3461/J-BR/2018

Eingelangt am 15.03.2018
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der BundesrätInnen Ewa Dziedzic, David Stögmüller, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

 

betreffend Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

BEGRÜNDUNG

 

Am 27. Februar dieses Jahres bekommt ein Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien gegen 22:00 Uhr eine mehr als ungewöhnliche Verfügung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) zur Genehmigung vorgelegt: eine staatsanwaltschaftliche Anordnung zur Durchsuchung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und einiger Privatadressen. Der Journalrichter genehmigt die Hausdurchsuchungen umgehend.

 

Grundlage für die Hausdurchsuchungen war ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere BVT-Beamte wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 302 StGB (Amtsmissbrauch). Konkret geht es angeblich um den vagen Vorwurf nicht gelöschter Daten eines Anwalts sowie laut jüngsten Berichten auch darum, dass Daten der früheren Grünen NR-Abgeordneten Sigi Maurer widerrechtlich nicht gelöscht worden sein sollen. Weiterer Untersuchungsgrund sei die Weitergabe von drei nordkoreanischen Passmustern aus österreichischer Produktion an die südkoreanischen Sicherheitsbehörden. Im vergangenen Herbst hieß es dazu in einer Stellungnahme des damals noch von der ÖVP geführten Innenministeriums, dass dies "ein üblicher und regulärer Vorgang" gewesen sei. Wenige Monate später wird dies vom mittlerweile FPÖ-geführten Innenministerium offenbar als Grundlage für einen massiven Polizeieinsatz gegen den Verfassungsschutz herangezogen.

Denn bereits am folgenden Morgen, dem 28. Februar, kommt es um 9 Uhr zur Razzia. 58 Mann der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) stürmen bewaffnet und in voller Montur mit schusssicheren Westen die Büroräumlichkeiten des BVT und stellen umfangreiche Datensätze des Verfassungsschutzes sicher.

Selbstverständlich sind die (strafrechtlichen) Vorwürfe gegen Mitarbeiter des BVT zu untersuchen und aufzuklären. Insbesondere der zuletzt auch von ihnen berichtete Verdacht, dass amtsmissbräuchlich Daten widerrechtlich aufbewahrt wurden, wäre ein schwerer Verstoß und bestätigt die von den Grünen wiederholt geäußert Sorge, dass im Bereich des BVT keine ausreichende Kontrolle bei der Verarbeitung und Speicherung sensibler Daten besteht. Die bisher bekannten, mehr als vagen Verdachtsmomente gegen BVT-Mitarbeiter aber als Vorwand für eine geheim vorbereitete Operation einer Polizei-Sondereinheit in der Zentrale des Verfassungsschutzes heranzuziehen, bei der umfassende Datenbestände des BVT sichergestellt wurden, ist nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern beispiellos. Laut Angaben des Generalsekretärs im Justizministerium, Christian Pilnacek, in einer Pressekonferenz, wurden insgesamt über 19 GB an Daten des BVT auf USB-Sticks kopiert.

Durchgeführt bzw. unterstützt wurde die Aktion von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die vom FPÖ-Funktionär Wolfgang Preiszler geleitet wird, über den der geschäftsführende Parteiobmann der FPÖ Niederösterreich, Christian Höbart im Februar auf Facebook berichtete, er sei stolz darauf, ihn „in meiner Mannschaft […] zu haben“.


Vor diesem Hintergrund des parteipolitischen Naheverhältnisses des Einsatzleiters zur FPÖ erscheint der Umstand noch problematischer, dass bei der Razzia offenbar überschießend Daten des BVT bzw. der Chefin der Abteilung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus beschlagnahmt wurden, die offenkundig nichts mit dem Anlassfall zu hatten.

Laut einem Sicherstellungsprotokoll, das von einem Exekutivbeamten und der Leiterin des Extremismusreferats unterzeichnet wurde, seien zwei Mobiltelefone, ein Stand-PC, drei USB-Sticks, acht Floppy-Discs, 397 Seiten Schriftverkehr sowie insgesamt 315 CDs und DVDs sichergestellt worden, berichten „profil“ und „Standard“. Die als Zeugin geführte Referatsleiterin habe Passwörter und Handycodes übergeben müssen. Ein Teil der CDs sei im Protokoll eigens gekennzeichnet worden. Bei der Position „1 Kuvert mit 19 CDs“ finde sich der Zusatz „aktuelle Fälle - Beweismittel“. Die Position „1 CD-Spindel mit 21 CDs“ trage den Zusatz „Fall K. - Beweismittel!!“. Bei dieser Person handle es sich um eine Frau, die der Wiener Neonazi-Szene zugerechnet wird.(http://orf.at/stories/2429660/2429658/)

