3495/J-BR/2018

Eingelangt am 30.05.2018
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Anfrage

Dringliche Anfrage

 

gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR

der BundesrätInnen Günther Novak

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend die „Nichteinhaltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“

 

Die schwarz-blaue Bundesregierung plant, CETA völlig überhastet und ohne Grund noch vor dem Sommer durch das Parlament zu peitschen. Durch diese überstürzte Vorgangsweise sorgen ÖVP und FPÖ dafür, dass die in CETA enthaltenen Konzernklagerechte erstmals in Kraft treten. Denn bislang waren diese Konzernklagerechte nicht in Kraft – erst der geplante Beschluss durch die Koalitionsparteien ermöglicht, dass Konzerne gegen unsere hohen Standards klagen.

Immerhin bekundete gerade die FPÖ noch vor der Wahl vehement ihre Ablehnung von CETA und Konzernklagerechten. Um nur einige Beispiele zu nennen:

·         „Nordamerikanische Konzerne, Großbanken und Fondsgesellschaften können Österreich klagen, nur weil sie argwöhnen, dass neue Mindestlohnregelungen, Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze, Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern oder großzügige Transferleistungen der Staaten ihre Profitaussichten schmälern.“ – FPÖ-Broschüre Mai 2015.

 

·         „Mit CETA fallen nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte. Außerdem ist mit In-Kraft-Treten des Handelspaktes der Beschneidung der Daseinsvorsorge – wie der Privatisierung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen im Gesundheitsbereich oder der Wasserversorgung – Tür und Tor geöffnet.“ – Norbert Hofer per OTS, Oktober 2016.

 

·         „Sogenannte ‚unabhängige‘ Schiedsgerichte, vor denen Konzerne ganze Staaten verklagen können, sind in dieser Form nicht zu akzeptieren! Es ist völlig unklar, wer diese Urteile fällt und wem diese ‚Richter‘ verpflichtet sind. Wir aber wollen unseren österreichischen Rechtsstaat, der ein Pfeiler der Demokratie ist, schützen und bewahren. Daher darf eine Entscheidung darüber nur mit Volksabstimmung erfolgen.“ – HC Strache im Nationalrat, September 2017.

 

·         „Aber es ist ja auch kein Wunder, dass Sie sich so um CETA und TTIP sorgen. Denn diese beiden Abkommen sind klassische Produkte des Raubtierkapitalismus.“ – ebd.

 

Die FPÖ gab noch bis wenige Tage vor dem Eintritt in die Koalition mit der ÖVP die Garantie ab, dass über CETA eine Volksabstimmung durchgeführt werde und dies Koalitionsbedingung sei:

·         "Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung." - Heinz-Christian Strache in "Österreich", September 2017.

 

·         „Sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen, wird der Ausbau der direkten Demokratie absolute Koalitionsvoraussetzung sein“, versicherte Hofer, „denn die Österreicher müssen über Inhalte selbst entscheiden können, wenn sie das wollen.“ – Norbert Hofer per OTS, September 2017.

 

·         Den Teil von CETA, der im Parlament zur Abstimmung kommt, wollen wir unbedingt einer Volksabstimmung unterziehen, weil es hier um eine starke Einschränkung der Souveränität Österreichs geht."  - FPÖ-Abg. Harald Stefan im ORF, November 2017.

 

·         "Jener Teil von CETA, der ins Parlament kommt, muss einem Volksentscheid unterzogen werden." - FPÖ-Bundesratsfraktionsvorsitzende Monika Mühlwerth zu profil, November 2017

 

Strache ließ sich mit seiner Ablehnung von CETA sogar plakatieren:

 

 

Auch 562.379 ÖsterreicherInnen haben im Zuge des Volksbegehrens „Gegen TTIP/CETA“ ihre Kritik an den Abkommen kundgetan und ein Verfassungsgesetz gefordert, das eine Genehmigung von CETA und TTIP nur auf Grundlage einer eigenen verfassungsrechtlichen Ermächtigung erfolgen darf. Dieses Volksbegehren wurde auch von Strache und Hofer sowie weiteren VertreterInnen der FPÖ unterschrieben.

