3240/J-BR/2017
Eingelangt am
11.05.2017
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Dringliche Anfrage
der Bundesrätlnnen David Stögmüller, Heidi Reiter, Nicole Schreyer; Ewa Dziedzic
an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda
betreffend Vergaberechtsformgesetz 2017
BEGRÜNDUNG
Österreich besitzt eines der umfassendsten und erfolgreichsten Rettungs- und Katastrophenschutzsysteme Europas: Von der Freiwilligen Feuerwehr über die Bergrettung bis hin zum Rettungsverbundsystem: die ehrenamtliche und freiwillige Mitarbeit vieler ÖsterreicherInnen ist ein Paradebeispiel von sozialem Engagement.
Das Rettungsverbundsystem wird über weite Strecken von Organisationen wie dem Roten Kreuz, dem Arbeitersamariterbund, der Johanniter-Unfall-Hilfe, oder anderen gemeinnützigen Trägern betrieben. Dabei geht der Dienst am Menschen über eine rein kommerzielle Dienstleistung weit hinaus: Organisationen wie das Rote Kreuz stellen nicht nur eine Versorgung bis in die entlegensten Täler sicher, sondern erledigen in vielen unbezahlten Stunden auch Nachwuchsarbeit, bieten sozialen Halt und stellen damit einen Eckpfeiler der österreichischen Gesellschaft.
Im Zuge der Umsetzung der Vergabe- und Konzessionsrichtlinien der Europäischen
Union wird das österreichische Vergaberecht grundlegend erneuert. Dabei sieht der europäische Gesetzgeber auch explizit eine Ausnahme vom Vergaberegime für durch gemeinnützige Organisationen erbrachte Notfalldienste vor: Denn nicht nur in Österreich besitzt die sozial und gesellschaftlich wertvolle Freiwilligentätigkeit einen hohen
Stellenwert.
Daher soll für Österreich klargestellt werden, dass Sanitätseinsätze und medizinisch notwendige Krankentransporte (mit Sanitätsbegleitung) ebenfalls ein Teil der
Rettungsdienste[1] bzw. des Rettungsdienstsystems sind. Neben der Sicherstellung von medizinischer Versorgung stellen die Ressourcen der Rettungsorganisationen (also die Infrastruktur genauso wie das große Netz an Freiwilligen) auch das Rückgrat der
Katastrophenabwehr (insbesondere bei Großeinsatzlagen) dar.[2] Das
Rettungsverbundsystem in seiner aktuellen Form ist weiters notwendig, um Menschen in
allen Regionen Österreichs weiterhin eine umfassende medizinische Versorgung wie
bisher bieten zu können.
Die unterfertigenden Bundesrätlnnen stellen daher folgende
DRINGLICHE ANFRAGE
1. Welche konkreten Bereiche fallen nach Plänen der Bundesregierung unter den Begriff des „Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung“ nach § 9
Abs. 1 Z 16 des geplanten BVerG (i.d.F des 292/ME der XXV GP) daher in den Geltungsbereich des BVergG?
2. Wird der in Österreich als Säule des Rettungssystems etablierte „qualifizierte Krankentransport“3 (daher i.d.R. „Sanitätseinsätze“) per Definition vom Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes ausgenommen?
a. Wenn Nein, wie wird auch weiterhin von Seiten der Bundesregierung sichergestellt, das bewährte österreichische Rettungsverbundsystem in Zukunft zu erhalten?
b. Wenn Nein, können Sie erläutern, welche Auswirkung eine Zerschlagung
des bewährten Rettungsverbundsystems auf unser Gesundheitswesen
haben wird? Bitte beziehen Sie sich insbesondere auf die Sicherstellung
des Rettungswesens in dezentralen Regionen in Österreich.
c. Wenn Nein, wie können Sie in Zukunft die medizinische und versorgungsseitige Sicherheit bei Großschadensereignissen (z.B. einem Großunfall, Naturkatastrophen, etc.) gewährleisten? Bitte beziehen Sie
sich insbesondere auf die kurzfristige Verfügbarkeit von ausreichenden Personaleinheiten (diese werden heute großteils durch Ehrenamtliche zur Verfügung stellen).
d. Wenn Nein, wie beurteilen Sie die finanziellen Auswirkungen eines solchen „Filetierens“ des Rettungssystems?
e. Wenn Ja, auf welche Art und Weise wird die Ausnahme des „qualifizierten Krankentransportes“ vom zukünftigen BVerG sichergestellt?
3. Wird für Dienstleistungen des „Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung“ ein vereinfachtes Verfahren nach § 151 ff BVergG geben?
a. Wenn Nein, warum nicht?
4. Der § 152 BVergG des Entwurfs sieht eine Umsetzung des Art 77 der EU- Vergaberichtlinien vor, dieser ist aber nicht verpflichtend für die Mitgliedstaaten
und liegt in deren Ermessen.
a. Wird der Art 77 der EU-Vergaberichtlinie im BVerG in Österreich
umgesetzt?
i. Wenn ja, warum?
b. Was bedeutet konkret die Umsetzung des Art 77 im Bereich des „Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung“ für die partizipatorischen Organisationen?
c. Wie lange ist dabei die maximale Laufzeit der vergebenen Aufträge im
Bereich des „Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung“ und wie lange ist die darauffolgende Auftragssperre?
5. Welche Maßnahmen planen Sie zum Erhalt und zur Sicherung des österreichischen Rettungsverbundsystems in der nächsten Dekade (bezugnehmend auf Ihren Wirkungsbereich)?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 61 GO-BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.
[1] CPV Code 75252000-7
[2] Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das bedeutet keinen neuen Protektionismus, sondern sichert unser
Rettungsverbundsystem ab. Alle jene Transporte von Patienten, die keine medizinische Notwendigkeit besitzen, sollen hingegen
dem Vergaberecht in normaler Form unterliegen. Der Fairness halber muss daher auch von gemeinnützigen Rettungsorganisationen
transparent sichergestellt werden, dass der Einsatz von Krankenwagen ausschließlich erfolgt, wenn dies medizinisch erforderlich ist
und Begleitung durch medizinisches Personal (zumindest RettungssanitäterIn) erfordert.
3 https://www.noegkk.at/portal27/noegkkportal/content?contentid=10007.702932&portal:componentld=gtn101d8d53-8189-4b1a- 879e-06190462070b&viewmode=content