3181/J-BR/2016

Eingelangt am 24.10.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Sandra Kern
Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend

„Vorwurf der Zweiklassen-Gesellschaft in der Arbeiterkammer Niederösterreich“

In jüngst veröffentlichten Medienberichten (vgl. Bericht in der Kronen Zeitung, Ausgabe Niederösterreich, am 12. Oktober 2016, Seite 24) wird der Vorwurf erhoben, die Arbeiterkammer Niederösterreich dränge ihre Pflichtmitglieder vor einer Beratung zu einem Gewerkschaftsbeitritt. So hätten laut einem Bericht der „Kronen Zeitung“ vom 12. Oktober 2016 23 Arbeitnehmer/innen einer in Insolvenz befindlichen Baufirma im Bezirk St. Pölten die Arbeiterkammer Niederösterreich um Unterstützung gebeten. „Zum vereinbarten Termin kam auch ein Vertreter der Gewerkschaft mit. Der eindringliche Rat laut Vertretern der Belegschaft: Zuerst müssen alle Betroffenen der Gewerkschaft beitreten, sonst gibt es keine Unterstützung.“

Die Arbeiterkammer Niederösterreich wird aus den Pflichtbeiträgen ihrer Mitglieder finanziert. Ein dahingehendes Verhalten von AK-Mitarbeiter/innen bzw. Funktionär/innen, Arbeitnehmer/innen, die gerade im Zuge einer Insolvenz von Existenzängsten geplagt werden, erst dann die ihnen ohnehin zustehende Hilfe zu gewähren, wenn sie der Gewerkschaft beitreten, wäre wohl eine Verquickung zwischen Arbeiterkammer und Österreichischem Gewerkschaftsbund und moralisch bedenklich.

Bei diesen berichteten Vorgängen entsteht der Eindruck, dass rechtlich zustehende Beratungen nur mit gleichzeitiger Mitgliedschaft in der Gewerkschaft möglich seien. Man könne also von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Arbeiterkammer“ sprechen. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich in Personalunion Vorsitzender des ÖGB Niederösterreich ist, wird eine klare Trennung zwischen AK und ÖGB von Seiten der Pflichtmitglieder erwartet.

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende

Anfrage

1.      Haben Sie als zuständiges Aufsichtsorgan für die Arbeiterkammern von derartigen Vorfällen Kenntnis erhalten?

2.      Wie haben Sie auf diese Vorwürfe reagiert?

a.       Sind Ihnen in Ihrer Rolle als Aufsichtsorgan andere Fälle bekannt, wo Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angehalten wurden, einer freiwilligen Organisation beizutreten, um eigentlich ohnehin allen Mitgliedern zustehende Leistungen der AK zu erhalten?

3.      Haben Sie in den vergangenen Jahren davon Kenntnis erhalten, dass es auch bei anderen Arbeiterkammern ähnliche Vorgänge gegeben hat?

a. Falls Ja, wie haben Sie darauf reagiert?

4.      Haben Sie Kenntnis davon, inwiefern der ÖGB - im Bund und in den Bundesländern -finanzielle Mittel von den Arbeiterkammern erhält?

a.       Falls Ja, mit welchen Summen wird der ÖGB - im Bund und in den Bundesländern - von den Arbeiterkammern mitfinanziert?

b.       Ist dies aus Ihrer Sicht rechtlich zulässig?

5.      Wie gewährleisten Sie als Aufsichtsbehörde die klare Trennung zwischen Arbeiterkammer und Gewerkschaft?

a. Ist aus Ihrer Sicht eine personelle und strukturelle Trennung zwischen den Dienststellen der Arbeiterkammern und den Dienststellen des ÖGB gegeben?

6.      Konstatieren Sie als Aufsichtsbehörde einen Interessenskonflikt, wenn AK-Präsident und ÖGB-Vorsitzender in einer Person vereint sind?

7.      Können Sie ausschließen, dass es Beratungsleistungen der Arbeiterkammern gibt, die nur mit Gewerkschaftsmitgliedschaft angeboten werden?

8.      Was tun Sie, um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Arbeiterkammer, indem die Leistungen der AK an ihre Mitglieder nur abhängig von einer ÖGB-Mitgliedschaft gewährt werden, zu verhindern?