3617/J-BR/2019

Eingelangt am 29.01.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Bundesrates Martin Weber
Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus

betreffend „Schildbürgerstreich“ bei der Ausnahme von E-Autos von der IG- Luft-Geschwindigkeitsbegrenzung

Erst wurde die Ausnahme von der IG-L Geschwindigkeitsbeschränkung für E-Autos im Regierungsprogramm festgeschrieben[1], dann wurde sie im Vorfeld der Präsentation der Klima- und Energiestrategie angekündigt[2] und auch in dieser umrissen[3], später wegen „noch zu klärender rechtlicher Fragen[4]“ hinausgeschoben und dann doch als einzige, in den Kompetenzbereich der Bundesgesetzgebung fallende, Maßnahme im Rahmen eines dürftigen „E-Mobilitätspakets“ am 3.10.2018 vom Ministerrat beschlossen[5]. Tags darauf wurde im Umweltausschuss des Nationalrates die Regelung mittels Abänderungsantrag der Abg. Schmuckenschlager und Rauch in die in Behandlung befindliche Novelle des Immissionsgesetzes-Luft mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und NEOS aufgenommen[6] und schließlich am 25.10.2018 beschlossen.

Auf der Webseite des BMNT wird Bundeministerin Elisabeth Köstinger in diesem Zusammenhang mit der Aussage „Aufhebung des IG-L 1OOer bringt E-Autos auf die Überholspur!“ zitiert[7], eine Aussage, die sie sich bereits bei Beschlussfassung mit Bundesminister Ing. Norbert Hofer teilte[8].

Auch wenn man die Maßnahme aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit und auf Grund der zu erwartenden Steigerung der Lärmemissionen kritisch zu sehen muss, besteht doch die Erwartungshaltung, dass die groß angekündigte und bejubelte Maßnahme auch irgendwann in der Realität ankommt, wenn Politik nicht zur reinen Show-Veranstaltung verkommen soll.

Aber gerade diesen Realitäts-Check dürfte diese Maßnahme nicht bestehen, denn die Befreiung von Elektro- und Wasserstoffautos scheitert an der im Gesetz vorgesehenen Ausschilderung der Ausnahme von der Geschwindigkeitsbeschränkung. Auf die Ausnahme muss nämlich mittels Hinweisschildern aufmerksam gemacht werden, die es aber gar nicht gibt. So schreibt etwa der ÖAMTC dazu: „Solange aber die vom Gesetz verlangten Hinweiszeichen nicht vorhanden sind, kann von dieser Berechtigung vorerst niemand Gebrauch machen[9].“ Die Hinweiszeichen müssten wohl in der Straßenverkehrsordnung ergänzt werden.

Doch selbst wenn dieses Problem gelöst würde, drohen schon neue Hindernisse auf der vermeintlichen „Überholspur“ für die Elektromobilität. Laut Auskunft eines Experten des Innenministeriums sind die bestehenden Radargeräte nicht in der Lage zwischen den herkömmlichen Nummernschildern und jenen mit grüner Schrift für Elektro- und Wasserstofffahrzeuge zu unterscheiden, was dazu führen würde, dass diese trotzdem gestraft werden könnten[10].

Die „speed kills“-Politik der Regierungsparteien, bei der die bewährten Begutachtungsverfahren umgangen werden, führt im vorliegenden Fall zu einem wahren Schildbürgerstreich.

Die unterfertigten Bundesrätlnnen stellen daher an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus folgende

Anfrage

1.     Wann wird der erste Autofahrer bzw. die erste Autofahrerin eines Elektro- oder Wasserstoffautos tatsächlich die von Ihnen angekündigte Ausnahme von der Geschwindigkeitsbegrenzung nach dem Immissionsschutzgesetz- Luft nutzen können?

2.      Ist Ihnen die Problematik der fehlenden Schilder für das Wirksamwerden der beschlossenen Bestimmungen bekannt?

a.   Wenn ja, seit wann?

b.   Wenn nein, welche Schritte werden Sie nun nach Bekanntwerden dieses Sachverhalts setzen?

3.      Wenn Ihnen die Problematik bekannt ist, was haben sie seither zur Behebung dieser Problematik unternommen?

4.      Stehen Sie in dieser Frage in Kontakt mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie?

a.   Wenn ja, was ist seine Position in dieser Frage?

b.   Wenn nein, werden Sie mit ihm in Kontakt treten?

