3614/J-BR/2018

Eingelangt am 20.12.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätlnnen Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin Hartinger-Klein für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz
betreffend „Kassenreform“

Begründung

Im Dezember 2018 wurde mit dem SV-OG eine umfassende Veränderung im Bereich der Sozialversicherung beschlossen. Dabei blieben zahlreiche praktische, rechtliche sowie finanzierungstechnische Frage ungeklärt. Ein entscheidender Effekt des SV-OG ist die Aushebelung des demokratischen Prinzips in der Selbstverwaltung: Obwohl in der zukünftigen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der Pensionsversicherungsanstalt PVA kein einziger Selbständiger und keine einzige Selbständige versichert sind, erhalten VertreterInnen der Wirtschaftskammer nicht allein 50% der Mandate in den Gremien der beiden Träger, sondern verfügen auch über eine faktische Vetomacht.

Auffällig ist auch, dass die Bundesregierung zwar mit Schlagworten wie Vereinheitlichung von Leistungen und Gerechtigkeit für ihr Gesetz wirbt, durch das Gesetz jedoch keinerlei organisatorisch wirksamen Effektivitätssteigerungen erreicht werden können: So kann es etwa bei der Zusammenlegung von Gewerbetreibenden und BäuerInnen oder von BeamtInnen und Eisenbahnerlnnen schon allein deshalb keine Effektivitätsgewinne geben, weil unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Berufsgruppen keine sinnvolle Kooperation zulassen. Insbesondere im Bereich der zukünftigen ÖGK werden zwar formal Kassen zusammengelegt, in Wahrheit aber zusätzliche Verwaltungskörper, nämlich die Dachorganisation der ÖGK, geschaffen.

Eine Vereinheitlichung von Leistungen der unterschiedlichen Kassen, also etwa der zukünftigen BVAEB oder der SVS mit den Leistungen der ÖGK findet nicht statt. Statt einer Vereinheitlichung und Gerechtigkeit betoniert das SV-OG somit die Mehrklassenmedizin. Als besonders beschämend darf hier festgestellt werden, dass PolitikerInnen, die in der zukünftigen BVAEB versichert sein werden, ihre Privilegien behalten und sogar ausbauen können, während die Versicherten der ÖGKs mit Mitteleinschränkungen konfrontiert sind, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Leistungsverschlechterungen für Versicherte und Selbstbehalte bei Arztbesuchen münden werden.

Die Frage der Verfassungskonformität des SV-OG wird demnächst der Verfassungsgerichtshof zu prüfen haben. Dennoch bleiben einige grundsätzliche Fragen.

 

Die unterfertigten BundesrätInnen stehlen daher folgende:

Anfrage

1.   Wann ist mit dem erstmaligen Erlass einer Verordnung nach § 31 ASVG hinsichtlich der Einhebung von Selbstbehalten bei Besuch von ÄrztInnen zu rechnen?

2.    Aus der WFA zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung Kostenreduktionen bei den Verwaltungs- und Verrechnungskosten linear von 7,5 bis 30% bis zum Jahr 2023 annimmt. Gleichzeitig werden der ÖGK jedoch deutlich mehr Mittel entzogen, als durch die behaupteten Einsparungen eingebracht werden können. Wie ist aus Sicht des BMASGK das so entstehenden Defizit der Jahre 2019 bis 2023 abzudecken?

Verrechnungsaufwand der ÖGK, Mittelentzüge und angebliches Einsparungspotential 2019 bis 2023

 

2018

2019

2020

2021

2022

2023

Summe

Verwaltungs-und Verrechnungsaufwand

310.681.155

318.855.915

327.026.716

335.529.411

344.253.175

353.203.758

 

Mitteleinzüge aufgrund SV-OG

 

-19.100.000

-41.100.000

-54.700.000

-68.900.000

-239.800.000

-423.600.000

Behauptete Einsparungen

 

 

24.527.004

50.329.412

77.456.964

105.961.127

258.274.507

 

3.  Wie rechtfertigt das BMASGK die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmerlnnen hinsichtlich ihrer Vertretung in den Verwaltungskörper etwa der BVAEB und der ÖGK bzw. der PVA?

