3455/J-BR/2018
Eingelangt am 05.03.2018
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Anfrage
der BundesrätInnen Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres betreffend „Überwachungspaket DDR 4.0“
Die Bundesregierung hat dem Parlament mit den beiden Regierungsvorlagen „Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2018)“, 17 d.B. und „Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden“, 15 d.B. ein umfassendes Überwachungspaket zur Beschlussfassung vorgelegt.
Unter dem Vorwand, damit Terrorismus und organisierte Kriminalität bekämpfen zu wollen, soll mit diesem Überwachungspaket u.a. ermöglicht werden, dass
Die im Überwachungspaket vorgesehenen Maßnahmen sind nicht nur ein völlig unverhältnismäßiger Eingriff das Privatleben der BürgerInnen. Sie verletzen auch das Grundrecht auf Privatleben. Anstatt bestehende Sicherheitslücken im System zu schließen und so einen missbräuchliche Zugriff auf die Daten der BürgerInnen zu verhindern, sollen nach dem Willen der Bundesregierung diese Lücken bewusst offen gehalten werden, um sie selbst zu nutzen.
Das Vorhaben der Bundesregierung für ein massives Überwachungspaket (mit im Wesentlichen demselben Inhalt) wurde im Sommer vergangenen Jahres einem Begutachtungsverfahren unterzogen. Im Zuge dessen haben sie die geplanten Überwachungsmassnahmen folgendermaßen bewertet:
„OTS0044 5 II 0318 FPK0002 Mi, 26.Jul 2017
FPÖ/Kickl/Sicherheitspaket/ÖVP
Kickl: Sicherheitspaket der ÖVP ist gefährliche Drohung und wird von der FPÖ abgelehnt!
Utl.: Autoritäre Denkmuster innerhalb der Volkspartei spiegeln sich
in ihren staatspolitischen Vorstellungen wider! =
Wien (OTS) - Das Sicherheitspaket, das von der ÖVP massiv forciert wird und noch vor der Nationalratswahl beschlossen werden soll, zeichnet jenes autoritäre Denkmuster innerhalb der Volkspartei, das sich auch in deren staatspolitischen Vorstellungen widerspiegelt. Alles in allem erinnert dieses Paket mit seinen Überwachungsmöglichkeiten an die Phantasien von Erich Mielke, der als Minister für Staatssicherheit einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbau des flächendeckenden Kontroll- und Überwachungssystems der DDR war. Die Kritik des Rechtsanwälte-Präsidenten Rupert Wolff am Gesetzesentwurf lasse einem die Haare zu Berge stehen und an der Ernsthaftigkeit der Gesetzesvorlage zweifeln, so heute der Generalsekretär der FPÖ, NAbg. Herbert Kickl.
„Die geplante Weitergabe von Daten an Gemeindebau-Hausmeister, der geplante Einsatz des Bundestrojaners, der nicht nur die Kommunikation des Verdächtigen, sondern auch die Überwachung aller Daten am Gerät beziehungsweise der Daten auf den Geräten eines Dritten ermöglicht, sei weit über das Ziel schießend. Ob so eine Regelung überhaupt verfassungskonform sei, werde noch zu prüfen sein“, so Kickl.