5.      Die Gesetzesänderung wurde zwar durch einen Ministerratsbeschluss politisch besiegelt, die Gesetzesänderung kam jedoch durch einen Abänderungsantrag der Abg. Schmuckenschlager und Rauch im Umweltausschuss zustande. Wurde der Antrag vor dem Einbringen an Sie, Ihr Kabinett oder an Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Ihres Ressorts übermittelt?

a.   Wenn ja, erfolgte eine „formale Überprüfung“ wie sie bereits beim umstrittenen Abänderungsantrag zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz erfolgte?[11]

b.   Wenn nein, wurde der Antrag gar von Mitarbeiterinnen des BMNT bzw. Ihres Kabinetts formuliert?

6.      War Ihnen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bewusst, dass die im Gesetzestext geforderte Ausschilderung auf Grund rechtlich nicht vorhandener Schilder nicht erfolgen konnte?

a.   Wenn ja, wen haben Sie darüber in Kenntnis gesetzt? Auch die Abgeordneten Schmuckenschlager und Rauch?

b.   Wenn nein, warum nicht?

7.      Von Ihren, als „E-Mobilitätspaket“ beworbenen, 3 Punkten (Ausnahme IG-Luft, Mitbenutzung der Busspur und Ausnahme von der Parkraumbewirtschaftung) aus dem Ministerratsvortrag vom 3. Oktober 2019 ist nun noch immer nichts realisiert worden. Wann können die Bürgerinnen und Bürger damit rechnen, dass die Beschlüsse der Bundesregierung umgesetzt werden?

8.      Die 30. StVO-Novelle ist derzeit in parlamentarischer Behandlung. Wieso ist darin keine Regelung der gegenständlichen Problematik enthalten?

9.      Welche Kosten entstehen durch die zusätzliche Beschilderung?

10.   Wird die Maßnahme, sobald sie tatsächlich umgesetzt ist, in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit evaluiert?

11.   Wird die Maßnahme, sobald sie tatsächlich umgesetzt ist, in Hinblick auf ihre Anreizwirkung für die stärkere Nutzung von Elektro- bzw. Wasserstoffautos evaluiert?

12.   Wie stellen Sie sicher, dass die nötigen Zusatzschilder auch für ausländische Nutzer von Elektro- bzw. Wasserstoffautos die Botschaft enthalten, dass sie nicht von der Ausnahme von der Geschwindigkeitsbegrenzung Gebrauch machen können?

13.   Entspricht es den Tatsachen, dass die Radargeräte nicht zwischen den Nummerntafeln für Elektro- bzw. Wasserstoffautos und jenen für herkömmliche Fahrzeuge unterscheiden können?

a. Wenn ja, wie wird sichergestellt, das FahrerInnen von Elektro- bzw. Wasserstoffautos nicht automatisch gestraft werden?



[1] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/at.gv.bka.liferay-
app/documents/131008/569203/Regierungsprogramm_2017%E2%80%932022.pdf

[2] https://www.bmnt.gv.at/service/presse/umwelt/2018/Koestinger-will-Ausnahme-f-r-E-Autos-bei-IG-Luft-
Tempolimits.html

[3] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/at.gv.bka.liferay-app/documents/131008/849801/20_18_mry.pdf

[4] https://derstandard.at/2000087190555/Debatte-ueber-Luft-100er-fuer-Elektroautos

[5] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/at.gv.bka.liferay-app/documents/131008/1028587/29_18_mry.pdf

[6] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/I/I_00279/index.shtml

[7] https://www.bmnt.gv.at/service/presse/umwelt/2018/K-stinger-Aufhebung-des-IG-L-100er-bringt-E-Autos-
auf-die-bersholspur-.html

[8] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20181003_OTS0064/

[9] https://www.oeamtc.at/news/oeamtc-begruesst-geplante-aufhebung-von-ig-l-hunderter-fuer-e-autos-25287936

[10] https://www.antenne.at/steiermark/kein-igl-f%C3%BCr-e-autos

[11] https://www.sn.at/panorama/oesterreich/uvp-neue-aufregung-um-abaenderungsantrag-43369255