3466/J-BR/2018

Eingelangt am 21.03.2018
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Anfrage

 

 

 

der BundesrätInnen David Stögmüller, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort 

betreffend „leistbares Wohnen und Schutz des gemeinnützigen Vermögens“

BEGRÜNDUNG

 

Österreichs System des gemeinnützigen Wohnbaus gilt international als effizientester Weg zur Errichtung und Sicherung von nachhaltig leistbarem Wohnraum. Nun wird auch im aktuellen Regierungsprogramm (S.47 ff) darauf eingegangen: „Wir bekennen uns klar zum Prinzip der Wohnungsgemeinnützigkeit und sprechen uns gegen Spekulation mit dem Vermögen gemeinnütziger Bauvereinigungen aus.“

Bereits in der Vergangenheit führten Veräußerungen von Immobilien unter Einschaltung von gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften zu erheblichen Spekulationsgewinnen, z. B. Entzug der Anerkennung der Gemeinnützigen Bauvereinigung „Riedenhof“ und „Gesfö Buntes Wohnen“ durch die Burgenländische Landesregierung im Oktober 2015 und Verschmelzung der „Riedenhof“ mit der Wertinvest Immobilientreuhand GmbH im April 2017, als deren Alleingesellschafter DDr. Michael Tojner angegeben wird.

 

Jüngstes Beispiel sind die Vorgänge um die Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (WBV-GÖD): 3000 Wohnungen im Wert von 600 Mio. Euro wurden um 6 Mio. Euro an einen Investor verkauft, ohne dass eine gesetzlich vorgeschriebene Genehmigung der Stadt Wien vorlag. Zwischen der WBV-GÖD und einem weiteren Investor, DDr. Michael Tojner, besteht laut Medienberichten[1] ein Optionsvertrag. Dieser räumt DDr. Tojner eine Kaufoption ein sowie das Recht, einen neuen Eigentümer zu suchen.

 

Laut Gutachten des Revisionsverbands handelt es sich deshalb bei dieser Verschleuderung von tausenden Sozialwohnungen um ein unzulässiges Geschäft. Außerdem sei es nicht vorgesehen, dass ein privater Investor/Bauherr gleichzeitig einen gemeinnützigen Bauträger besitze. Eigenartigerweise entschied sich die Aufsichtsbehörde, die MA 50 der Gemeinde Wien, für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit und nicht für die Rückabwicklung des rechtswidrigen Verkaufs. So kann der Investor in Zukunft freiwerdende Wohnungen lukrativ und gewinnbringend verkaufen, wodurch günstiger Wohnraum unwiederbringlich verloren geht. Außerdem bildet die Aberkennung der Gemeinnützigkeit trotz Verstößen gegen das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) ein Präjudiz für die Aushöhlung der Gemeinnützigkeit und damit den Verlust von tausenden leistbaren Sozialwohnungen. Die Vorgangsweise der Aufsichtsbehörde in Wien erscheint äußerst hinterfragenswert.

 

 

Um den Schutz gemeinnützigen Vermögens und damit die Grundlage für nachhaltig leistbaren Wohnbau zu gewährleisten, wurde im WGG Vorsorge getroffen. Allerdings erfordern die oben erwähnten Vorgänge einige Klarstellungen der Gesetzeslage:

 

-       Präzisierung der Gründe zur Entziehung der Gemeinnützigkeit (demonstrativer Katalog der Gründe)

-       Zustimmung/Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörde der Landesregierung bei einem „Paket- oder Gesamtpaket-Verkauf“ an Dritte (§ 10a Abs 1 lit d WGG)

-       Parteienstellung des Revisionsverbands und der Aufsichtsbehörde bei Sitzverlegung von gemeinnützigen Bauvereinigungen (§ 33 Abs 2 WGG)

-       mehr Transparenz durch Veröffentlichung des Bescheids über die Höhe der vorläufigen Geldleistung und jenes über die endgültige Geldleistung bei Veräußerung (§ 29 Abs 3 und §35 WGG), denn gemäß § 36 Abs 5 WGG sind alle erbrachten Geldleistungen von der Landesregierung für Zwecke des gemeinnützigen Wohnungswesens zu verwenden, bei Aberkennung also wieder zurückzuerstatten

-       Entzug der Gemeinnützigkeit erst nach Ausschöpfung aller möglichen Maßnahmen

-       transparente Darlegung aller gesetzlich vorgesehenen Schritte der Aufsichtsbehörde des Landes gemäß den Bestimmungen des WGG und des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vor Einleitung eines Verfahrens auf Entzug der Gemeinnützigkeit

-       Beiziehung des Revisionsverbands bei Verfahren zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit

-       Erweiterung des Instrumentariums und der Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden wie gesetzliche Veräußerungs- und Belastungsverbote und einstweilige Verfügungen während des Entzugsverfahrens, Bestellung eines einstweiligen Geschäftsführers (wenn Mängel nicht behoben werden)

-       WGG Anwendbarkeit als Anmerkung im Grundbuch

 

 

Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE

 

 

1. Wie beurteilen Sie die Vorgangsweise der Aufsichtsbehörde Wien MA50 im Zusammenhang mit der Gemeinnützigkeit der WBV-GÖD? Hätte der Verkauf nicht wegen Rechtswidrigkeit und Verstoß gegen Regelungen des WGG rückabgewickelt gehört?

 

2. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um die Gesetzeslage des WGG zu präzisieren, damit nicht tausende Sozialwohnungen durch die Hintertür privatisiert werden können?

 

3. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um zu einer Präzisierung der Gründe zur Entziehung der Gemeinnützigkeit (demonstrativer Katalog der Gründe) kommen?

 

4. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um die Zustimmung/Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörde der Landesregierung bei einem „Paket- oder Gesamtpaket-Verkauf“ an Dritte (§ 10a Abs 1 lit d WGG) zu verankern?

 

5. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um die Parteienstellung des Revisionsverbands und der Aufsichtsbehörde bei Sitzverlegung von gemeinnützigen Bauvereinigungen (§ 33 Abs 2 WGG) zu sichern?

 

6. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um für mehr Transparenz durch Veröffentlichung des Bescheids über die Höhe der vorläufigen Geldleistung und jenes über die endgültige Geldleistung bei Veräußerung  (§ 29 Abs 3 und § 35 WGG) zu sorgen?

 

7. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um den Entzug der Gemeinnützigkeit erst nach Ausschöpfung aller möglichen Maßnahmen zu gestatten?

 

8. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um eine transparente Darlegung aller gesetzlich vorgesehenen Schritte der Aufsichtsbehörde des Landes gemäß den Bestimmungen des WGG und des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vor Einleitung eines Verfahrens auf Entzug der Gemeinnützigkeit zu gewährleisten?

 

9. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um eine Beiziehung des Revisionsverbands bei Verfahren zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit zu bewirken?

 

10. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um eine Erweiterung des Instrumentariums und der Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden wie gesetzliche Veräußerungs- und Belastungsverbote und einstweilige Verfügungen während des Entzugsverfahrens, Bestellung eines einstweiligen Geschäftsführers (wenn Mängel nicht behoben werden) im WGG zu sichern?

 

11. Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um die WGG Anwendbarkeit als Anmerkung im Grundbuch vorzusehen?



[1] https://diepresse.com/home/panorama/wien/5313491/Verspielt-Wien-TausendeSozialwohnungen Tageszeitung „die Presse“ vom 2.11.2017