Der Standard berichtete am 11.3. in diesem Zusammenhang:

Rechtsextreme Musikerin im FPÖ-Umfeld: Das Sicherstellungsprotokoll, das der Standard und Profil einsehen konnten, spricht jedoch unter anderem von 21 sichergestellten CDs mit "Beweismaterial" zum Fall einer neonazistischen "Liedermacherin" namens K. aus Wien. Die Rechtsextreme wird im Protokoll der Razzia mit vollem Namen erwähnt. K. trat mit zwei weiteren Neonazis auf, zu dritt wurden sie 2017 wegen NS-Wiederbetätigung erstinstanzlich verurteilt. K. ist auf Fotos mit einem Rechtsanwalt abgebildet, der vor einigen Jahren bei Nationalratswahlen für die FPÖ kandidierte. Sowohl der Rechtsanwalt als auch K.s Freundin, mit der sie vor Gericht stand, interagierten auf Facebook wiederholt mit dem Rechtsextremen Alexander S., der jahrelang parlamentarischer Mitarbeiter des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Christian Höbart war. Höbart sitzt wiederum im Gemeinderat von Guntramsdorf – gemeinsam mit Parteifreund Wolfgang Preiszler, Chef der EGS, welche die Razzia der Staatsanwaltschaft beim BVT unterstützte.“

 

Jüngste Berichte im Falter vom 13.3.2018 lassen außerdem vermuten, dass die Hausdurchsuchung beim BVT zu diesem Zeitpunkt Teil einer spektakulären Inszenierung war, die es Ihnen als Innenminister ermöglichen sollte, die Wieder-Ernennung des BVT Leiters Peter Gridling zu verhindern. Bundespräsident Van der Bellen hatte nämlich Peter Gridling bereits im Februar als BVT-Chef ernannt:

 

Am 31.1 hat Kickl den BVT-Chef mit seiner Unterschrift vorgeschlagen, da ihm das Ausschreibungsgesetz keine andere Wahl ließ. Am 14. Februar langte das Bestellungsdekret in der Hofburg ein, damit es von Van der Bellen gegengezeichnet werde. Am 19. Februar hat es der Bundespräsident auch tatsächlich unterschrieben und tags darauf an das BMI retourniert, wo es am 22.2. eingetroffen ist. Am 28.2. hielt Peter Goldgruber das Dekret aus der Hofburg in Händen und verweigerte die Unterfertigung und Zustellung an Gridling – weil gegen ihn ja nun die Justiz wegen Amtsmissbrauch ermittle. Goldgruber höchstpersönlich erstattete allerdings davor Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen Gridling und empfahl zudem, eine stadtbekannten Sondereinheit unter Führung des FPÖ-Funktionärs Wolfgang Preiszler zur Hausdurchsuchung mitzunehmen.“ Falter, 13.3.2018

Am 13.3. wurde vom Innenminister bekannt gegeben, dass der seitens des Bundespräsidenten bereits wiederbestellte BVT-Chef vom Dienst suspendiert sei.


Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

 

1.    Waren Sie, Mitarbeiter ihres Kabinetts oder ihr Generalsekretär in die Vorbereitung oder Planung der Hausdurchsuchung beim BVT involviert? Wenn ja, wer konkret und in welcher Form?

2.    Waren Sie als Justizminister oder ihr Generalsekretär über das Vorhaben, eine Hausdurchsuchung beim BVT abzuhalten, vorab informiert?

3.    Falls ja, haben Sie andere Regierungsmitglieder über dieses Vorhaben unterrichtet?

4.    Waren Sie darüber informiert, dass die Hausdurchsuchung mithilfe der „Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität“ (EGS) durchgeführt werden sollte?

5.    Wer bzw. welche Dienststelle ordnete den Einsatz der EGS bei der Hausdurchsuchung beim BVT an?

6.    Welche Gründe waren maßgeblich für den Einsatz der „Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität“ (EGS)?

7.    Aufgrund welcher konkreten strafrechtlichen Vorwürfe bzw. welcher Verdachtslage wurde seitens der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) eine Hausdurchsuchung beim BVT beantragt?

