3473/J-BR/2018

Eingelangt am 05.04.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

Dringliche

gem. § 61 Abs. 3 und 4 GO-BR

der Bundesrätlnnen Mag. Elisabeth Grossmann, Günther Novak,

Ana Blatnik, Hubert Koller MA, Martin Weber

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend „Einsparungsprojekte zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in der österreichischen Schieneninfrastruktur“

Am 22. Dezember 2017 haben die Bundesrätlnnen Rene Pfister und GenossInnen eine Anfrage betreffend „Auswirkungen des Regierungsprogramms auf die Bundesländer“ an Sie als Bundesminister eingebracht. Diese haben Sie am 22. Februar 2018 wie folgt für das Bundesland Steiermark und den Bereich der Schieneninfrastruktur beantwortet:

„Im Bereich der Schieneninfrastruktur stellt das Zielnetz 2025+ die langfristige, bundesländerüber-greifende Planungsgrundlage dar. Es enthält konkrete verkehrspolitische Maßnahmen und etappenweise Umsetzungspläne zur Zielerreichung. Im Regierungsprogramm 2017-2022 ist eine Weiterentwicklung des Zielnetzes 2025+ vorgesehen. Das Zielnetz 2025+ wird schrittweise durch sechsjährige Investitionsprogramme (ÖBB-Rahmenpläne) umgesetzt, die in der Regel jährlich fortgeschrieben werden. Die Rahmenpläne enthalten die vorgesehenen finanziellen Mittel und Zeitpläne für Neu- und Ausbauvorhaben, Reinvestitionen und Instandhaltung in den einzelnen Bundesländern. In Bezug auf den in der Anfrage angesprochenen Zeitraum laufen derzeit die technischen Abstimmungen zur Erstellung des ÖBB-Rahmenplans 2018-23, welcher im Zuge der Budgetbeschlüsse finalisiert wird. Im Bundesland Steiermark sind als wesentliche Infrastrukturprojekte im Bahnbereich der Bau der Koralmbahn Graz - Klagenfurt, der Bau des Semmering-Basistunnels und die Bahnhofsumbauten Bruck an der Mur - Graz zu nennen.“

 

In Ihrer Anfragebeantwortung war weder von Kürzungen noch vom Verschieben einzelner oder mehrerer Projekte die Rede. Wörtlich wird von „in der Regel jährlich fortgeschrieben“ gesprochen.

Wie aus einem medialen Hintergrundgespräch (von welchem die Kleine Zeitung berichtete) nunmehr bekannt wurde, lassen Sie als zuständiger Verkehrsminister die Fertigstellung des Koralmtunnels um bis zu zwei Jahre verschieben. Ursprünglich war die Inbetriebnahme im Dezember 2024 geplant gewesen, diese soll nun bis 2026 hinausgeschoben werden.

Der 33km lange zweiröhrige Tunnel hat eine zentrale Bedeutung für die Verkehrsinfrastruktur Österreichs und Europas: er stellt einen wichtigen Bauabschnitt auf der Baltisch-Adriatischen-Achse dar und verkürzt die Wegstrecken zwischen den Landeshauptstädten Klagenfurt und Graz enorm.

Dies ist für den Personen- aber vor allem für den Gütertransport von größter Bedeutung.

Die exportorientierte Wirtschaft im Süden Österreichs hat fix mit der Einhaltung des Zeitplanes gerechnet und befürchtet bei Abweichungen dieser Dimension massive wirtschaftliche Schäden.

Der weststeirische Unternehmer Manfred Kainz, Obmann der WK RegionalsteIle Deutschlandsberg artikuliert dies in der Kleinen Zeitung vom 24.3.2018 folgendermaßen: „Wir fordern die Beibehaltung des bisherigen Fahrplans, sonst droht der Wirtschaft hier ein enormer Schaden. Denn die Verschiebung stelle viele Business- und Investitionspläne auf den Kopf. Unternehmen brauchen Planungssicherheit.“ Weiters zitiert Kainz einen Unternehmer, der „sein Headquarter am Bahnhof Weststeiermark bauen und 200 Arbeitsplätze schaffen wolle, nun aber davon Abstand nehme, wenn wir als Standort ein unzuverlässiges Bild abgeben.“

Ähnlich argumentieren auch Unternehmer auf Kärntner Seite.

Aus der Steiermark sprechen sich unter anderen LHStv Michael Schickhofer, Landesrätin Barbara Eibinger- Miedl, Landesrat Anton Lang vehement für die Beibehaltung des bisherigen Zeitplans aus.

90% des Bauvorhabens sind bereits fertiggestellt. An der Trasse liegen 23 Bahnhöfen, 12 davon an der Neubaustrecke.

Weitere verkehrspolitische Maßnahmen sind punktgenau auf den bisherigen Zeitplan abgestimmt, wie Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser betont. Eine Gesamtinbetriebnahme mit Fahrplanwechsel müsse spätestes im Jahr 2025 erfolgen, sonst drohen Folgekosten, die vom Bund abzugelten wären.

