3583/J-BR/2018

Eingelangt am 08.11.2018
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Anfrage

 

der BundesrätInnen Dominik Reisinger

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Sozialversicherungsreform

 

Der Ministerrat beschloss am 24.10.2018 den Umbau der Sozialversicherungen. Demnach sollen die derzeit bestehenden 21 Kassen durch Zusammenlegung auf 5 reduziert werden. Die Regierung verspricht sich dabei Einsparungen von rund 1 Milliarde Euro bis zum Jahr 2023. Im eigenen Gesetzesentwurf ist von lediglich 33 Millionen Euro Einsparungen ab 2023 die Rede. Die Kosten der Fusion wurden bis dato überhaupt nicht beziffert.

 

 

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher nachstehende

 

Anfrage

 

1. Patientenmilliarde / Fusionskosten

 

Auch der RH ist hinsichtlich des von der Regierung vorgerechneten Einsparungspotenzial mehr als skeptisch. Die im Entwurf enthaltene Darstellung der finanziellen Auswirkungen sei als ungenügend zu bezeichnen. Der Nachweis zum Einsparungspotenzial von € 1 Mrd. fehle. Die Darstellung sei damit nicht geeignet, dem Gesetzgeber eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage zu bieten.

 

1a.     Wie hoch ist der geplante Fusionsaufwand für die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen?

 

1b.    Welcher Einsparungsauftrag liegt dem zu Grunde?

 

1c.     Gibt es dazu konkrete Zielvorgaben?

 

1d.    Wenn nein, wer definiert diese bis wann?

 

1e.    Wer hat den Fusionsaufwand zu tragen?

 

Ein Verweis darauf, dass die Sozialversicherung selbst die Einsparungen beschließen muss, ist aus Sicht der einbringenden Bundesrätinnen und Bundesräte nicht ausreichend, da das Einsparungsziel durch das Gesetz vorgegeben wird.


2. Bundesweiter Gesamtvertrag

 

Die WFA verzichtet zur Gänze auf Aussagen über zu erwartende Einsparungen oder Mehrkosten aufgrund der Zusammenlegung. Sollte es teurer werden (die von BM Hartinger-Klein bestätigten, aktuellen, vor dem Hintergrund der Auflösung der GKKs getätigten Honorarabschlüsse etwa in Wien, Burgenland, Steiermark oder Salzburg lassen zwingend diesen Schluss zu):

 

2a.     Welche Maßnahmen tätigen Sie um zu vermeiden, dass die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen Mehrkosten verursacht bzw. wie stellen Sie als Aufsichtsbehörde sicher, dass die Selbstverwaltungskörper keine Mehrkosten verursachen?

 

2b.    Welchen Zusatznutzen werden diese enormen, indirekt durch die Organisationsreform der SV-Träger verursachten Mehraufwendungen (außer höhere Honorare für die Ärzte) für die Patienten haben?

 

2c.     Wie können dieses enormen Mehraufwendungen realistisch finanziert werden?

 

 

3. Reformprozess

 

Es ist üblich, bei geplanten Reformen die Betroffenen einzubinden (beispielsweise Änderungen der Ärztearbeitszeiten würden nicht ohne Einbindung der Ärztekammern in einen Verhandlungsprozess erfolgen).

 

3a.     In welcher Weise wurden die Sozialversicherungsträger offiziell in diesen großen Reformprozess eingebunden, der von der Regierung selbst als eines der zentralen Reformvorhaben dieser Legislaturperiode bezeichnet wird?

 

3b.    Mit welchen Trägern / Führungspersonen oder Funktionsträgern in den Trägern / Interessenvertretungen insbesondere auf Seiten der Dienstnehmer wurden konkret wie viele Verhandlungen geführt?

 

 

4. LSE-Studie/Kritik von Experten

 

Die Regierung beruft sich sowohl zur Untermauerung der nunmehr geplanten Trägerstruktur als auch zu den möglichen Einsparungen auf die LSE-Studie.

 

4a.     Wo (Seitenangabe) in der zitieren LSE-Studie sind konkret die entsprechenden Empfehlungen zur nunmehrigen Trägerstruktur zu finden?

 

4b.    Wo (Seitenangabe) sind konkret die Einsparungspotentiale der nunmehr geplanten SV-Organisationsreform beziffert?

 

Gleichzeitig fordert die LSE-Studie konkret „…keine Revolution, sondern vorsichtige, aufeinander aufbauende Veränderungen - weil das System in Österreich auf soliden Beinen steht und gut funktioniert. Wichtiger als die Diskussion über die Anzahl von Sozial-versicherungsträgern in Österreich ist, die Qualität des Systems weiter zu verbessern.“

 

4c.     Wurde diese Empfehlung von der Bundesregierung berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, woran ist dies erkennbar?

 

Gegen den Gesetzesentwurf gab es breite Kritik von namhaften Verfassungsexperten. Aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht bestehen Angriffspunkte. Friedrich Schneider etwa äußerte sich dahingehend, dass große Kassen die potenziellen Vorteile, die aus theoretischer Sicht gegenüber kleineren Kassen bestehen, nicht ausschöpfen können. In Verweis auf den Ökonomen Bert Rürup

 

(Rürup, Gesetzliche Krankenversicherung. Verwaltungskosten und Kassengröße (2004)) und die Fusionierungswelle der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland legt er dar, dass trotz Fusionen ein Anstieg der Verwaltungskosten (von 1994-2004 von 5,7% auf 6,2%) zu beobachten war. Die Kassen arbeiten mit zunehmender Größe nicht kostengünstiger. Vor allem die Zentralisierung der Entscheidungen und damit eine Abkehr von der bestehenden dezentralen Informationsverarbeitung seien aus ökonomischer Sicht als kritisch einzustufen. (Schneider/Haigner/Jenewein, Fusion regionaler Gebietskrankenkassen (2018))

 

4d.    Wurden bzw. werden diese offensichtlichen Kritikpunkte im Gesetzesentwurf berücksichtigt? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht?

 

 

5. Begutachtungsprozess

 

Im Vergleich zum ersten Entwurf sind nun im Regierungsentwurf eine Reihe wenn auch überwiegend geringfügiger Änderungsvorschläge eingearbeitet.

 

5a.     Welche Änderungen gehen konkret auf die Vorschläge welcher Institutionen / Personen zurück?