund 45 Prozent der tatverdächtigen Asylwerber wurden in Wien angezeigt. Die Belastung im Strafvollzugsbereich ist laut Innenministerium bereits außerordentlich hoch: Mittlerweile beläuft sich der Fremdenanteil in Haft auf mehr als 54%, bei den Untersuchungshäftlingen sogar auf mehr als 73%.

Im Zeitraum vom 5. September 2015 bis 6. Juni 2016 sollen laut Innenministerium  rund 803.600 Fremde nach Österreich eingereist sein, wovon rund 56.600 um internationalen Schutz angesucht haben.

Zwischen Jänner und Juni 2016 wurden ca. 130.000 illegal aufhältige Personen in Österreich aufgegriffen. Aktuell sind, so berichtet das Bundesministerium für Inneres, in beiden Instanzen ca. 85.000 offene Asylverfahren zu verzeichnen.

Den Erläuterungen zur Notverordnung ist eine Lageinformation zu entnehmen, die die absurde Debatte zwischen SPÖ und ÖVP Regierungsmitgliedern über den Geltungsbeginn der Notverordnung, vor oder nach Erreichen der Obergrenze, in einem neuen Licht erstrahlen lässt und die Problematik drastisch darstellt:

„Internationale Berichte bestätigen den anhaltend hohen Migrationsdruck auf Europa. Die europäische Polizeibehörde (EUROPOL) und die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU (FRONTEX) sprechen in diesem Zusammenhang von einem massiven Potential an „schleppungswilligen“ Migranten in Libyen. Schätzungen zufolge warten in Libyen aktuell zwischen 500.000 und 1 Million Personen auf eine Überfahrt nach Europa. Aber auch in anderen Staaten befinden sich Menschen in übermäßiger Zahl, die dasselbe Ziel eint – eine Migration nach Mittel- und Westeuropa. Nach Informationen des BMI halten sich 4,8 Millionen syrische Schutzsuchende in den Nachbarstaaten Syriens auf, davon über 2,7 Millionen alleine in der Türkei. In Afghanistan soll es laut Heeresnachrichtenamt ein Gesamtpotential von 800.000 bis 1,5 Millionen Personen geben, die eine Migration nach Europa ins Auge fassen. Anhand dieser Zahlen ist nicht auszuschließen, dass in den nächsten Monaten mit der Ankunft einer weiterhin außergewöhnlich hohen Zahl an Schutzsuchenden in Österreich zu rechnen ist.

Die Anlandungen in Italien sind bereits massiv gestiegen. Im Zeitraum von 1. Jänner 2016 bis 6. Juni 2016 konnten nach Informationen des BMI bereits 48.987 Anlandungen verzeichnet werden. Insgesamt wurden in dem Zeitraum von Jänner bis Juni 2016 nach Angaben von FRONTEX bereits rund 360.000 irreguläre Grenzübertritte der EU-Außengrenzen verzeichnet; dies entspricht einer Steigerung von 57% im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2015 (Quelle: FRONTEX Monthly Analysis, Juni 2016).“

Die bisherige Arbeitsintensität der Bundesregierung die Situation in den Griff zu bekommen oder gar zu lösen war eher bescheiden und überschaubar. So wurden zum Beispiel im ersten Halbjahr fast 30.000 Asylanträge gestellt und 130.000 illegal aufhältige Personen in Österreich aufgegriffen, aber nur 911 Überstellungen aus Österreich (Dublin-Out) durchgeführt. 5.163 Menschen wurden im ersten Halbjahr 2016 aus Österreich ab- oder zurückgeschoben. 3.195 der Außerlandesbringungen (62 Prozent) erfolgten auf freiwilliger Basis, die restlichen 1.968 Personen wurden zwangsweise abgeschoben, so der Standard am 15. Juli 2016.

Auf der anderen Seite wurden jedoch nur aus der Bundesrepublik Deutschland bis zum Juli des Jahres rund 11.700 Personen nach Österreich zurückgeschoben.

Dieses Missverhältnis ist es, das jeden Menschen an einem vernünftigen Asylsystem zweifeln lässt.

