3193/J-BR/2016

Eingelangt am 01.12.2016
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ANFRAGE

 

der BundesrätInnen  Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

 

betreffend Aufhebung des Blutspende-Verbots für Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM)

 

BEGRÜNDUNG

 

Blutspenden werden in Österreich zu 95% über das Rote Kreuz abgewickelt. Alle potentiellen SpenderInnen müssen vor jeder Blutspende einen Fragebogen ausfüllen. Darin wird explizit die Frage gestellt: „Hatten Sie als Mann Sex mit einem anderen Mann?“ Bei einer positiven Beantwortung, erfolgt der sofortige Ausschluss des betroffenen Mannes als Blutspender. Dies ist eine äußerst diskriminierende Vorgangsweise, die darüber hinaus auch zur Stigmatisierung von schwulen und bisexuellen Männern in der Gesellschaft beiträgt.

Die Richtlinie der Europäischen Kommission 2004/33/EG2 vom 22.03.2004, die einen
Mindeststandard für die nationalen Regelungen definiert, bestimmt im Anhang III als
dauerhaften Ausschlussgrund für Fremdblutspender ohne Geschlechtsbezug:
„Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut
übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt.“

Damit wird festgehalten, dass das Problem Risikoverhalten ist. Der Ausschluss einer Risikogruppe - lediglich aufgrund der sexuellen Orientierung -  stellt eine Diskriminierung dar.

Die wesentlichen Bestimmungen finden sich in der Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend den Gesundheitsschutz von Spendern und die Qualitätssicherung von Blut und Blutbestandteilen (Blutspenderverordnung - BSV).

Bereits 2010 haben die Grünen eine parlamentarische Anfrage (5911/J) zum Blutspende- Verbot für MSM gestellt und der damalige Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger hat in seiner Anfragebeantwortung (5879/AB) zu Frage 3 und 6 festgehalten:

„Um dem Anliegen homosexueller Männer nach Nicht-Diskriminierung Rechnung zu tragen, habe ich einen Begutachtungsentwurf zur Änderung der Blutspenderverordnung in Auftrag gegeben. In diesem Entwurf ist vorgesehen, dass die Blutspenderverordnung um einen § 3a erweitert werden soll, der wie folgt lautet:


§3a. Bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand und dessen Dokumentation sowie der diesbezüglichen Aufklärung und Information dürfen keine diskriminierenden Formulierungen verwendet werden.“

Im Jahr 2016 wurden in mehreren europäischen Ländern Optionen diskutiert dieses Totalverbot aufzuheben.

In der Neuen Zürcher Zeitung ist ein Artikel „Der Blutspende-Bann für Schwule könnte fallen“[1] erschienen, in dem die Geschäftsleitung von Blutspende SRK (Schweizerisches Rotes Kreuz) Anita Tschaggelar sagt, dass Blutspende SRK die Zulassung zum Spenden von rein risikobasierten Kriterien abhängig machen will und nicht von der sexuellen Orientierung.

Der Verein „Geben für Leben. Leukämiehilfe Österreich“ hält in seinem Gesundheitsfragebogen[2] unter Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe fest „Homosexualität ist kein Ausschlussgrund mehr“.

Mit Bulgarien, Italien, Lettland, Polen, Portugal und Spanien behandeln derzeit immerhin sechs der 28 EU-Staaten homo-, bi- und heterosexuelle Männer vollständig gleich – in diesen Ländern wird nur das individuelle Risikoverhalten der Spender abgefragt, nicht aber deren sexuelle Orientierung.

Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH, 29.04.2015 - C-528/13) fällt kein Grundsatzurteil, sondern definiert 2 Kriterien:

„Erstens muss geprüft werden bzw. ausgeschlossen sein, dass es nach dem aktuellsten Stand der Technik und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wirksame Techniken zum Nachweis von HIV bei dem individuellen Spender gibt. Zweitens darf es auch keine weniger belastenden Methoden als den Ausschluss geben, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger der Blutspende sicherzustellen, beispielsweise durch einen Fragebogen und die persönliche Befragung des Spenders, wodurch die Verhaltensweisen genauer identifiziert werden können, die mit dem Gesundheitsrisiko für die Empfänger verbunden sind. Das Vorliegen dieser zwei Kriterien zu überprüfen, ist laut dem EuGH die Aufgabe des vorlegenden Gerichtes.“[3]

 

 

Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Wie sehen Sie die Fokussierung in den Fragebögen zur Blutspendenabgabe - zB des Roten Kreuzes - auf den Ausschlussgrund Risikogruppen anstatt auf Risikoverhalten fachlich begründet?


2.    Ist der in den Fragebögen erhobene Generalverdacht gegen schwule und bisexuelle Männer beim Blut- und Plasmaspenden fachlich begründet und gerechtfertigt?

 

 

                      I.        Wenn ja, wieso?

                     II.        Wenn nein, mit welcher Begründung?

 

3.    Gibt es aktuelle Bestrebungen Ihrerseits die Blutspenderverordnung zu novellieren?

 

                      I.        Wenn ja, von welchem Zeitrahmen darf ausgegangen werden?

                     II.        Wenn nein, weshalb wollen Sie hier keinen weiteren Vorstoß unternehmen?

 

4.    Halten Sie eine Vereinheitlichung der Fragebögen – vom damaligen Gesundheitsminister Stöger wurde 2010 bereits eine Analyse in Auftrag gegeben - anhand von Vorgaben des Gesundheitsministeriums für sinnvoll?

 

                      I.        Wenn ja, welche Maßnahmen werden hierzu getroffen?

                     II.        Wenn nein, wieso nicht?

 

5.    Wie lauten die Ergebnisse zur Analyse bestehender und schon in Verwendung befindlicher (ausländischer) Fragebögen die, 2010 vom damaligen Gesundheitsminister Stöger, in Auftrag gegeben wurde?

 

6.    Wäre eine Beauftragung der Medizinischen Universität Wien Motivforschung zu betreiben, warum BlutspenderInnen spenden, und ob es eine Korrelation zu HIV-Tests gibt, eine Option für Sie?

 

                      I.        Wenn ja, welche Maßnahmen werden hierzu getroffen?

                     II.        Wenn nein, wieso nicht?

 

7.    HIV-Tests dürfen in Österreich nur in medizinischen Settings durchgeführt werden. Besonders im ländlichen Raum ist einerseits eine Wahrung der Anonymität kaum gegeben, andererseits gibt es wenige Möglichkeiten (Testorte) und das hält Menschen davon ab, sich testen zu lassen.

Werden Sie Initiativen setzen, um dem entgegen zu wirken?

 

                      I.        Wenn ja, welche?

                     II.        Wenn nein, wieso nicht?

 

 

8.    Welche Initiativen werden Sie setzen, um marginalisierte Gruppen (wie z.B. schwule und bisexuelle Männer) besser für HIV-Tests zu erreichen?

 

9.    In mehreren europäischen Ländern wird der Vorschlag debattiert schwule und bisexuelle Männer, die 1 Jahr lang keinen Sexualverkehr hatten, zur Blutspende zuzulassen. ExpertInnen der Aidshilfe sprechen von 9-12 Wochen Abstinenz, die aufgrund neuester HIV-Testverfahren ausreichend sind. Welche Option halten Sie für umsetzbar in Österreich?



[1] http://www.nzz.ch/schweiz/angst-vor-hiv-ansteckung-der-blutspende-bann-fuer-schwule-koennte-fallen-ld.90208, online 20.6.2016

[2] https://www.gebenfuerleben.at/downloads/datei/Gesundheitsfragebogen.pdf

[3] Seite 5 https://www.bundestag.de/blob/420190/2e89902693bf6bb229ef99da09290df6/pe-6-014-16-pdf-data.pdf