8.    Ihren Aussagen zufolge stehe primär der Vorwurf im Raum, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu löschende Daten nicht gelöscht wurden bzw. unzulässig Datenkopien angefertigt wurden. Erachten Sie es tatsächlich für „verhältnismässig“, bei einer derartigen Verdachtslage eine Hausdurchsuchung mit 58 bewaffneten und mit schusssicheren Westen ausgestatteten Beamten durchführen zu lassen?

9.    Wie beurteilen Sie die „Verhältnismäßigkeit“ der Sicherstellungen, wenn offenbar – wie ihr Generalsekretär verlautet hat - 19 GB an Daten des BVT kopiert wurden?

10. Generalsekretär Pilnacek hat gegenüber Medien gesagt, Einzelfalldaten oder die besonders heikle Extremismusdatenbank seien "nie das Zielobjekt" gewesen. Wie konnten die Beamten bei der Hausdurchsuchung am 28.2. derartig schnell 19 GB an Daten sichten/überprüfen, um sicherzugehen, dass keine Einzelfalldaten oder Daten aus der Extremismus-Datenbank sichergestellt werden?

11. Generalsekretär Pilnacek hat gegenüber Medien gesagt, bei der Leiterin des Extremismusreferats sei deshalb eine Durchsuchung erfolgt, weil sie laut Zeugenaussage einen sehr intensiven beruflichen Kontakt zu einem der Beschuldigten unterhalten habe. Inwieweit rechtfertigt Ihrer Ansicht nach bereits ein „intensiver beruflicher Kontakt“ die Beschlagnahme sämtlicher Daten der Betroffenen? Teilen Sie die Ansicht, dass eine derartige Begründung einer Datensicherstellung unsachlich, unverhältnismäßig und willkürlich ist?

12. Laut einem Sicherstellungsprotokoll, das von einem Exekutivbeamten und der Leiterin des Extremismusreferats unterzeichnet wurde, seien zwei Mobiltelefone, ein Stand-PC, drei USB-Sticks, acht Floppy-Discs, 397 Seiten Schriftverkehr sowie insgesamt 315 CDs und DVDs sichergestellt worden, berichten „profil“ und „Standard“. Die als Zeugin geführte Referatsleiterin habe Passwörter und Handycodes übergeben müssen. Ein Teil der CDs sei im Protokoll eigens gekennzeichnet worden. Bei der Position „1 Kuvert mit 19 CDs“ finde sich der Zusatz „aktuelle Fälle - Beweismittel“. Die Position „1 CD-Spindel mit 21 CDs“ trage den Zusatz „Fall K. - Beweismittel!! 
Kann aus der Formulierung ihres Generalsekretärs, wonach Einzelfalldaten oder die besonders heikle Extremismusdatenbank "nie das Zielobjekt" gewesen seien, geschlossen werden, dass derartige Daten zwar nicht das Zielobjekt der Staatsanwaltschaft gewesen sind, im Zuge der Hausdurchsuchung von den amtshandelnden Beamten aber „überschießend“ dennoch sichergestellt wurden?

13. Können Sie ausschließen, dass der Umfang der Amtshandlung und der tatsächlich sichergestellten Daten dadurch beeinflusst wurde, dass die Hausdurchsuchung unter Beteiligung der „Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität“ (EGS) unter der Führung eines FPÖ-Funktionärs durchgeführt wurde, der laut dem geschäftsführenden Parteiobmann der FPÖ-Niederösterreich zu „seiner Mannschaft“ gehört?

14. Wer bzw. welche Dienststellen sind mit der Auswertung der sichergestellten Daten beauftragt?

15.  Wer bzw. welche Dienststellen haben physischen Zugang zu den sichergestellten Datenträgern?


16. Haben Sie, Mitglieder ihres Kabinetts oder ihnen unterstellte Dienstbehörden Zugriff auf im Rahmen der Hausdurchsuchung beim BVT sichergestellte Daten?

17.  Trifft es zu, dass die Kopie-Daten auf dem neuen Datenträger in geringerem Ausmaß geschützt sind, als solche im EDV-System des BVT?

a.    Sind Zugriffe auf die sichergestellten Daten nur über verifizierte Accounts möglich?

b.    Werden Zugriffe auf die Kopie-Daten protokolliert?

c.    Wurden die Kopie-Datenträger verschlüsselt?

d.    Könnten die Datenträger mit den sichergestellten Daten (USB-Sticks, Festplatten etc.) bei physischem Zugriff durch Duplizieren des Images geklont werden, ohne die Protokollierung eines Zugriffs auszulösen?

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese Anfrage dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.