Nunmehr soll aber alles anders sein. Die FPÖ stimmte bereits im Regierungsprogramm der Ratifikation von CETA bedingungslos zu und enttäuscht dadurch nicht nur die 562.379 UnterstützerInnen des Volksbegehrens. Sie hat geradezu kapituliert. Als Trost erhielt sie scheinbar die vorübergehende Aufhebung des Rauchverbots. Die Bedrohung durch Konzernklagen gilt mit Zustimmung der FPÖ jedoch für alle Zukunft unbefristet.

Begründet wird dieser Sinneswandel entweder damit, dass seit Regierungsantritt noch wesentliche Verbesserungen erreicht worden seien. Dies hätte CETA die Giftzähne gezogen. Norbert Hofer meinte – besonders innovativ - überhaupt, mit der Wahl von Alexander van der Bellen hätten sich die ÖsterreicherInnen mehrheitlich für CETA entschieden und dies hätte er zu akzeptieren.

Besonders pikant ist, dass im geplanten Regierungsbeschluss zu CETA offen angesprochen wird, dass es noch zu Nachverhandlungen bei CETA kommen könnte. Schließlich liegt CETA derzeit sowohl vor dem Europäischen Gerichtshof als auch vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht. Ergebnis in beiden Fällen völlig offen – im Gegenteil ist auf Grund eines ähnlichen EuGH-Urteils („Achmea“) sogar davon auszugehen, dass der EuGH CETA nur unter Auflagen genehmigen wird.

Mit der voreiligen und überhasteten Ratifikation durch Österreich begibt sich Schwarz-Blau daher vollständig seiner Verhandlungsposition in den bevorstehenden Nachverhandlungen. Es ist wie beim Autokauf: Die bessere Ausstattung gibt es sicher nicht mehr, wenn man den Kaufvertrag schon unterschrieben hat. Kurz und Strache wollen CETA so wie es jetzt ist und verzichten auch auf die Chance von Verbesserungen.

Derzeit liegen noch nicht einmal jene wesentlichen Verbesserungen vor, die die EU-Kommission anlässlich der Unterzeichnung zugesichert hatte: der internationale Handelsgerichtshof ist weiterhin in erster Linie eine Idee, bessere Garantien für die Unabhängigkeit der Entscheidungen von CETA-Tribunalen existieren genauso wenig wie ein objektives Entlohnungsschema für Tribunalmitglieder. Schon gar nicht ist die viel gepriesene Berufungsinstanz bislang eingerichtet (eine solche existiert in anderen Handelsabkommen im Übrigen seit Jahrzehnten als bloßer Papiertiger).

Strache ist jedoch nicht der einzige, der mit dem nun unmittelbar bevorstehenden CETA-Durchwinken sein Wort bricht:

„CETA ist jetzt eh schon teilweise in Kraft getreten und dann gibt es noch den Teil der Schiedsgerichte. Da hat Belgien ja auch Einspruch erhoben beim Europäischen Gerichtshof. Da wird es jetzt eine Entscheidung dazu geben, die wir abwarten. Und was natürlich wichtig ist, ist, dass unser Rechtssystem nicht ausgehöhlt wird.“ – Sebastian Kurz im ORF, 28.9.2017.

Die Vorgangsweise von Schwarz und Blau ist auch ein besonderer Affront gegen die Interessen der Bundesländer und den ausdrücklichen Wunsch der Landeshauptleute-Konferenz.

Die Bundesländer haben in mehreren bindenden Stellungnahmen an die Bundesregierung gefordert, dass in CETA und anderen Handelsabkommen keine Sonderklagerechte für Konzerne enthalten sein sollen.

