3460/J-BR/2018

Eingelangt am 15.03.2018
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der BundesrätInnen Ewa Dziedzic, David Stögmüller, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres 

 

betreffend Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

BEGRÜNDUNG

 

Am 27. Februar dieses Jahres bekommt ein Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien gegen 22:00 Uhr eine mehr als ungewöhnliche Verfügung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) zur Genehmigung vorgelegt: eine staatsanwaltschaftliche Anordnung zur Durchsuchung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und einiger Privatadressen. Der Journalrichter genehmigt die Hausdurchsuchungen umgehend.

 

Grundlage für die Hausdurchsuchungen war ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere BVT-Beamte wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 302 StGB (Amtsmissbrauch). Konkret geht es angeblich um den vagen Vorwurf nicht gelöschter Daten eines Anwalts sowie laut jüngsten Berichten auch darum, dass Daten der früheren Grünen NR-Abgeordneten Sigi Maurer widerrechtlich nicht gelöscht worden sein sollen. Weiterer Untersuchungsgrund sei die Weitergabe von drei nordkoreanischen Passmustern aus österreichischer Produktion an die südkoreanischen Sicherheitsbehörden. Im vergangenen Herbst hieß es dazu in einer Stellungnahme des damals noch von der ÖVP geführten Innenministeriums, dass dies "ein üblicher und regulärer Vorgang" gewesen sei. Wenige Monate später wird dies vom mittlerweile

FPÖ-geführten Innenministerium offenbar als Grundlage für einen massiven Polizeieinsatz gegen den Verfassungsschutz herangezogen.

Denn bereits am folgenden Morgen, dem 28. Februar, kommt es um 9 Uhr zur Razzia. 58 Mann der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) stürmen bewaffnet und in voller Montur mit schusssicheren Westen die Büroräumlichkeiten des BVT und stellen umfangreiche Datensätze des Verfassungsschutzes sicher.

Selbstverständlich sind die (strafrechtlichen) Vorwürfe gegen Mitarbeiter des BVT zu untersuchen und aufzuklären. Insbesondere der zuletzt auch von BM Moser berichtete Verdacht, dass amtsmissbräuchlich Daten widerrechtlich aufbewahrt wurden, wäre ein schwerer Verstoß und bestätigt die von den Grünen wiederholt geäußert Sorge, dass im Bereich des BVT keine ausreichende Kontrolle bei der Verarbeitung und Speicherung sensibler Daten besteht. Die bisher bekannten, mehr als vagen Verdachtsmomente gegen BVT-Mitarbeiter aber als Vorwand für eine geheim vorbereitete Operation einer Polizei-Sondereinheit in der Zentrale des Verfassungsschutzes heranzuziehen, bei der umfassende Datenbestände des BVT sichergestellt wurden, ist nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern beispiellos. Laut Angaben des Generalsekretärs im Justizministerium, Christian Pilnacek, in einer Pressekonferenz, wurden insgesamt über 19 GB an Daten des BVT auf USB-Sticks kopiert.

Durchgeführt bzw. unterstützt wurde die Aktion von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die vom FPÖ-Funktionär Wolfgang Preiszler geleitet wird, über den der geschäftsführende Parteiobmann der FPÖ Niederösterreich, Christian Höbart im Februar auf Facebook berichtete, er sei stolz darauf, ihn „in meiner Mannschaft […] zu haben“.

Vor diesem Hintergrund des parteipolitischen Naheverhältnisses des Einsatzleiters zur FPÖ erscheint der Umstand noch problematischer, dass bei der Razzia offenbar überschießend Daten des BVT bzw. der Chefin der Abteilung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus beschlagnahmt wurden, die offenkundig nichts mit dem Anlassfall zu hatten.

Laut einem Sicherstellungsprotokoll, das von einem Exekutivbeamten und der Leiterin des Extremismusreferats unterzeichnet wurde, seien zwei Mobiltelefone, ein Stand-PC, drei USB-Sticks, acht Floppy-Discs, 397 Seiten Schriftverkehr sowie insgesamt 315 CDs und DVDs sichergestellt worden, berichten „profil“ und „Standard“. Die als Zeugin geführte Referatsleiterin habe Passwörter und Handycodes übergeben müssen. Ein Teil der CDs sei im Protokoll eigens gekennzeichnet worden. Bei der Position „1 Kuvert mit 19 CDs“ finde sich der Zusatz „aktuelle Fälle - Beweismittel“. Die Position „1 CD-Spindel mit 21 CDs“ trage den Zusatz „Fall K. - Beweismittel!!“. Bei dieser Person handle es sich um eine Frau, die der Wiener Neonazi-Szene zugerechnet wird.(http://orf.at/stories/2429660/2429658/)