Dass aber – entgegen der bisherigen Ankündigungen – der Rechtsschutz für die Bürger dermaßen ausgehebelt werden soll, dass weder richterliche Genehmigungen noch Befassung des Rechtsschutzbeauftragten im Vorfeld der Überwachung eingeholt werden müssen, sei ein starkes Stück. Das ist wirklich DDR 4.0 und er, Kickl, hält es für ausgeschlossen, dass so ein Gesetz durch den Nationalrat kommt. „Das wäre das Ende des Rechtsstaates, wie wir ihn kennen. So ein ‚Papier der Grässlichkeiten‘ ist undenkbar!“
„Die FPÖ bekennt sich selbstverständlich allumfassend zur Kriminalitätsbekämpfung. Dabei ist auch die Überwachung von Kriminellen und der Einschnitt in die Privatsphäre im Ausnahmefall notwendig. Mit diesem Gesetz würde jedoch die Tür zu einem Spitzelsystem aufgestoßen und das kann und wird niemals in unserem Interesse sein“, so der freiheitliche Generalsekretär Herbert Kickl.“
Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Sie haben
vergangen Sommer gemeint, die Kritik des Präsidenten der
Rechtsanwaltskammer Rupert Wolff am damaligen Gesetzesentwurf lasse einem die
Haare zu Berge stehen und an der Ernsthaftigkeit der Gesetzesvorlage zweifeln. Alles
in allem erinnere sie dieses Paket mit seinen
Überwachungsmöglichkeiten an die Phantasien von Erich Mielke, der als
Minister für Staatssicherheit einer der Hauptverantwortlichen für den
Ausbau des flächendeckenden Kontroll- und Überwachungssystems der DDR
war.
Zum aktuell von ihnen vorgelegten
Gesetzespaket hat Rechtsanwaltskammer-Präsident Wolff im Standard vom
22.2.2018 folgendes gesagt:
STANDARD: Die
Rechtsanwälte haben im Vorjahr massive Kritik an den Entwürfen zum
Sicherheitspaket geübt. Nun gibt es einen neuen Anlauf. Wie fällt Ihr
Urteil aus?
Wolff: Wir haben die Entwürfe studiert und sind zum Schluss gekommen,
dass sich im Wesentlichen nichts geändert hat. […]“
Lässt ihnen die aktuelle Kritik des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer an ihrem eigenen aktuell vorgelegten Gesetzesentwurf ebenfalls „die Haare zu Berge stehen und an der Ernsthaftigkeit der Gesetzesvorlage zweifeln“?
2.
Sie haben damals zum praktisch identen Gesetzesvorhaben festgehalten:
„[…] der geplante Einsatz des Bundestrojaners, der nicht nur die
Kommunikation des Verdächtigen, sondern auch die Überwachung aller
Daten am Gerät beziehungsweise der Daten auf den Geräten eines
Dritten ermöglicht, sei weit über das Ziel schießend. Ob so
eine Regelung überhaupt verfassungskonform sei, werde noch zu prüfen
sein.“
In ihrer Gesetzesvorlage ist nunmehr exakt der Einsatz eines Bundestrojaners geplant, der nicht nur die Kommunikation des Verdächtigen, sondern auch die Überwachung aller Daten am Gerät beziehungsweise der Daten auf den Geräten eines Dritten ermöglicht.
a) Halten sie das für „weit über das Ziel schießend“?
b) Wenn ja, warum wird genau dies von der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung dem Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt?
c) Wenn nein, wodurch hat sich ihr überraschend plötzlicher diametraler Meinungswechsel innerhalb weniger Monate ergeben?
3. Zur im vorgelegten Gesetzesentwurf enthaltenen modifizierten Vorratsdatenspeicherung hat Rechtsanwaltskammerpräsident Wolff festgehalten: „Das ist eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür. Wir sind der Auffassung, dass die strengen, vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien, wann eine solche Vorratsdatenspeicherung zulässig ist, damit nicht erfüllt werden.“
Wodurch hat sich ihr plötzlicher
Meinungswechsel in diesem Punkt ergeben, nunmehr einer Verlängerung der
Dauer der Speicherung von 6 Monaten auf 12 Monate zuzustimmen?
4. Sie haben im Sommer 2017 zum vorgelegten Gesetzespaket folgendermaßen Stellung genommen: „Autoritäre Denkmuster innerhalb der Volkspartei spiegeln sich in ihren staatspolitischen Vorstellungen wider!“
Spiegeln sich – nachdem die FPÖ „umgefallen“ ist und nunmehr das Überwachungspaket unterstützt – in den staatspolitischen Vorstellungen der FPÖ ihre autoritären Denkmuster wieder?