4.   Wie rechtfertigt das BMASGK die Stimmenmehrheit der Arbeitgeberlnnenvertreterlnnen im Dachverband, obwohl nur etwa ein Sechstel aller Versicherten Selbständig sind?

5.   § 443 ASVG sieht vor, dass die Beitragseinnahmen eines Bundeslandes auch in diesem für Leistungen der Versicherten in diesem Bundesland aufgewandt werden müssen. Tatsächlich bedecken die Beitragseinnahmen jedoch nur zwischen 80% (Kärnten) und 90% (Salzburg) der Kosten für Gesundheitsleistungen für die Versicherten. Auf welche Weise sollen Ausmaß und Qualität der Leistungen für die Versicherten sichergestellt sein, wenn die Beitragseinnahmen die Kosten für Gesundheitsleistungen nicht abdecken können?

6.  Das neue Gesetz sieht keinerlei Vorkehrungen etwa für Fusionskosten vor. Anders als etwa bei der Fusion von PVArb und PVAng ist nicht einmal die Führung eines eigenen Rechenkreises mit Fusionskosten vorgesehen. Wie sind aus Sicht des BMASGK anfallende Fusionskosten zu finanzieren, ohne Versichertenleistungen zu verringern oder zu verschlechtern?

7.   Ein großer Teil der von der Regierung behaupteten Einsparungen finden - so sie überhaupt realisierbar sein sollten - in der Pensionsversicherung der Unselbständigen statt. Gleichzeitig verspricht die Regierung eine „Patientenmilliarde“, also mehr Leistungen in der Krankenversicherung (da Einsparungen in der Pensionsversicherungen keinen Patientlnnen zu Gute kommen, sondern einzig und allein dem Bundesbudget über reduzierte Bundesmittel). Inwiefern kommen Einsparungen in der Pensionsversicherung den PatientInnen in der Krankenversicherung zu Gute?

8.   Die Gebietskrankenkassen haben einen Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand von 294,6 Millionen Euro (2018). Wie soll daraus eine Patientenmilliarde finanziert werden?

9.   Die gesamte Krankenversicherung, also inklusive der Krankenversicherung der Selbständigen und jene der BeamtInnen sowie der heutigen VAEB, hat einen Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand von 498 Millionen Euro (2018). Wie soll daraus eine Patientenmilliarde finanziert werden?

10.    Wie stellt sich das BMASGK vor, dass die ÖGK die Versicherungsleistungen für die versicherten sicherstellt, wenn 30% des Personals eingespart werden soll?

11.    Der Bundeskanzler hat in Zusammenhang mit einer Steuerreform eine Senkung von Beitragssätzen in der Sozialversicherung angekündigt. Welche Vorarbeiten gibt es in Ihrem Ministerium diesbezüglich? In welchem Ausmaß soll der Krankenversicherungsbeitrag gesenkt werden? In welchem Ausmaß soll der Pensionsversicherungsbeitrag gesenkt werden? In welchem Ausmaß soll der Unfallversicherungsbeitrag gesenkt werden?

11.1. Wie sollen die Einnahmenausfälle durch Senkung der Beitragssätze kompensiert werden?

12.       Warum wird angesichts des behaupteten Ziels einer Effizienzsteigerung die Eingriffsmöglichkeiten der Aufsicht vergrößert?

13.   Warum benötigt die Aufsicht das Recht, Tagesordnungspunkte von einer Tagesordnung streichen zu lassen?

14.   Welche Pläne gibt es hinsichtlich der Höhe jenes Betrags, den die Sozialversicherung für die Arbeit ihrer eigenen MitarbeiterInnen bei der Beitragsprüfung zukünftig an das BMF zu leisten hat.