3586/J-BR/2018

Eingelangt am 08.11.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Dr. Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres

betreffend Umgang mit LGBTIQ-Personen im Asylverfahren

BEGRÜNDUNG

Am 15.08.2018 wurde in der Wiener Wochenzeitschrift "Falter" von einem 18-jährigen schwulen Afghanen berichtet dessen Asylantrag verweigert wurde, weil er nicht homosexuell sein könne und deswegen in seinem Heimatland auch keine Verfolgung zu befürchten habe. Die in dem negativen Bescheid dafür angeführten Gründe des zuständigen Beamten des BFA der Regionalstelle Wiener Neustadt enthalten zahlreiche Klischees und Vorurteile. So wurde in der Begründung angeführt: "Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten." Als weiteres Indiz für die Heterosexualität des Antragstellers wurde angeführt, dass er nur wenige Freunde habe und gerne alleine oder in kleineren Gruppen unterwegs ist. "Sind Homosexuelle nicht eher gesellig?', lautet dazu die Begründung in dem negativen Asylbescheid. Auch den Angaben des jungen Asylwerbers, er habe nicht homosexuelle Männer geküsst, wurden als unglaubwürdig empfunden mit der Stellungnahme: "Hätten Sie das tatsächlich bei einem nicht homosexuellen Jungen gemacht, dann hätten Sie furchtbare Prügel bezogen."

In einer Aussendung des BMI zu diesem Fall wurde betont, dass das BFA die sprachlichen Verfehlungen sehr bedauere und nach erstmaligen Beschwerden im Mai 2018 eine interne Prüfung veranlasst wurde. Dabei sei festgestellt worden, dass die Bescheide des betroffenen Beamten "hinsichtlich der Ausdrucksweise und Formulierungen nicht den qualitativen Standards des BFA entsprechen", woraufhin behördeinterne Maßnahmen gesetzt und dem Mitarbeiter bereits im Mai mit sofortiger Wirkung die Approbation entzogen wurde. Darüber hinaus wurde in allen regionalen Organisationseinheiten des BFA eine Evaluierung von insgesamt 500 Bescheiden mit dem Schwerpunkt Beweiswürdigung und Formulierung durchgeführt, wobei allerdings "keine grundsätzlichen strukturellen Defizite" gefunden wurden.

Kurz darauf (23.08.2018) wurde in den Medien ein ähnlicher Fall aus Graz bekannt: Der Asylantrag eines 27-jährigen homosexuellen Irakers wurde mit der Begründung abgelehnt, er habe sich eines "überzogenen mädchenhaften Verhaltens" bedient, weshalb seine angegebene sexuelle Orientierung auf die Behörde "lediglich gespielt" wirkte. Ein weiterer Fall wurde am 07.09.2018 von der NGO Fairness Asyl präsentiert: In einem Bescheid aus dem Jänner 2018 wurde die mangelnde Glaubhaftigkeit der Homosexualität eines afghanischen Asylwerbers mit dessen Handy- und Internetgewohnheiten begründet. Die Argumentation lautete dabei folgendermaßen: "Nachdem Sie über ein Smartphone verfügen und offensichtlich auch das Internet nutzen, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Sie bei tatsächlichem Verkehr mit anderen Männern, keinerlei Fotos (resultierend aus Chats) auf Ihrem Handy vorweisen können (Fotos wurden freiwillig gezeigt)." Des Weiteren wurde es als nicht nachvollziehbar erachtet, dass der Asylwerber nur oberflächliche Angaben zu seinen Internetnutzungsverhalten machen konnte. Dazu hieß es: "Hier wäre bei tatsächlichem Interesse (wie angegeben) an pornographischem Material über Homosexuelle, zumindest von Lieblingsseiten im Internet auszugehen."

 

Diese in den letzten Monaten hervorgekommenen Fälle lassen erhebliche Zweifel aufkommen hinsichtlich der qualitätsvollen und objektiven Bearbeitung von Asylanträgen und des respektvollen Umgangs mit LGBTIQ-Personen im Asylverfahren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Ist eine inhaltliche Überprüfung von Asylbescheiden durch einen Vorgesetzten vorgesehen, bevor diese an Asylwerber zugestellt werden?

2.    Ist für die Beurteilung von Asylanträgen jeweils nur ein Beamter zuständig oder ist ein Mehraugenprinzip vorgesehen?

3.    Sind die in der Begründung angeführten Entscheidungen ins Rechtskraft erwachsen?

3.1.   Wenn nein, wie ist der Verfahrensstand?

3.2.   Wenn ja, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, den Spruch bzw die Bescheidbegründung abzuändern, und wurden entsprechende Schritte ergriffen?

4.    Welche regelmäßigen Maßnahmen sind vorgesehen um die qualitativen Standards des BFA sicherzustellen?

5.    Werden in diesem Zusammenhang routinemäßige Bescheidevaluierungen durchgeführt?

5.1.  Wenn ja, wann hat die letzte Routineevaluierung stattgefunden und in welchen zeitlichen Abständen finden diese statt?

5.2.  Wenn nein, warum nicht?

6.    Welche konkreten Folgen hat die Entziehung der Approbation für den betroffenen Beamten des BFA der Regionalstelle Wiener Neustadt?

6.1.  Kann er danach weiterhin im Zusammenhang mit der Beurteilung von Asylanträgen tätig werden?

6.2.  War er seitdem an der Beurteilung von Asylanträgen beteiligt?

 

7.    Hat der betroffene Beamte die Möglichkeit gegen die Entziehung der Approbation rechtlich vorzugehen?

7.1.  Wenn ja, hat er dies getan?

8.    Wurden weitere disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den betroffenen Beamten aus Wiener Neustadt gesetzt?

8.1.  Wenn, ja welche?

8.2.  Wenn nein, warum nicht?

9.    Wurde in dem Fall aus Graz und jenem aus dem Jänner 2018 ebenfalls eine interne Prüfung durchgeführt?

9.1.  Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

9.2.  Wenn nein, warum nicht?

10. Wurden in diesen Fällen disziplinarrechtliche Maßnahmen gesetzt?

10.1.              Wenn ja, welche?

10.2.              Wenn nein, warum nicht?

11. Welche Maßnahmen und Standards sind vorgesehen um bei der Beurteilung von LGBTQ-Personen im Asylverfahren eine objektive Herangehensweise zu gewährleisten?

12.  Sind für Beamte der BFA regelmäßige Schulungen vorgesehen, in denen auch Themen wie der sensible Umgang mit LGBTIQ-Personen behandelt werden?

12.1.              Wenn ja, welche Schulungen gibt es zu diesem Thema und in welchem Ausmaß werden sie angeboten?

12.2.               Ist die Teilnahme an derartigen Schulungen verpflichtend?

12.3.               Haben die in den angeführten Fällen zuständigen Beamten an Schulungen zu diesem Thema teilgenommen?

12.4.              Wenn ja, welche Schulungen haben sie absolviert?