 

Laut Berechnungen von Professor Bökemann betrage der generelle Standortnutzen für die gesamte Koralmbahn ca. 250 Millionen Euro pro Jahr. Dementsprechend groß sind die Verluste für die Länder Steiermark und Kärnten bei der in Aussicht genommenen Verzögerung.

All das muss bei den abzugeltenden Folgekosten berücksichtigt werden!

Dazu kommen die arbeitsmarktpolitischen Folgen:

1300 Personen sind bei diesem Großprojekt beschäftigt, davon 800 unmittelbar beim Koralmtunnel. Eine Verzögerung bei den Ausschreibungen der Baulose hätten auch negative beschäftigungswirksame Folgen. Vida Gewerkschafter Hermann Lipitsch befürchtet laut Kronen Zeitung dadurch die die Gefährdung von rund 1000 Arbeitsplätzen.

Die Begründung der Bauverzögerung um 2 Jahre, weil man auf „anderes Gestein“ (Norbert Hofer, Kleine Zeitung 24.3.2018) gestoßen sei, löst bei Insidern Kopfschütteln aus.

Die ÖBB Verantwortlichen zeigten sich über die Nachricht der Verschiebung von zwei Jahren auf Rückfrage der Kleinen Zeitung überrascht. „Von einer Verschiebung von zwei Jahren könne aus derzeitiger Sicht keine Rede sein“ werden ÖBB-Verantwortliche zitiert.

Dass sich die Bohrungen schwierig gestalten werden, war bekannt und in die Planungen einkalkuliert worden. Nach Bekanntwerden des Steckenbleibens der Tunnelvortriebsmaschinen (von Schulkindern liebevoll Mauli 1 und Mauli 2 benannt) im letzten Sommer hieß es von ÖBB-Seite: „Die Gesamtinbetriebnahme der Koralmbahn Ende 2024 ist nicht gefährdet, die schwierige Geologie ist einkalkuliert worden“!

Darauf wird auch in einer Stellungnahme aus dem Büro des Kärntner Landeshauptmannes hingewiesen, dass die bisher bestehenden und in der Öffentlichkeit kommunizierten geologischen Probleme bereits Grundlage dafür waren, dass die Inbetriebnahme, mit einem Zeitpuffer versehen, verschoben wurde. Es stelle die neuerliche Verschiebung lediglich die im Rahmenplan und sich im vorliegenden Bundesgesetz widerspiegelnde Widergabe der budgetären Kürzung der finanziellen Mittel dar.

In der interessierten Öffentlichkeit kursiert ein Papier, welches die tatsächlichen Einsparungen bei den Schieneninfrastrukturprojekten darstellt. So will die derzeitige Bundesregierung über 1,8 Milliarden Euro bei der Bahninfrastruktur einsparen, bei der Koralmbahn rund 80 Millionen Euro.

Dies erscheint besonders zukunftsvergessen, weil Investitionen in die Schieneninfrastruktur einen Kosten-Nutzen-Quotienten von 1,2 bis 1,3 in der Bauphase aufweisen. Das heißt pro investierten Euro entsteht ein Nutzen von 1,2 bis 1,3 Euro.

 

Die unterzeichneten BundesrätInnen stellen daher folgende

Anfrage

1.      Welche konkreten Abweichungen vom bisherigen Bau/Zeitplan planen Sie beim Koralmtunnel?

2.       Welche budgetären Einsparungen ergeben sich daraus?

3.       Warum wird die Bevölkerung, einschließlich der unmittelbar betroffenen Personenkreise wie UnternehmerInnen, Arbeitnehmerlnnen etc., nicht direkt über Planänderungen informiert, sondern muss sich dies über mediale Hintergrundgespräche zusammenreimen?

4.       Werden den Ländern, den Regionen sowie den Gemeinden die daraus resultierenden Folgekosten ersetzt?

5.       Werden den Unternehmen bzw. sonst Betroffenen die daraus resultierenden Schäden ersetzt?

6.       Woher gewinnen Sie im Gegensatz zu den ÖBB-Verantwortlichen die Erkenntnis, dass die geologischen Schwierigkeiten jetzt plötzlich eine Verzögerung der Fertigstellung des Koralmtunnels von bis zu zwei Jahren zur Folge haben?

Wann werden Sie Ihre Informationen, auf die sich besagte Erkenntnis gründet, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen?

7.       Steht nicht vielmehr die in Aussicht genommene Bauverzögerung im Zusammenhang mit den Budgetvorgaben des Finanzministers?

8.       Welche weiteren Bauverzögerungen bei von der vorherigen Bundesregierung in Aussicht genommenen Projekte planen Sie?