So beschlossen die Länder im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz am 11. Mai 2016 u.a. folgendes:

„Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen.“

Zuletzt bekräftigten die Bundesländer am 31.10.2017 ihre ablehnende Haltung gegen Konzernklagerechte. In der aktuellsten Länderstellungnahme heißt es:

„Private Schiedsgerichte oder internationale Investitionsgerichte bei Freihandels-   und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen werden abgelehnt.“

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat noch am 21.11.2017 die idente Formulierung in einer bindenden Stellungnahme gemäß Art. 23e B-VG beschlossen.

Kanada ist zweifellos ein Land mit hochentwickeltem Rechtssystem. Österreich auch. ÖVP und FPÖ handeln mit ihrem geplanten Abnicken von CETA somit gegen die Mehrheit der ÖsterreicherInnen, gegen alle Bundesländer, gegen unsere hohen Standards, aber für die Interessen der Konzerne und Großspender.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgende

Anfrage

1.    Welche Verbesserungen bzw. Änderungen an CETA hat die aktuelle Bundesregierung seit ihrem Antritt erreicht?

2.    Welche „Giftzähne“ hat die aktuelle Bundesregierung dem Abkommen gezogen? Wann und in welcher Form ist dies erfolgt?

3.    Wurden Vorbereitungsmaßnahmen getroffen, um eine Volksabstimmung zu CETA zu ermöglichen?

4.    Hat der Vizekanzler oder der Verkehrsminister jemals Ihnen gegenüber Bedenken bzgl. CETA geäußert?

5.    Gab es anlässlich der Beschlussfassung von CETA im Ministerrat Wortmeldungen?

6.    Warum hat es die Bundesregierung mit der Ratifikation von CETA nun so eilig?

7.    Welche Auswirkungen hätte es, würde Österreich CETA nicht ratifizieren?

8.    Sind die Konzernklagerechte aktuell in Kraft bzw. was ist erforderlich, damit diese in Kraft treten?

9.    Kann Österreich CETA einseitig kündigen?

10.  Wie lange wirken die Konzernklagerechte selbst nach Kündigung von CETA nach?

11.  Ist CETA mit dem Unionsrecht vereinbar?

12.  Wann ist mit einem Urteil des EuGH im belgischen Gutachtenverfahren zu CETA zu rechnen?

13.  Auf Grundlage welcher Überlegungen wurde entschieden, dieses Urteil nicht abzuwarten?

14.  Wird die Bundesregierung die bilateralen Investitionsschutzabkommen Österreichs mit anderen EU-Staaten in Folge des Achmea-Urteils nun kündigen?

15.  Wie ist der Stand des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich auf Grund der bilateralen Investitionsabkommen mit anderen EU-Staaten?

16.  Plant die Bundesregierung eine vorläufige Anwendung der Konzernklagerechte nach erfolgter Genehmigung durch das Parlament?

17.  Welche Zuständigkeiten der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung sind durch CETA betroffen?

18.  Wurden die Bundesländer vorab befragt, für welche Landesgesetze sie eine Schutzklausel (Vorbehalt/Reservation) erforderlich halten?

19.  Warum wird der ausdrückliche Wille der Bundesländer, auf Sonderklagerechte zu verzichten, von Ihnen ignoriert?

20.  Wie viel verdient ein Mitglied des CETA-Konzerntribunals in Zukunft?

21.  Wie hoch sind die mutmaßlichen Verfahrenskosten für die Republik in solchen Verfahren?

22.  Wie hoch waren die Verfahrenskosten im Verfahren Meinl
Beleggingsmaatschappij Far East B.V.gegen Österreich)?

23.  Um wieviel übersteigen die kanadischen Investitionen in Österreich die österreichischen Investitionen in Kanada?

24.  Wer sind die größten kanadischen Investoren in Österreich, die durch CETA Sonderklagerechte erhalten?

25.  Warum gehen Sie im Ministerratsvortrag selbst von Nachverhandlungen zu CETA aus?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gemäß 61 Abs. 3 GO-BR in Verbindung mit Abs. 4 wird die dringliche Behandlung

dieser Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung verlangt.