Angesichts dieser Entwicklung verkommen die gebetsmühlenartig vorgetragenen Erklärungen unserer Regierungspolitiker, wonach es nur durch eine gemeinsame europäische Lösung zu einer Entspannung der Situation kommen könne, zu einer reinen Farce.

Der bislang einzige Ansatz einer „europäischen Lösung“ beschränkt sich auf eine Vereinbarung mit der Türkei, wobei sich die europäische Union durch diesen „Pakt“ in Abhängigkeit zu Erdogan begeben hat. Das türkische Druckpotential, das sich dadurch zwangsläufig ergibt, lässt erhebliche Zweifel an Sinn und Nutzen erkennen.

Während die Mehrzahl der europäischen Länder keine Bereitschaft erkennen lässt sich an der Last der Migrantenverteilung zu beteiligen, kommt – neben der Absicherung der nationalen Grenzen - auch in dieser Frage der nationale Verantwortung eine neue Bedeutung zu.

Nach der temporären Wiedereinführung der Grenzüberwachung, der Farce rund um einen Zaun an der Südgrenze Österreichs und der Frage des Grenzmanagements an der Brennergrenze, erweckten die Wortspenden der verantwortlichen Politiker nicht den Eindruck einer stringenten und durchdachten Linie. Während Doskozil und Kurz die offensive Einwanderungspolitik von Angela Merkel kritisierten, stellte Bundeskanzler Kern umgehend fest, dass er "nicht der Meinung [ist], dass Frau Merkel unverantwortlich gehandelt hat."[1]

Am 3.September sagte Außenminister Kurz in einem Interview gegenüber der Tageszeitung der Standard: „Es kommen seit Tagen wieder mehr Menschen nach Italien, die Situation ist höchst angespannt. Wenn Italien die Menschen nach Norden weiterwinkt, dann kommen sie über die Brennergrenze, und das ist etwas, das wir nicht stemmen können.“[2] Auch Südtirols Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) hat für mögliche Grenzkontrollen durch Österreich am Brenner als Ultima Ratio Verständnis. „Sollten alle anderen Maßnahmen wie etwa der Schutz der EU-Außengrenzen nicht funktionieren, müsse Österreich dazu die Möglichkeit haben.“[3]


Bemerkenswert, dass Aussenminister Kurz am 05.09.2016 folgenden Tweet veröffentlicht:

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Diese inkonsequente Linie, zeugt von einer wenig glaubhaften und ernsthaften Politik. Daher ist es dringend notwendig zu einer Linie der Nachhaltigkeit und der nationalen Interessenspolitik zurück zu kehren.

Der österreichischen Außenpolitik kommt in dieser Frage eine besondere Bedeutung zu. Während man auf europäischer Ebene nach wie vor keine Einigung über Verteilungsschlüssel erreicht hat, Außenminister Kurz diese ebenfalls ablehnt[4], müssen jetzt eben die Nationalstaaten Handlungen setzen, auch wenn die EU durch die Richtlinie 2008/115/EG in der Frage der Rückführungsabkommen ein vorrangiges Verhandlungsmandat hat. Die Republik Österreich muss jetzt den Weg der bilateralen Abkommen gehen und das wird der Union auch begreiflich zu machen sein.

Die Bundesrepublik Deutschland zeigt gerade vor, dass man nicht auf EU-RÜA warten muss, sondern auch als Nationalstaat aktiv werden kann. Die BRD ist gerade in der Finalisierungsphase eines Rückführungsabkommens mit Afghanistan. Während beim gescheiterten „Flüchtlingsgipfel“ in Wien, am 24.09. medial die Frage nach der Sinnhaftigkeit gestellt wurde und dabei „dieser Zirkus der Alphatiere mit all ihren Beraterstäben, PR-Leuten, der Presse-Entourage, den Vielfliegerprogrammen und Limousinenkorsos[5] hinterfragt wurde, gab es nebenbei lediglich einmal mehr eine Willenskundgebung für Rückführungsabkommen mit Mali, Niger, Ägypten, Marokko und Senegal.

Auch wenn diese Willenskundgebung ein Schritt in die richtige Richtung darstellt, so müsse die Priorität hinterfragt werden, denn bis zum heutigen Tage ist keine Aktivität spürbar.

Genauso wie die Bundesrepublik Deutschland den Weg der bilateralen Abkommen eingeschlagen hat, kann man diese Politik auch beim EU-Partner Spanien erkennen. Der massive Rückgang von Fluchtversuchen aus Afrika nach Spanien, führt die spanische Regierung vor allem auf die Kooperation mit Marokko zurück. Zudem schloss Spanien mit Staaten wie Senegal, Mauretanien oder Nigeria Rückführungsabkommen, was viele Afrikaner von einer Flucht nach Spanien abgehalten hat.[6]


Die unterfertigen Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres folgende

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

1.    Hat das Außenministerium die Wahrnehmung, wonach die Rückführung von Personen, die sich unberechtigt auf österreichischem Staatsgebiet aufhalten, mit den Drittstaaten Kosovo, Nigeria, und Tunesien friktionsfrei funktioniert?

2.    Wenn nein, welche Möglichkeiten im diplomatischen Dienst haben sie als Außenminister, um das Rückführungsabkommen praktikabel zu gestalten bzw. gegebenenfalls neu zu verhandeln?

3.    Gibt es Pläne weitere Rückführungsabkommen auf bilateraler Ebene abzuschließen?

4.    Wenn ja, mit welchen Staaten und wie weit sind diese gediehen?

5.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Welche Initiativen haben sie als Außenminister bislang konkret gesetzt, mit jenen Staaten aus denen die meisten Staatsbürger ohne Aufenthaltsberechtigung auf österreichisches Staatsgebiet kommen, Rückführungsmodalitäten zu verhandeln?

7.    Haben Sie die angekündigte Reise nach Marokko angetreten?

8.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

9.    Wenn nein, warum nicht?

10. Wie steht es um das Rückübernahmeabkommen mit Bangladesch?

11. Wie viele Rückübernahmeabkommen konnten Sie seit September 2015 mit welchen Ländern abschließen?

12. Welche rechtlichen Möglichkeiten soll das neu zu errichtende Sicherheitskabinett erhalten?

13. Wird die Notverordnung vor oder nach Erreichen der Obergrenze von 37.500 in Kraft treten?

14. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung bei einem neuerlichen Ansturm von Fremden?

15. Welche Maßnahmen werden Sie auf europäischer Ebene setzen, um einen Ansturm von Migranten aus Italien nach Österreich zu verhindern?

16. Woran scheitert die Ausweitung der Rückführungsabkommen mit anderen Ländern, so wie eigentlich von Bundesminister Klug angekündigt?

17. Was passiert mit Asylantragstellern ab Inkrafttreten der Notverordnung?

18. Welche Personen werden ab Inkrafttreten der Notverordnung ein Recht auf ein „Schnellverfahren“ haben?

19. Wo sollen sich Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, aufhalten?


20. Wie sollen die Grenzen ab Inkrafttreten der Notverordnung gesichert und kontrolliert werden?

21. Wird es zu einer Ausweitung von „technischen Sicherungen“, „besonderen bauliche Maßnahmen“ oder „Türen mit Seitenteilen“ an der Grenze kommen?

22. Wie wird mit Fremden, die von Deutschland rücküberstellt werden, ab Inkrafttreten der Notverordnung umgegangen werden?

 



[1] http://www.krone.at/oesterreich/kanzler-kern-verteidigt-merkels-fluechtlingspolitik-nach-doskozil-kritik-story-526757

[2] derstandard.at/2000043784274/Sebastian-Kurz-Das-Destruktive-der-FPOe-habe-ich-nicht“

[3] APA0264, 14.09.2016

[4] vgl. Kronenzeitung, 03.10.2016, S 5

[5] http://www.infranken.de/regional/bamberg/Budenzauber-eitler-Eliten;art212,2201654

[6] APA0275, 07.08.2015