Bitte nach Bundesländern aufgeschlüsselt, sowie folgenden Kriterien aufgliedern: Maßnahme/ Zeitliche Dimension/ Kostendifferenz

a.      Burgenland

b.     Kärnten

c.      Niederösterreich

d.     Oberösterreich

e.      Salzburg

f.       Steiermark

g.      Tirol

h.     Vorarlberg

i.        Wien

9.      Werden die geplanten Bahnhofsumbauten von Bruck a.d. Mur bis Graz plangemäß durchgeführt oder ergeben sich hier auch Verzögerungen?

10.  Werden Sie der Forderung von LHStv Michael Schickhofer nachkommen, das gesamte wissenschaftliche Know-how im Bereich des Tunnelbaus zu bündeln und ExperInnen an einen Tisch holen, um allfällige Verzögerungen beim Bau des Koralmtunnels abwenden zu können?

11.  Welche Einsparungen sind im Bereich der technischen und betrieblichen Sicherheit und Qualität im Bereich der Schieneninfrastrukturmaßnahmen geplant?

12.  Welche Einsparungen sind im Bereich der Kundenzufriedenheit geplant?

13.  Welche negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf Kärnten und den Kärntner Arbeitsmarkt hat die Verzögerung beim Bau des Koralmtunnels?

14.  Stimmen die Berechnungen, dass der gesamte Standortnutzen der Koralmbahn (vom Südburgenland bis Osttirol) rund 250 Mill. Euro pro Jahr gebracht hätte?

15.  Muss die Wirtschaft in diesem Raum deshalb bei einer zweijährigen Verzögerung der Fertigstellung des Tunnels mit einem finanziellen Nachteil von 500 Mio. rechnen?

16.  Wie viele Arbeitsplätze werden durch die Verzögerung gefährdet bzw. werden dadurch nicht geschaffen?

17.  Wurde der volkswirtschaftliche Schaden der Verzögerung erhoben und wie hoch ist er zu beziffern?

18.  Warum gibt es bis dato von Seiten des Infrastrukturministers noch kein Bekenntnis und keine Zusage, das auf Basis eines Schulterschlusses zwischen ihrem Vorgänger, den Kärntner Landtagsparteien und der Wirtschaft beschlossene Maßnahmenpakt zum Schutz der Kärntner Bevölkerung vor Güterbahnlärm im Zentralraum zwischen Klagenfurt und Villach, Schritt für Schritt umzusetzen?

19.  Bekennen Sie sich zu Lärmschutzmaßnahmen entlang der Eisenbahnstrecke im Kärntner Zentralraum von Klagenfurt bis Villach im Interesse der betroffenen Bevölkerung?

20.  Welche Maßnahmen wie z.B. Ausbau der Lärmschutzwände, Schienenschleifen, Flüsterbremsen wurden bereits eingeleitet bzw. ab wann ist mit der Umsetzung dieser Maßnahmen zu rechnen?

21.   Warum wurde nun seitens der ÖBB bzw. des für sie verantwortlichen Infrastrukturministeriums entschieden, notwendige und bereits zugesagte Investitionen für den Ausbau des Logistic Center Austria South in Villach Fürnitz zu einem internationalen Verschiebebahnhof, ins Jahr 2027 zu verschieben, obwohl das größte türkische Logistik-Unternehmen ECOL die Österreichzentrale in Fürnitz gegründet hat und den Betrieb enorm forcieren will?

22.   Welche Nachteile und negative Auswirkungen auf den Kärntner Arbeitsmarkt und die Kärntner Wirtschaft sind durch diese Verschiebung zu befürchten?

23.   Trotz positiver Prüfungsergebnisse der ÖBB hinsichtlich von Haltepunkte für Fernverkehrszüge im Lavanttal und in Kühnsdorf gibt es von der neuen Bundesregierung und von Infrastrukturminister Hofer keine Zusagen. Bekennen Sie sich - auch im Hinblick auf die Anbindung einer der führenden Tourismusdestinationen, der Region Südkärnten-Klopeinersee an das Bahnnetz -zum Bahnhof Kühnsdorf?

24.   Wie vertragen sich die geplanten Maßnahmen mit den Zielen der neuen Klimastrategie der Bundesregierung?

25.   Sind Sie bereit, dem Bundesrat das genannte Papier „Vergleich Entwurf Rahmenplan 2018-2023 Stand 13.06.2017 zu Vergleich Entwurf Rahmenplan 2018-2023 Stand 02.02.2018“, welches wie bereits erwähnt in der interessierten Öffentlichkeit kursiert, zur Verfügung zu stellen, damit die Auswirkungen dieses Einsparungsvorhabens auf die einzelnen Regionen analysiert werden können?

26.   Verfügen Sie in Ihrem Ressortbereich zusätzlich zu diesem Papier noch über weitere Papiere, die die geplanten Einsparungsmaßnahmen noch detaillierter darstellen?

Wenn ja, sind Sie bereits auch diese Papiere dem Bundesrat zu übermitteln?

In formeller Hinsicht wird verlangt, gem. § 61 Abs. 3 und 4 GO-BR diese

Anfrage dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln.