3405/J-BR/2017

Eingelangt am 22.12.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätinnen und Bundesräte Daniela Gruber-Pruner, Inge Posch-Gruska Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß, in Zukunft BM für Familie, Jugend und Frauen
betreffend „Maßnahmen zur Hintanhaltung von Behördenversagen bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen“

Im Falter vom 20.12.2017 erschien der unten angeführte Artikel von Nina Brnada, der das mögliche Versagen der Jugendwohlfahrtsbehörden in dem beschriebenen Fall kritisch beleuchtet:

Der Tod eines Buben und die Volksanwaltschaft

Als die Rettungskräfte in der Flüchtlingsunterkunft der Diakonie in Baden eintreffen, ist der Bub noch am Leben. Der elfjährige Asylwerber hat einen Suizidversuch begangen. Einen Tag später wird der afghanische Bub sterben.

Sein Fußballtrainer schildert einen ehrgeizigen Buben, die Deutschlehrerin nennt den Toten die "Lifeline" seiner Familie. Die Geschichte rüttelte darüber hinaus auch die Öffentlichkeit auf: Sie zeigte, wie die zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger in Niederösterreich Hilferufe ignorierten.

Zur Erinnerung: Der verstorbene Bub lebte als Vollwaise mit seinen Geschwistern zusammen. Sein 23-jähriger Bruder hatte die Obsorge über ihn und seine fünf minderjährigen Geschwister (einer von ihnen mit Down-Syndrom) vom Bezirksgericht Baden übertragen bekommen. Die Familie war bereits Monate vor dem Suizid immens aufgefallen, nicht nur durch Gefährdungsmeldungen der Diakonie und einer Schule an die BH Baden, die Geschwister des Buben betrafen, sondern auch durch einen Appell des Flüchtlingskoordinators Christian Konrad an Badens Bezirkshauptmann Heinz Zimper, man möge sich doch bitte der Geschwister annehmen.

Die Volksanwaltschaft erklärte, den Fall zu prüfen. Einen Monat nach dem Tod des Buben kommt sie zwar zum Schluss, dass die "gerichtliche Übertragung der Obsorge von sechs Kindern an einen 23-jährigen Bruder äußerst bedenklich" sei und "aufgrund mehrerer Gefährdungshinweise" hätte eingeschritten werden müssen.

Aber der Hauptteil des Prüfergebnisses kommt für die Behörden einer Absolution gleich: "Kein Hinweis auf Behördenverschulden" lautet der Titel ihrer Stellungnahme. Das Umfeld des Toten habe kein verhaltensauffälliges oder gar selbstgefährdendes Verhalten des Kindes wahrgenommen, heißt es da. "Der BH Baden und dem Land Niederösterreich als Kinder-und Jugendhilfeträger kann im Zusammenhang mit dem Suizid kein Vorwurf gemacht werden."

Ein grenzwertiges Urteil, denn was bedeutet es denn im Umkehrschluss? Dass es theoretisch auch möglich wäre zu sagen, wem ein Vorwurf am Suizid zu machen sei.

Der Schein des Freispruchs der Behörden, den die Stellungnahme der Volksanwaltschaft erzeugt, wirft aber auch ein Licht auf diese selbst.


 

Auch diese müsste sich die Frage gefallen lassen, ob sie genug Druck macht, damit die Institutionen an einem dichteren Netz gegen derlei Verzweiflungstaten knüpfen, sagt etwa Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze, viele Jahre Vorsitzende des Monitoringausschusses zur Überwachung der Einhaltung der UN­Behindertenrechtskonvention.

Die Frage ist nicht, wer Schuld an diesem Suizid hat -das kann niemand sagen. Die Frage ist, ob alles getan wurde, um ihn zu verhindern.

 

Die unterzeichnenden Bundesrätinnen und Bundesräte nehmen den vorliegenden Lebenssachverhalt zum Anlass, folgende

Anfrage

zu stellen:

1.         Haben Sie oder ihr Ressort Handlungen gesetzt, um den vorliegenden Fall im Bereich ihrer Ressortzuständigkeit auf etwaiges Versagen der Behörden oder des Systems zu überprüfen?

a.      Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie konkret zu welchem Zeitpunkt gesetzt?

b.      Wenn nein, warum nicht?

c.      Was waren die Ergebnisse dieser Maßnahmen?

2.         Haben Sie oder ihr Ressort Handlungen gesetzt, um sicherzustellen, dass sich ein vergleichbarer Lebenssachverhalt nicht noch einmal verwirklichen kann?

a.      Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie konkret zu welchem Zeitpunkt gesetzt?

b.      Wenn nein, warum nicht?

3.         Welche Maßnahmen sind in ihrem Arbeitsplan für ihr Amt enthalten, die geeignet sind, die Verwirklichung eines ähnlichen Lebenssachverhaltes zu verhindern?

4.         Haben Sie oder ihr Ressort Kontakt mit den im konkreten Fall handelnden Behörden und Personen gesucht, um die Umstände vollständig aufzuklären?

a.      Wenn ja, mit welcher zuständigen Dienststelle haben Sie zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ergebnis gesprochen?

b.      Wenn nein, warum nicht?