Der Standard berichtete am 11.3. in diesem Zusammenhang:

Rechtsextreme Musikerin im FPÖ-Umfeld: Das Sicherstellungsprotokoll, das der Standard und Profil einsehen konnten, spricht jedoch unter anderem von 21 sichergestellten CDs mit "Beweismaterial" zum Fall einer neonazistischen "Liedermacherin" namens K. aus Wien. Die Rechtsextreme wird im Protokoll der Razzia mit vollem Namen erwähnt. K. trat mit zwei weiteren Neonazis auf, zu dritt wurden sie 2017 wegen NS-Wiederbetätigung erstinstanzlich verurteilt. K. ist auf Fotos mit einem Rechtsanwalt abgebildet, der vor einigen Jahren bei Nationalratswahlen für die FPÖ kandidierte. Sowohl der Rechtsanwalt als auch K.s Freundin, mit der sie vor Gericht stand, interagierten auf Facebook wiederholt mit dem Rechtsextremen Alexander S., der jahrelang parlamentarischer Mitarbeiter des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Christian Höbart war. Höbart sitzt wiederum im Gemeinderat von Guntramsdorf – gemeinsam mit Parteifreund Wolfgang Preiszler, Chef der EGS, welche die Razzia der Staatsanwaltschaft beim BVT unterstützte.“

 

Jüngste Berichte im Falter vom 13.3.2018 lassen außerdem vermuten, dass die Hausdurchsuchung beim BVT zu diesem Zeitpunkt Teil einer spektakulären Inszenierung war, die es Ihnen als Innenminister ermöglichen sollte, die Wieder-Ernennung des BVT Leiters Peter Gridling zu verhindern. Bundespräsident Van der Bellen hatte nämlich Peter Gridling bereits im Februar als BVT-Chef ernannt:

 

Am 31.1 hat Kickl den BVT-Chef mit seiner Unterschrift vorgeschlagen, da ihm das Ausschreibungsgesetz keine andere Wahl ließ. Am 14. Februar langte das Bestellungsdekret in der Hofburg ein, damit es von Van der Bellen gegengezeichnet werde. Am 19. Februar hat es der Bundespräsident auch tatsächlich unterschrieben und tags darauf an das BMI retourniert, wo es am 22.2. eingetroffen ist. Am 28.2. hielt Peter Goldgruber das Dekret aus der Hofburg in Händen und verweigerte die Unterfertigung und Zustellung an Gridling – weil gegen ihn ja nun die Justiz wegen Amtsmissbrauch ermittle. Goldgruber höchstpersönlich erstattete allerdings davor Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen Gridling und empfahl zudem, eine stadtbekannten Sondereinheit unter Führung des FPÖ-Funktionärs Wolfgang Preiszler zur Hausdurchsuchung mitzunehmen.“ Falter, 13.3.2018

Am 13.3. haben Sie bekannt gegeben, dass der seitens des Bundespräsidenten bereits wiederbestellte BVT-Chef vom Dienst suspendiert sei.

Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

1.    Welche Dienststellen der LPD Wien wurden in dieser Causa mit Ermittlungen beauftragt?

2.    Welche Dienststelle der LPD Wien führt die Ermittlungen im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA)?

3.    Waren Sie, Mitarbeiter ihres Kabinetts oder ihr Generalsekretär in die Vorbereitung oder Planung der Hausdurchsuchung beim BVT involviert? Wenn ja, wer konkret und in welcher Form?

4.    Waren Sie als Innenminister über das Vorhaben, mithilfe der „Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität“ (EGS) eine Hausdurchsuchung beim BVT abzuhalten, informiert?

5.    Falls ja, haben Sie andere Regierungsmitglieder über dieses Vorhaben unterrichtet?

6.    Wer bzw. welche Dienststelle ordnete den Einsatz der EGS bei der Hausdurchsuchung beim BVT an? Entspricht es den Tatsachen, dass der „Anstoß“ dafür von Generalsekretär Goldgruber gekommen ist?

7.    Welche Gründe waren maßgeblich für den Einsatz der „Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität“ (EGS)?

8.    Spielten Vorwürfe, welche in der initialen Anzeige gegenüber dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und der Cobra erhoben wurden, sie seien durch „schwarze Netzwerke“ korrumpiert, eine Rolle bei der Entscheidung, die EGS mit der Hausdurchsuchung zu betrauen?

