3527/J-BR/2018

Eingelangt am 12.06.2018
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Anfrage

der Angeordneten Bundesrätin Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde an den an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Trade in Services Agreement (TiSA)

Begründung

Nach dem Stocken der Verhandlungen über den Dienstleistungsbereich im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO riefen die in der Global Services Coalition zusam­mengeschlossenen Industrieverbände im Juni 2011 zur Aufnahme von plurilateralen Dienstleistungsverhandlungen auf. Bereits ein Jahr später nahmen eine ausgewählte Gruppe von Industriestaaten und einige Entwicklungsländer die Verhandlungen zum Trade in Service Agreement (TiSA) auf. Derzeit verhandeln neben der Europäischen Union 22 WTO-Mitgliedsländer, darunter die USA und Kanada, über TiSA. Durch den TiSA-Prozess hofft diese ,Koalition der Willigen“, ihre bisher unvollendete Agenda des freien Handels mit Dienstleistungen zum Abschluss zu bringen.

Kaum ein anderes Handelsabkommen hat so weitreichende Auswirkungen auch auf Österreich wie TiSA. Obwohl die Europäische Kommission betont, dass öffentliche Dienstleistungen aus dem TiSA-Abkommen ausgenommen sein werden, scheint TiSA auch darauf abzuzielen, öffentliche Dienstleistungen kommerziell zu verwerten. Im Visier der TiSA-Verhandlungen stehen dabei Bestimmungen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene. In einer im Februar 2016 mit breiter Mehrheit angenomme-nen Entschließung fordert das Europäische Parlament daher, öffentliche Dienstleis­tungen und audiovisuelle Dienstleistungen „vom Anwendungsbereich des Abkom- mens auszuschließen“.

Durch TISA sollen nationale Dienstleistungsmärkte - auch im sensiblen Bereich der öffentlichen Dienstleistungen - für ausländische Konzerne geöffnet werden: es droht   u. a. die (weitere) Liberalisierung und Privatisierung von Wasserversorgung, Bildung, Gesundheit, Transport, Versicherung, Telekommunikation, Post, digitalem Handel so­wie im Finanzbereich. Auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind eingeschlossen.

Darüber hinaus sollen für TiSA eine Stillstands- sowie eine Sperr- bzw. Ratchet-Klau- sel gelten. Während die Stillstandsklausel dazu führt, den erreichte Stand der Libera-lisierung in allen Sektoren festzuschreiben, würde die geplante Sperr- bzw. Ratchet- klausel den bis dato erreichten Stand der Liberalisierung von Dienstleistungen in je-dem Land einzementieren und damit jede Entwicklung von einer marktorientierten zu einer staatlich organisierten Erbringung öffentlicher Dienste unmöglich machen.

Zahlreiche Beispiele, etwa im Bereich der Wasserversorgung, in den letzten Jahren haben gezeigt, dass in vielen Fällen eine Rekommunalisierung - etwa aufgrund von Marktversagen - unvermeidlich ist, um die Öffentlichkeit vor Kostenexplosion und Leistungseinbußen zu schützen. Auch belegen Beispiele die großen Gefahren hinter der Öffnung von Dienstleistungsmärkten: Verlust der Qualität von Dienstleistungen, Abnahme der Versorgungssicherheit für BürgerInnen, Unterlassung erforderlicher In­vestitionen seitens der Unternehmen, niedriger Löhne für Arbeitnehmerlnnen, teil- weise auch höhere Preise für die Dienstleistungen etc.

Seitens des Wirtschaftsministeriums und von VertreterInnen der Bundesregierung wurde wiederholt betont, dass zahlreiche Ausnahmen in TiSA verankert seien. Nähere Angaben bzw. Dokumente dazu ist die Bundesregierung bislang schuldig geblieben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.    Welche Ausnahmen von einer generellen Liberalisierung gibt es im Bereich öffent­liche Dienstleistungen?

2.    In welcher Form sind diese Ausnahmen im Bereich öffentliche Dienstleistungen sichergestellt?

3.    Wodurch wird garantiert, dass die Wasserversorgung durch TiSA nicht liberalisiert wird?

4.    Welche Ausnahmen von einer generellen Liberalisierung gibt es im Bereich audi­ovisuelle Dienstleistungen?

5.    In welcher Form sind diese Ausnahmen im Bereich audiovisuelle Dienstleistungen sichergestellt?

6.    Welche Ausnahmen von einer generellen Liberalisierung gibt es in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales?

7.    In welcher Form sind diese Ausnahmen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales sichergestellt?

8.    Durch welche Ausnahmen von einer generellen Liberalisierung wird der Daten­schutz sichergestellt?

9.     In welcher Form sind diese Ausnahmen sichergestellt?

10. Welche Ausnahmen von einer generellen Liberalisierung gibt es im Bereich Ver­kehr?

11.  ln welcher Form sind diese Ausnahmen im Bereich Verkehr sichergestellt?

12. Welche Ausnahmen von einer generellen Liberalisierung gibt es im Bereich Ener-gie und Umwelt?

13. ln welcher Form sind diese Ausnahmen im Bereich Energie und Umwelt sicherge­stellt?

14. Wie kann trotz Stillstands- und Sperr- bzw. Ratchet-Klausel sichergestellt werden, dass gegebenenfalls einmal liberalisierte Dienstleistungen im Fall von Marktversa­gen oder anderen nachteiligen Auswirkungen auf die Öffentlichkeit rekommunali- siert werden können?

15. Welche Studien über mögliche Auswirkungen von TiSA auf Österreich hat die Bun­desregierung bzw. einzelne Ministerien bei wem in Auftrag gegeben und zu weI­chem Ergebnis sind diese Studien gekommen?

16. Welche Studien über mögliche Auswirkungen von TiSA auf Österreichs Arbeitneh- merlnnen hat die Bundesregierung bzw. einzelne Ministerien bei wem in Auftrag gegeben und zu welchem Ergebnis sind diese Studien gekommen?

17. Welche Studien über mögliche Auswirkungen von TiSA auf Österreichs Frauen   als Hauptbeschäftigte im Dienstleistungssektor hat die Bundesregierung bzw. ein­zelne Ministerien bei wem in Auftrag gegeben und zu welchem Ergebnis sind diese Studien gekommen?

18. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Frauen als Hauptbeschäftigte im Dienstleistungssektor vor möglichen negativen Auswirkungen von TiSA geschützt sind?