3261/J-BR/2017

Eingelangt am 17.11.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend Körperliche Integrität von intergeschlechtlichen Personen

BEGRÜNDUNG

Mit Concluding Observations CAT/C/AUT/co/6 vom 27.1.2016 hat das UN- Folterkomitee Österreich aufgefordert, es solle:

„(a) die erforderlichen (...) Maßnahmen ergreifen, um die Achtung der körperlichen Integrität und die Autonomie intergeschlechtlicher Personen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass niemand im Säuglingsalter oder in der Kindheit, medizinisch oder chirurgisch nicht dringend notwendigen Maßnahmen unterzogen wird, die das Ziel verfolgen das Geschlecht des Kindes festzulegen;

(b)   unparteiische Beratungsleistungen für alle intergeschlechtlichen Kinder und ihre Eltern garantieren, um sie über die Folgen von unnötigen und nicht dringenden Operationen und anderen medizinischen Behandlungen zur Festlegung des Geschlechts des Kindes sowie die Möglichkeit der Verschiebung einer Entscheidung über eine solche Behandlung oder Operation, bis die Betroffenen selbst bestimmen können, zu informieren;

(c)  garantieren, dass die volle, freie und informierte Zustimmung im Zusammenhang mit medizinischen und chirurgischen Behandlungen bei intergeschlechtlichen Personen sichergestellt wird, und dass nicht dringende und irreversible medizinische Eingriffe verschoben werden, bis ein Kind reif genug ist, um an der Entscheidungsfindung teilzunehmen und eine wirksame Einwilligung zu erteilen;

(d)   die Fälle von chirurgischen Eingriffen oder anderen medizinischen Maßnahmen untersuchen, die bei intergeschlechtlichen Menschen ohne wirksame Einwilligung durchgeführt wurden und sicherstellen, dass die betroffenen Personen angemessen entschädigt werden. “

Mit Beschluss vom 10.10.2017 zur GZ 1 BvR 2019/16 hat das Deutsche Bundesverfassungsgericht ua ausgesprochen, dass das Fehlen der Möglichkeit eines Geschlechtseintrags jenseits von weiblich und männlich nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, sondern auch eine Diskriminierung von Menschen darstellt, die nicht männlichen oder weiblichen Geschlechts sind und sich selbst einem weiteren Geschlecht zuordnen. Es handelt sich um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, die in sehr hohem Ausmaß intergeschlechtliche Personen trifft. Es besteht kein Hinweis darauf, dass diese grundrechtliche Problemstellung im österreichischen Personenstandsrecht keine Wirkmächtigkeit entfalten würde.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.  Welche konkreten Schritte wurden seit dem 27.1.2016 gesetzt, um die Forderungen des UN-Folterkomitees an Österreich umzusetzen?

2.  Wurden diese Schritte dokumentiert?

3.  Wo lassen sie sich einsehen und wie kann man sich auch in Zukunft über Fortschritte informieren?

4.  Wann ist mit welchen konkreten legistischen Schritten zu rechnen und wie werden diese ausgestaltet sein?

5.  Welche konkreten legistischen Schritte planen Sie, um einen grundrechtskonformen Zustand herzustellen?

6.   Bis wann kann mit der Schaffung einer dritten Geschlechtseintragsoption gerechnet werden?

7.  Welche rechtlichen Überlegungen im Beschluss des Deutschen Bundesverfassungsgerichtes in der Causa sind auch für die österreichische Rechtslage von Relevanz?

8.   Ist Ihnen die Stellungnahme der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt bekannt?

9.  Wie gedenken Sie mit den Empfehlungen der Bioethikkommmission umzugehen?

10.  Wie positionieren Sie sich zur Einschätzung der Volksanwaltschaft, dass der Beschluss in Deutschland für Österreich "wegweisend" sein sollte und der Gesetzgeber nicht das VfGH-Urteil abwarten, sondern selbst initiativ werden sollte?