9.    Spielte der Umstand, dass der Leiter der EGS, Wolfgang Preiszler, der nach Ansicht des geschäftsführenden Parteiobmannes der FPÖ Niederösterreich zu seiner FPÖ-„Mannschaft“ gehört, eine Rolle bei der Entscheidung, die EGS mit der Hausdurchsuchung zu betrauen?

10. Wer ordnete die taktische Ausrüstung und Adjustierung der eingesetzten EGS-Beamten an?

11. Wurde mit bewaffnetem Widerstand gegen die Durchsuchung gerechnet?

12. Falls nein, warum trugen die Beamten Schutzwesten bzw. Sturmhauben?

13. Trifft es zu, dass „ganze Festplatten“ und/oder Datenbanken kopiert wurden?

14. Wie viele und welche Art von Datenträgern wurden sichergestellt?

15. Trifft es zu, dass auch Datenträger bzw. Informationen des BVT über Rechtsextremismus sichergestellt wurden?

16. Falls ja, was ist im Zusammenhang mit der Aufklärung der erhobenen Vorwürfe gegen die BVT-Mitarbeiter das kriminaltaktische Ziel an der Beschlagnahmung von Informationen über Rechtsextremismus?

17. Können Sie ausschließen, dass dadurch mithilfe einer Polizeieinheit unter dem Kommando eines FPÖ-Funktionärs die Gelegenheit der Hausdurchsuchung beim BVT genutzt wurde, um sich dabei auch Zugriff auf Informationen des BVT zum Thema Rechtsextremismus und allfällige FPÖ-Verstrickungen zu verschaffen?

18. Wer bzw. welche Dienststellen sind mit der Auswertung der beschlagnahmten Daten beauftragt?

19.  Wer bzw. welche Dienststellen haben physischen Zugang zu den beschlagnahmten Datenträgern?

20. Haben Sie, Mitglieder ihres Kabinetts oder ihnen unterstellte Dienstbehörden Zugriff auf im Rahmen der Hausdurchsuchung beim BVT sichergestellte Daten, insbesondere im Zusammenhang mit Rechtsextremismus?

21.  Trifft es zu, dass die Kopie-Daten auf dem neuen Datenträger in geringerem Ausmaß geschützt sind, als solche im EDV-System des BVT?

22.  Sind Zugriffe auf die sichergestellten Daten nur über verifizierte Accounts möglich?

23.  Werden Zugriffe auf die Kopie-Daten protokolliert?

24.  Wurden die Kopie-Datenträger verschlüsselt?

25.  Könnten die Datenträger mit den sichergestellten Daten (USB-Sticks, Festplatten etc.) bei physischem Zugriff durch Duplizieren des Images geklont werden, ohne die Protokollierung eines Zugriffs auszulösen?

26. Entspricht es den Tatsachen, dass Sie bzw. Ihr Generalsekretär Peter Goldgruber sich weigerten, das bereits vom Bundespräsidenten unterfertigte Bestallungsdekret von Peter Gridling zum BVT-Chef zuzustellen?

27. Entspricht es den Tatsachen, dass die Zustellung des Bestellungsdekretes unter Hinweis auf Ermittlungen gegen Gridling verweigert wurde, obwohl ebendiese Ermittlungen infolge einer von Peter Goldgruber höchstpersönlich eingebrachten Anzeige aufgenommen wurden?

28. Welche konkreten Vorwürfe bzw. Verdachtsmomente haben Sie dazu bewogen, den seitens des Bundespräsidenten bereits wiederbestellten BVT-Chef Gridling vom Dienst zu suspendieren?

29. Entspricht es den Tatsachen, dass einer der Vorwürfe darin bestand, dass Daten nicht gelöscht wurden? Auf welche Art wird bisher die Einhaltung der Vorschriften über die Löschung von Daten im Bereich des BVT kontrolliert?

30. Wie kann angesichts der bestehenden Vorwürfe diese Kontrolle verbessert werden, ohne dass es dabei zu einer politischen Einflussnahme oder Einsicht in die sensible Arbeit des BVT kommt?

31.  Teilen Sie angesichts derartiger Machenschaften und dubioser Vorkommnisse in ihrem Verantwortungsbereich die Einschätzung „betroffener ÖVP-naher Beamten im Innenministerium“, die die FPÖ gegenüber dem KURIER bezichtigen, mit "brachialer und brutaler Gewalt wie beim Häuserkampf in Bagdad" gegen sie vorzugehen?

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese Anfrage dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.